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Lawrie Williams: Anomalien und Knappheiten am Goldmarkt

20.07.2016
- Seite 2 -
Alec Hogg: Eine richtige Goldknappheit? Sie meinen das echte Edelmetall?

Lawrie Williams: Ganz genau. In der letzten Zeit habe ich einige sehr, sehr seltsame Entwicklungen am Goldmarkt beobachtet. Nehmen wir beispielsweise die Goldimporte und -exporte der Schweiz. Traditionell importiert die Schweiz Gold aus dem Vereinigten Königreich, weil London für den Goldhandel eine Art Zentrale darstellt. Anschließend wird das Gold von der Schweiz weiter nach China, Indien oder in den Nahen Osten geliefert. In diesem Jahr ist bisher jedoch genau das Gegenteil geschehen. Der Großteil der Schweizer Goldexporte floss nach Großbritannien, was darauf schließen lässt, dass in den Londoner Tresoren nicht mehr genügend Gold ist, um die Nachfrage gänzlich zu decken. Ich bin mir sicher, dass diese Entwicklung einen besonders günstigen Einfluss auf den Goldpreis hat.

Auf der anderen Seite liefern Orte wie Hongkong oder Dubai mittlerweile Gold an die Schweiz und wir hören immer wieder anekdotische Berichte aus Schweizer Scheideanstalten, dass es zunehmend schwieriger wird, Gold zu beschaffen. Gleichzeitig scheint die Menge des verfügbaren, nicht einem bestimmten Eigentümer zugewiesenen Goldes weltweit abzunehmen, beispielsweise in den Lagerhäusern der New Yorker Terminbörse Comex. Es scheint also durchaus möglich, dass es künftig zu Engpässen kommt und das Angebot knapp wird.


Alec Hogg: Schließlich kann man Gold nicht einfach herstellen. Und das, was aus der Erde geholt wird, ist immer schwerer zu erreichen.

Lawrie Williams: Ja, das ist das andere Problem. Der Goldpreis ist bis zum Beginn dieses Jahres vier Jahre lang gefallen, eigentlich sogar fast fünf Jahre. Ich schätze, dass die Minengesellschaften aus diesem Grund ihre Investitionskosten senken mussten. Sie haben ihre Explorationstätigkeit eingeschränkt, deswegen wurden keine neuen Goldlagerstätten gefunden. Das Angebot wird in den kommenden Jahren voraussichtlich sinken und es wird lange dauern, bis sich daran wieder etwas ändert. Dazu kommt noch, dass die neu entdeckten Vorkommen von Natur aus meist niedrigere Goldgehalte aufweisen und der Abbau höhere Investitionen erfordert.

Die Goldunternehmen haben ihre Investitionen zurückgefahren, weil sie sich die Finger verbrannt haben. Zudem vergeben die Banken derzeit nur ungern hohe Kredite, weil sie ebenfalls schlechte Erfahrungen im Minensektor gemacht haben. Die große, neue Mine Pascua Lama von Barrick, die sich noch in der Entwicklungsphase befindet, wurde beispielsweise vorerst auf Eis gelegt - und dabei handelt es sich um ein Milliardenprojekt. Viele andere Großprojekte wurden ebenfalls vorläufig stillgelegt und die Zahl der geplanten Minen im Allgemeinen sinkt ebenfalls. Wahrscheinlich gibt es einfach nicht mehr genügend Goldlagerstätten.


Alec Hogg: Das Angebot ist also knapp. Aber wer sind zur Zeit die Käufer?

Lawrie Williams: Die größten Käufer scheinen derzeit die ETFs zu sein, die zuvor große Goldmengen verkauft hatten. Ein bedeutendes Problem während des Abwärtstrends im Edelmetallsektor zwischen 2012 und 2015 waren die Goldverkäufe der ETFs. Die größte Nachfrage nach den Gold-ETFs bestand im Jahr 2011, als auch der Goldpreis seinen Höchststand erreichte. Als der Kurs anschließend sank, mussten auch die ETFs jede Menge Gold verkaufen und erhöhten dadurch das Angebot zusätzlich, was den Preis noch weiter nach unten drückte. Im Moment scheint das Gold wieder zurück in die Tresore der ETFs zu fließen und folglich steigen auch die Preise wieder.

Soweit ich weiß, hat der größte amerikanische ETF, der SPDR Gold Shares, in diesem Jahr bislang mehr als 300 Tonnen zugekauft. Das ist vergleichbar mit den Mengen an Gold, die von den Zentralbanken gekauft werden. Die Zentralbanken gehören angeblich ebenfalls zu den großen Käufern am Goldmarkt, aber ich mir nicht sicher, ob das aktuell noch der Fall ist, denn die größte Nachfrage gab es bislang in China und Russland. Im Mai, dem letzten Monat, für den die entsprechenden Daten verfügbar sind, hat China allerdings kein Gold gekauft und Russland hat seine Bestände nur um drei Tonnen erhöht.


Alec Hogg: Es sind also die Privatanleger, die einzelnen Investoren, die panisch werden und Gold kaufen, weil das Edelmetall eine Art Versicherung darstellt.

Lawrie Williams: Ja, definitiv. Die Anleger sind nervös, weil es an den Aktienmärkten kontinuierlich aufwärts geht. Sie hören immer wieder, dass ein Crash längst überfällig sei. In einem solchen Fall ist Gold der ultimative sichere Hafen und das hat die Investitionsentscheidungen mit Sicherheit beeinflusst. Die Leute haben weltweit Goldmünzen und -barren von den großen Prägestätten gekauft. Die U.S. Mint, die Royal Canadian Mint, die Perth Mint in Australien und ich schätze auch die Royal Mint hier im Vereinigten Königreich haben alle eine enorme Nachfrage nach kleinen Mengen Gold durch die Privatanleger verzeichnet - und wahrscheinlich auch eine hohe Nachfrage nach Goldbarren durch wohlhabende Investoren.

Die Menschen kaufen Gold, um sich abzusichern, und in diesem Zusammenhang muss ich noch einmal auf den Brexit zu sprechen kommen. Wir haben im Vorfeld des Referendums zu Goldkäufen geraten, weil ich nie vollkommen davon überzeugt war, dass die EU-Befürworter den Sieg davontragen würden. Ich persönlich habe zwar für den Verbleib in der EU gestimmt, aber mir war bewusst, dass es in Großbritannien eine ausgeprägte, unterschwellige Abneigung gegen die EU gab.

Deswegen habe ich auf meiner Webseite geschrieben, dass es völlig logisch sei, vor der Wahl ein wenig Gold zu kaufen, denn wenn sich die Mehrheit tatsächlich für den Brexit aussprechen sollte, dann würde das britische Pfund fallen und der Goldpreis wahrscheinlich steigen. Genauso ist es auch gekommen und diese Kombination bedeutete, dass die Anleger, die den Rat befolgt hatten, einen guten Gewinn erzielt haben.

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