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Wie beschreibt ein Blinder Silber?

16.08.2006  |  Reinhard Deutsch
Ich bin ja ein großer Verehrer von Ted Butler und lese seine Beiträge immer mit großem Interesse und Vergnügen. In seinem letzten Beitrag vom 8. August mit der Überschrift "A Blind Mans World" (www.investmentrarities.com) gehen ihm aber logisch irgendwie die Pferde durch, wie ich finde, bei dem Versuch, die Erwartung eines hohen Silberpreises zu rechtfertigen.

Er bemüht das Bild von Menschen, die von Geburt an blind oder taub sind und nun vor der Aufgabe stehen, Farbe oder Musik zu beschreiben. Das wird kaum gelingen, auch wenn sie gelernt haben, sich mit ihren anderen Sinnen an das reale Leben anzupassen.

In einer ähnlichen Situation befänden sich die Menschen heute in Bezug auf Silber. Weil es in den letzten 100 Jahren, also zu Lebzeiten aller jetzt existierenden Menschen nie einen freien Markt für Silber gegeben habe, könne kein Mensch sagen, welchen Preis Silber in einem wirklich freien Markt erreichen würde. Ja es hätte eigentlich überhaupt noch nie einen freien Markt für Silber gegeben, nicht vor 1000 und nicht vor 2000 Jahren, denn Silber habe ja immer als Geld gedient und die jeweils Herrschenden hätten immer einen festen Preis damit verbunden. Ein von der Regierung regulierter Preis sei aber das genaue Gegenteil von freiem Markt.

Die Menschen seien also in Bezug auf Silber immer blind gewesen und hätten nie einen wirklich freien Marktpreis sehen können. Vor etwa 100 Jahren hätte z.B. die U.S. Regierung auf Druck der westlichen Silberstaaten mehrere Milliarden Unzen Silber aufgekauft und so den Preis in die Höhe getrieben, nur um dann vor etwa 60 Jahren damit zu beginnen, auf Druck der Silberverbraucher den ganzen Hort von etwa 10 Milliarden Unzen allmählich wieder zu verkaufen und so den Preis zu drücken. Nachdem auf diese Weise alles staatliche Silber bereits verkauft wurde, wird jetzt von den Hedgern zusätzlich noch Silber verkauft, dass es eigentlich gar nicht gibt, das nur auf Papier versprochen wird.

Da man aber nicht unbegrenzt nicht vorhandenes Silber verkaufen kann, würde jetzt bald die Stunde der Wahrheit kommen und alle Welt würde sehen, dass der Kaiser gar keine Kleider an hat. Zum allerersten mal in der Geschichte würde es dann einen wirklich freien Markt für Silber gegen. Die Menschen würden gleichsam ihr Augenlicht wieder finden und zum ersten mal überhaupt sehen, welchen Wert Silber wirklich hat, eben in einem freien unreguliertem Markt. Wir würden dann in eine Ära eintreten, in der Silber nicht mehr manipuliert werden kann, weil es definitiv knapp wird.

An dieser Stelle entsteht natürlich die Frage, wie hoch steigt denn der Preis eventuell? Nachdem er verbal so weit ausgeholt hat, sind die Preise die Butler dann nennt, wie ich finde, eher enttäuschend. Er schreibt, dass wir alle noch keine Erfahrung mit einem solchen freien Silbermarkt haben und deshalb blind sind, aber 50 oder 100 Dollar pro Unze könnten es schon sein und vielleicht könnte Silber sogar den Goldpreis übersteigen, wie sein Mentor Izzy glaubt, einfach weil Gold noch reichlich vorhanden ist, während Silber definitiv knapp wird.

Fünfzig Dollar pro Unze haut nun nicht gerade einen Eskimo vom Schlitten. Da biete ich mit einer Erwartung von über 800 Dollar pro Unze Silber schon etwas mehr an. Allerdings lautet meine Begründung auch ganz anders - ja sie steht eigentlich im genauen Gegensatz zu Butlers Begründung, womit ich beim zentralen Punkt meiner Kritik wäre.

Für Butler ist Silber kein Geld und sollte auch kein Geld sein. Er schreibt in dem Artikel ausdrücklich: "Viele glauben immer noch, dass Silber eine monetäre Rolle spielen sollte. Ich gehöre nicht dazu" Er schreibt, eine Reihe von Faktoren hätten dazu geführt, dass Silber über tausende von Jahren nicht wirklich frei gehandelt werden konnte und der wichtigste Faktor sei zweifellos die historische Rolle von Silber als Geld. Weil Silber immer als Geld benutzt wurde (man ist fast geneigt zu sagen, missbraucht wurde), hatte es nie eine Chance, seinen wahren Preis in einem freien Markt zu finden. Diese Argumentation stellt, wie ich finde, die Logik von Wert und Preis geradezu auf den Kopf.

Der Wert eines Gutes hängt von seinem subjektiven Nutzen und der verfügbaren Menge ab. Das führt dazu, dass etwas so wertvolles, wie Luft, nichts kostet und ein Diamant sehr viel kostet. Silber als Metall war durch die Jahrhunderte eigentlich ziemlich nutzlos. Für Waffen und Werkzeuge ist es zu weich. Es gab nicht viele nützliche Verwendungen für Silber. Das hat sich erst im 19. Jahrhundert geändert, nachdem die Fotografie und viele technische Anwendungen für Silber erfunden wurden. Andererseits verrostete und verrottete Silber nicht, ähnlich wie Gold, und es war ebenfalls relativ knapp. Das prädestinierte Silber geradezu, neben Gold zur Wertaufbewahrung und als Tauschmittel, also als Geld zu dienen. So war denn auch Silber immer das eigentliche monetäre Metall, das monetäre Arbeitspferd im Alltag durch alle Jahrhunderte, und nicht Gold, das nur für große Transaktionen gebraucht wurde.

Der relativ hohe Wert von Silber wurde also immer von seinem Nutzen als Geld bestimmt. Weil Silber im Vergleich zu anderen Waren, wie Weizen, Vieh, Felle, oder Tabak besonders geeignet war als Geld zu dienen, weil es immer gleich ist (homogen), leicht teilbar ist und nicht verrottet, war es nützlich und deshalb für die Menschen wertvoll. Ohne seine Geldfunktion wäre Silber in der Vergangenheit auch in einem freien Markt wohl immer ziemlich nutzlos und damit wertlos gewesen.

Das hat sich heute zwar geändert, insofern hat Butler schon recht. In vielen technischen Anwendungen ist Silber heute kaum zu ersetzen und es hat sich zum unentbehrlichen Industriemetall gewandelt. Gleichzeitig dürfte Silber der erste Industrierohstoff sein, der wirklich knapp wird im Verhältnis von jährlichem Verbrauch und vorhandenen Reserven, noch vor Uran, Blei oder Öl. Von daher ist die Erwartung von Ted Butler, dass der Silberpreis stark steigen muss, wegen der abnehmenden Vorräte und dem steigenden Verbrauch schon berechtigt. Aber gleichwohl schlummert in Silber immer noch zusätzlich das Geldpotential. Das ist, wie ich finde, auch der viel spannendere Aspekt und könnte zum eigentlichen Treibsatz unter der Silberpreisexplosion werden.

Wenn Silber über mehr als 2000 Jahre hervorragend als Geld funktioniert hat, dann kann es diese Funktion auch heute wieder problemlos übernehmen. Es ist gar nicht so abwegig, dass Silber als Geld wieder neu entdeckt wird, so wie man auch Windkraft wieder neu entdeckt hat. Der Prozess ist übrigens bereits in vollem Gange. Man kann bereits mit Silber wieder weltweit bezahlen, über e-silber, SilberMoney, Libertydollar, oder Phönixdollar etc. Wie das geht beschreibe ich in meinem Buch "Das Silberkomplott", das Sie über Amazon oder in jeder Buchhandlung beziehen können.

Warum Butler diesen spannenden Geldaspekt bei seiner Analyse explizit ausklammert, verstehe ich nicht so recht. Ob die Schätzungen über die noch vorhandenen Reserven zutreffen ist ungewiss und wie sich der Verbrauch, sowie Angebot und Nachfrage entwickeln, bei einem Silberpreis von 100 Dollar, kann niemand genau sagen. Man kann also durchaus zu dem Ergebnis kommen, dass bei 100 Dollar sehr viel Silber auf den Markt kommt, und der Silberpreis nach einer kurzen Spitze wieder in sich zusammensackt wie 1980, wenn man die Analyse nur auf Angebot und Nachfrage als Rohstoff stützt.

Ganz anders sieht die Sache aus, wenn man den monetären Aspekt mit einbezieht. Dann kann man nämlich mit viel größerer Sicherheit von einem stark steigenden Silberpreis ausgehen, weil Geld keinen abnehmenden Grenznutzen hat. Wenn bei einem Silberpreis von 50 oder 100 Dollar pro Unze das Silberangebot stark zunehmen sollte, wie es z.B. 1980 der Fall war, fällt der Preis wieder, weil der Grenznutzen des zusätzlichen Silbers als Rohstoff stark abnimmt. Niemand will zusätzliches Silber, wenn er das Lager schon voll hat. Bei Geld ist das nicht der Fall, davon kann man nie genug haben. Geld hat keinen abnehmenden Grenznutzen. Wenn also Silber wieder Geld wird, kann sich die Angebotsmenge ruhig verdoppeln und verdreifachen, ohne dass der Preis fällt. Das sieht man ja an unserem heutigen Geld. Die Menge explodiert förmlich, ohne dass der Preis fällt. Das ist jetzt zwar begrifflich etwas gehudelt, aber in groben Zügen stimmt es schon.

Wenn man also die Möglichkeit das Silber wieder Geld wird in die Analyse mit einbezieht, kann man gedanklich mit ganz anderen Zahlen spielen, als wenn man sich nur auf den Rohstoffaspekt begrenzt. Dabei muss Silber natürlich nicht zum alleinigen Weltgeld werden. Wahrscheinlich wird Silber wieder Geld, neben Gold und anderen Geldformen, wie natürlich Kreditgeld und wahrscheinlich auch fiat money. Genau diese Entwicklung zu gedeckten Parallelwährungen zeichnet sich jedenfalls ab.

Silber könnte in einem solchen Fall durchaus wieder über 800 Dollar pro Unze steigen, wie ich es im "Silberkomplott" beschreibe. Die meisten Menschen wissen gar nicht, dass der höchste Silberpreis nicht bei etwa bei 50 Dollar lag, in 1980 zur Zeit der Huntspekulation sondern bei 806 Dollar in 1477 und zwar real in Dollar von 1998 gerechnet. Ich spreche also nicht davon, dass der Dollar in einer Hyperinflation völlig wertlos wird. In diesem Fall kann der Silberpreis natürlich weit über 800 Dollar steigen, auf eine Million oder eine Milliarde, wie die Deutschen es 1923 schmerzlich erfahren mussten. Nein die 800 Dollar waren reale Kaufkraft. Silber hatte 1477 seine höchste reale Kaufkraft. Die reale Kaufkraft von Gold lag in dieser Zeit übrigens etwa drei mal so hoch bei etwa 2400 Dollar. Es ist auch nicht völlig unrealistisch, zu erwarten, dass sich das Verhältnis diesmal umdreht. Wir haben nämlich mittlerweile viel mehr Gold auf der Welt als Silber.

1477 war Silber weltweit Geld, wie auch schon zu Zeiten der Römer, der Griechen und in der alten Bibel. Wäre Silber damals höher bewertet worden, wenn es nicht als Geld gedient hätte sondern in einem freien Markt nur als Rohstoff gehandelt worden wäre, wie Butler es fordert? Wohl kaum - wozu hätte man es benutzt, außer vielleicht als billigen Schmuck. Nein, nein, Silber war immer wertvoll, weil es als Geld diente und wenn etwas den Silberpreis wirklich explodieren lässt, dann seine Neuentdeckung als Geld.


© Reinhard Deutsch



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