Ober sticht Unter: Die (neue) Macht der Notenbanken
20.08.2016 | Carsten Klude
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Wie soll man sich nun als Anleger in einem solchen Umfeld verhalten? Der fundamentale Ausblick dieses Szenarios ist nicht besonders verheißungsvoll, da es auf Sicht der nächsten Jahre ein niedriges Wirtschaftswachstum, einen hohen Verschuldungsgrad und dauerhaft niedrige Zinsen impliziert.
Solange aber die Verschuldung nicht sinkt, solange ist eine nachhaltige Veränderung der Geldpolitik der Notenbanken (höhere Zinsen) so gut wie ausgeschlossen. Dies liegt daran, dass höhere Zinsen die finanziellen Spielräume vieler Staaten so stark einengen würden, dass vermutlich schnell ein neue Staatsschuldenkrise entstünde. So hat die Niedrigzinspolitik der EZB dazu geführt, dass trotz einer in den meisten Ländern der Eurozone weiter ansteigenden Staatsverschuldung der Anteil der Zinszahlungen am Bruttoinlandsprodukt oder auch an den Steuereinnahmen in den vergangenen Jahren gesunken ist.
Während also Sparer und Anleger die Verlierer der Geldpolitik sind, sind die Staaten die großen Gewinner, wobei der deutsche Finanzminister sogar der größte Gewinner von allen ist.
Aber die Geldpolitik der Notenbanken hilft mittlerweile nicht mehr nur allein den Staaten. Seit die EZB im Juni dieses Jahres (und zuletzt auch die Bank of England) damit begonnen hat, Unternehmensanleihen zu kaufen, profitieren auch Firmen von den niedrigeren Zinsen.
Die damit verbundenen günstigeren Finanzierungsbedingungen betreffen aber nicht nur die Firmen, die direkt unter das Aufkaufprogramm der Notenbanken fallen. Denn die immer niedrigeren und damit für Anleger immer unattraktiveren Renditen für Unternehmensanleihen mit einem Investmentgrade-Rating sorgen dafür, dass die Nachfrage nach schlechter gerateten Anleihen (sogenannte High Yields) ebenfalls zunimmt, sodass auch in diesem Segment die Kurse steigen und die Renditen sinken. Seit dem 23. Juni haben High-Yield-Anleihen sogar einen überdurchschnittlich starken Renditerückgang erlebt.
Diese Entwicklung auf den Anleihemärkten hat auch wichtige Implikationen für den Aktienmarkt. Aktien sind zwar aufgrund des schwachen Wachstumsszenarios und der vorhandenen wirtschaftlichen und politischen Risiken eigentlich nur bedingt attraktiv, doch nutzen die Unternehmen die niedrigen Zinsen zunehmend dafür, um sich billig neues Geld zu besorgen. Diese wird nicht wie üblich in Maschinen, Bauten oder Humankapital investiert, sondern für den Rückkauf eigener Aktien verwendet. Zudem erhöht die Notenbankpolitik die Wahrscheinlichkeit dafür, dass nicht nur alle Anleiheklassen eine dauerhaft höhere Bewertung erfahren.
Auch Aktien könnte dauerhaft eine höhere Bewertung zugebilligt werden. Während also in der Vergangenheit das Wirtschaftswachstum und die Entwicklung der Unternehmensgewinne die wichtigsten Einflussfaktoren für die Aktienkurse waren, könnte die nun zukünftig der Zins sein - zumindest solange keine neue Rezession droht.
Für den Aktienanleger würde dies bedeuten, dass es zukünftig nicht mehr "Don’t fight the Fed", sondern "Don’t fight the central banks" heißen wird. Vor diesem Hintergrund erhöhen wir unser DAX-Kursziel zum Jahresende von 10.350 auf 11.200 Punkte, weil wir nun ein etwas höheres KGV von 13 Punkten und nicht mehr wie bislang eines von 12 unterstellen. Ob die Bewertungsausweitung möglicherweise noch weiter geht, wird die Zukunft zeigen.
© Carsten Klude, Dr. Christian Jasperneite, Matthias Thiel, Martin Hasse, Darian Heede
M.M.Warburg Investment Research
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