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Die Welt - ein Kasino

11.08.2016  |  Rudy Fritsch
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Was hat all das nun mit der Grenzproduktivität von Kapital zu tun? In den Tagen des ehrlichen Geldes war die Antwort klar: Anleihen produzierten ein stetiges, sicheres Einkommen und nur die Aussicht auf Gewinne, die über dem jeweiligen Zinssatz lagen, würde Anlass zu Spekulationen, d. h. zum Kauf von Aktien geben. Bedenken Sie beispielsweise die Optionen, die jemand mit ein wenig Investitionskapital hat, wenn die langfristigen Zinsen bei 5% liegen.

Wenn ein Unternehmen einen Nettoertrag von 10% verspricht, ist das ein starker Anreiz, die Unternehmensaktien zu kaufen, da der Investor seine Kapitalerträge auf diese Weise verdoppeln könnte. Für die höheren Gewinne lohnt es sich wahrscheinlich, das höhere Risiko einzugehen. Wenn der Zinssatz dagegen bei 7,5% liegt und die Aktien 10% versprechen, ist die Differenz womöglich nicht groß genug, um das Risiko zu rechtfertigen und die Zahl der Spekulanten sinkt. Die Grenze für die Aktiendividende liegt in diesem Fall bei 7,5%: Wenn ein Unternehmen nicht mehr als diesen Gewinn generieren kann, wird niemand mehr seine Aktien kaufen, denn es wäre viel leichter und sicherer, stattdessen die Anleihe mit einer Rendite von 7,5% zu kaufen.

Die Zinssätze werden daher in diesem Szenario von der Entwicklung an den Aktienmärkten beschränkt. Wenn die Zinsen steigen, werden mehr Menschen Anleihen kaufen und Aktien verkaufen. Dadurch steigen die Anleihepreise, was gleichbedeutend ist mit sinkenden Renditen. Gleichzeitig fallen die Aktienkurse, was wiederum höhere Dividende bewirkt. Sind die Zinssätze dagegen zu niedrig, beginnen die Menschen ihre Ersparnisse zu horten und niemand wird mehr Anleihen kaufen wollen. Viele werden sich unter diesem Umständen entscheiden, ihr Geld lieber in Form von Gold außerhalb der Märkte zu verwahren. Die darauf erwachsende Kapitalknappheit führt wiederum direkt zu höheren Zinsen, da diejenigen, die finanzielle Mittel benötigen, den Preis zahlen müssen, denn die Goldbesitzer verlangen.

In einem Fiatwährungssystem wird dieser natürliche Mechanismus außer Kraft gesetzt. Die Untergrenze der Zinssätze wird nicht länger von den Besitzern der Goldmünzen festgelegt, sondern von Bankstern, also sinken die Zinsen immer weiter und nähern sich Null Prozent an. Schuldner (wie die Regierungen) profitieren davon, Sparer werden ausgeraubt und die "Spekulanten" (die Glücksspieler, insbesondere die Bankster selbst) machen ein Riesengeschäft. In der Wirtschaft geht es unterdessen bergab, weil die hauptsächlich zur Mittelklasse zählenden Sparer verarmen.

Doch Halt - wenn die Zinssätze so niedrig sind, sollten die Aktienkurse dann nicht in die Höhe schießen? Sollten die Unternehmer nicht fröhlich investieren können? Bei Zinsen von 0% erscheint doch schließlich auch ein Unternehmen, welches nur Gewinne in Höhe von 2,5% erwirtschaftet, äußerst lukrativ, oder nicht? Zudem senken unnatürlich niedrige Zinsen die Kapitalkosten. Sie ermöglichen die Aufnahme von extrem günstigen Krediten und damit Investitionen in Unternehmen, die sonst keine Gewinne erwirtschaften oder sogar Verluste verbuchen würde.

Dieses Thema ist übrigens einer der Kernpunkte der Österreichischen Wirtschaftsschule: Fehlinvestitionen, d. h. Investitionen in Unternehmen, die nur bei künstlich niedrigen Zinssätzen tragfähig sind und zusammenbrechen, sobald die Zinsen sich normalisieren.

Doch was geschieht, wenn die Zinsen niemals wieder steigen, wenn man ihnen nicht gestattet, auf ein normales Niveau zurückzukehren? Was, wenn sich die Zinssätze der 0-%-Grenze asymptotisch annähern - und schließlich auf unglaubliche Weise sogar in den negativen Bereich sinken? Sollte das nicht einen wahnsinnigen Run auf "Fehlinvestitionen" auslösen? Sollten dadurch nicht mehr und mehr Unternehmen entstehen, die immer mehr Arbeitsplätze schaffen und dafür sorgen, dass die Wirtschaft stärker und stärker wächst? Angesichts negativer Zinssätze klingt doch selbst ein Unternehmen, das gerade so seine Kosten decken kann, fantastisch!

Warum geschieht das nicht? Warum erleben wir statt eines Booms eine ernstzunehmende strukturelle Arbeitslosigkeit und die Explosion der Schulden? Warum droht der wirtschaftliche Kollaps? Könnte es etwa sein, dass die Theorien, auf die sich die Zentralbanken bei der Regulierung der Zinssätze berufen, falsch sind? Ist es möglich, dass die künstliche Senkung der Zinsen die Wirtschaft zerstört?

Ganz im Ernst - hier kommen wir an den kritischen Punkt. Obwohl die "Geldpolitik" die Grenzproduktivität des Kapitals verringert hat, sehen wir keine Verbesserung der Wirtschaftslage, sondern nichts als destruktive Entwicklungen. Der Grund dafür sollte offensichtlich sein: Das neu gedruckte "Geld" ist nicht in produktive Unternehmungen geflossen, sondern in Spekulationen (Glücksspiel). Warum sollte jemand in ein marginales, riskantes Unternehmen investieren, das äußerst magere Erträge generiert, wenn sich mit Glücksspiel enorme Gewinne erzielen lassen - insbesondere mit risikofreiem Glücksspiel?

Die großen Banken spekulieren nicht nur mit Zins-Futures im Wert von Billiarden Dollar an den Zins- und Devisenmärkten, sie bestimmen die Zinssätze auch noch selbst! Wenn das kein gigantischen Kasino ist, dann weiß ich auch nicht, was es ist. Das ist so, als würden Brandstifter eine Feuerversicherungsgesellschaft betreiben.

Im Zuge dieses Spielrausches wird Vermögen nicht nur verbrannt - es wird auch aus den Händen der Sparer in die Taschen der Glücksspieler und Gangster transferiert. Gleichzeitig führt das aktuelle System zur endlosen, tragischen Vergeudung menschlichen Talents und Einfallsreichtums, denn die klugen Köpfe, die derzeit damit beschäftigt sind, immer effektivere Methoden zu ersinnen, um noch höhere Profite aus dem Kasino zu schlagen, könnten stattdessen auch an der Lösung all der Probleme arbeiten, die die Welt plagen: Hunger, Armut, Krieg, Verschmutzung und die fortgesetzte Zerstörung unserer Kultur.

Willam Jennings Bryan, ein US-amerikanischer Präsidentschaftsanwärter und Befürworter des ehrlichen Geldes, der gegen die Dämonisierung von Silber kämpfte, sagte bekanntermaßen: "Ihr sollt die Menschheit nicht an ein Kreuz aus Gold nageln." Sein Einsatz für die Verwendung von Silber als offizielles Zahlungsmittel war lobenswert, doch in Hinblick auf das "Kreuz aus Gold" lag er falsch. Die Menschheit wird an ein Kreuz aus Papier genagelt.


© Rudy J. Fritsch
The Gold Standard Institute


Dieser Artikel wurde im Juli 2016 auf www.goldstandardinstitute.net veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.



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