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Das nahende Ende der Papiergeldzeit

13.07.2006  |  Roland Baader
Dieser Beitrag stammt aus der ersten Ausgabe des neuen Rohstoffbriefes "Rohstoff Spiegel" von GoldSeiten.de. Diesen Newsletter können Sie kostenlos unter www.rohstoff-spiegel.de abonnieren. Die nächste Ausgabe erscheint am Samstag, den 15. Juli 2006.


Seit US-Präsident Nixon die letzte schwache Verbindung des Dollars mit dem Gold kappte, indem er die Goldeinlösungsgarantie der USA für die Dollarguthaben ausländischer Zentralbanken beendete, läuft ein menschheitsgeschichtlich einzigartiges Experiment ab: Seit 35 Jahren befinden sich alle Staaten der Erde im reinen Papiergeldstandard (fiat money). Seither hat der Dollar rund 90% seiner Kaufkraft von 1971 eingebüßt. Und seither haben die Zentralbanken und die in ihrer Obhut stehenden (Bruchteilsreserven-) Bankensysteme der USA und der übrigen Industriestaaten Ozeane aus Schein- und Kreditgeld erzeugt. Überall lag das Geldmengenwachstum bei einem Vielfachen des Zuwachses der Güterproduktion.

Die Folge: Riesige Preisinflationsschübe, nur diesmal weniger auf den Gütermärkten als vielmehr auf den Märkten für Vermögensgüter (asset price inflation). Die Volkswirte vor Keynes wußten noch, daß Inflation nicht Preisniveausteigerung heißt, sondern Geldmengenvermehrung - und daß die Güterpreisinflation eine Folge der monetären Inflation ist. Die Konsequenz des papierenen Wahns: Zuerst rasten die Dollarfluten um den Globus und lösten eine Währungskrise nach der anderen aus (Mexiko, Rußland, Asien, Argentinien). Dann blies der Meister aller bubbles (Greenspan) eine Blase nach der anderen auf: Zuerst die Aktienblase, dann die Immobilien- und Hypothekenblase, und dann die Rohstoffblase. (Letztere war schwer zu erkennen, weil sie sich auf dem Rücken eines langfristigen Aufwärtszyklus der Rohstoffe abspielte). Blase 1 ist geplatzt, der Blase 2 geht derzeit die Luft aus, und Blase drei wird ihren Tanz zwischen Pump und Peng noch eine Weile vollziehen.

Entscheidend war und ist der Umstand, daß die Marktkräfte nach jeder massiven Verzerrung der relativen Preise zum gesunden Gleichgewicht zurückdrängen. Das aber hätte erfordert und würde auch jetzt erfordern, daß Politik und Zentralbanken deflationäre Krisen (Rezession oder Depression) zulassen. Und da stand jedesmal Greenspan - und steht nunmehr Bernanke vor. Mit jeder nicht oder nur halbwegs bereinigten Deformation des Wirtschaftsgefüges nimmt jedoch die Fähigkeit der betroffenen Volkswirtschaften ab, die monetären Fluten und ihre Kollateralschäden zu "verdauen" Zumal (da Papiergeld bekanntlich gleich Schulden) die Verschuldung der Staaten, der Unternehmen und der privaten Haushalte inzwischen astronomische Dimensionen erreicht hat.

Die nahende Depression, deren Wucht dem Ausmaß des genannten globalen Papiergeldexperiments entsprechen wird, kann mit der bisherigen Politik des easy money nicht mehr abgefangen werden. Bernanke und Konsorten werden die monetären Turboaggregate anwerfen müssen. Wird das vom Publikum erst einmal massenhaft registriert, beginnt die Hyperinflation. Diese geht nämlich - auch das wußten die alten Ökonomen noch - von der Geldnachfrageseite aus. (Die Angebotsseite - also Zentralbanken und Bankensystem - ist dazu allein nicht in der Lage). Der Tanz beginnt, wenn die Leute erwarten, daß sich die Preisinflation beschleunigen wird. Dann werden geplante Anschaffungen vorgezogen und das Geld ausgegeben "solange die Preise nicht noch mehr davongelaufen sind". Ökonomietheoretisch gesprochen: Die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes beschleunigt sich sukzessive. Nun wird der Tanz zum Totentanz.

Wer etwas zu verlieren hat und die Reihenfolge der Phasen von Inflation und Depression falsch einschätzt, kann buchstäblich alles verlieren. Demonstriert am Beispiel Gold: In der Hyperinflation geht der Goldpreis in die Wolken, in der Depression aber müssen Vermögen aufgelöst werden, um die Schulden bedienen zu können. Viele Leute werden ihr Gold verkaufen müssen - und kaum jemand wird es kaufen können. Das heißt nach dem einfachen Gesetz von Angebot und Nachfrage, daß der Goldpreis zerfallen würde. Niemand aber kann mit Sicherheit wissen, was zuerst kommt, die Krise oder die Hyperinflation - und wie sie ineinander verschlungen sein werden. Es gibt nur Wahrscheinlichkeiten - und Nichtstun ist manchmal besser als das Falsche zu tun.

Das Ende vom Lied: Der Staatsbankrott (ist gleich Massenbankrott der Bürger) oder - letztlich, nach dem Zusammenbruch der Hyperinflation, doch eine lange schwere Depression - oder beides. Wer die Geschichte der Kriege, der Diktaturen und der Revolutionen kennt, weiß, was mit solchen Verelendungszeiten einhergeht. Der große Ökonom und Nobelpreisträger Friedrich A. von Hayek, ein bedächtiger Wissenschaftler von Weltruf, wußte sehr wohl, warum er in seinem letzten Werk so eindringlich die Entstaatlichung des Geldes (Denationalisation of Money, 1976) gefordert hat - und warum er darauf hingewiesen hat, daß es dabei um nicht weniger als um das Überleben unserer Zivilisation gehen werde. Der letzte Satz seines Buches lautet: "Ich wünschte, ich könnte den Rat geben, langsam vorzugehen. Aber die Zeit mag kurz sein." Sie war kurz, denn jetzt ist es zu spät. Die Voodoo-Ökonomen der Neuzeit haben darüber gelacht. Das Lachen wird ihnen noch auf eine schreckliche Weise vergehen; leider uns allen ebenso.


Mit bislang 12 Büchern und Hunderten von sonstigen Publikationen gilt Roland Baader als herausragender Freiheitsdenker des deutschen Sprachraums. Zuletzt sind im Resch Verlag, Gräfelfing, erschienen: "Geld, Gold und Gottspieler. Am Vorabend der nächsten Weltwirtschaftskrise", und "Das Kapital am Pranger. Ein Kompaß durch den politischen Begriffsnebel"


© Roland Baader

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