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Wöchentlicher Kommentar: Erst Nickel, dann Silber?

26.08.2006  |  Theodore Butler
In dieser vergangenen Woche wurde die Finanzwelt Zeuge eines Ereignisses, das in der Vergangenheit nur selten vorkam. Ich spreche von den außergewöhnlichen Entwicklungen im Nickelmarkt an der London Metals Exchange (LME), der größten Basismetallbörse der Welt. Aufgrund einer noch nie da gewesenen Knappheit bei Metallen musste die LME die Liefervereinbarungen für ihre Nickelkontrakte revidieren. Bei Lieferverzügen von Leerverkäufern wird eine Pönale in Höhe von etwa 1% des Vertragswertes gegenüber den Käufern fällig.


Hier sind ein paar Auszüge aus der Pressemitteilung der LME vom 16. August:

"Diejenigen, die Shortpositionen in Nickel mit Fälligkeit am Freitag, 18. August 2006 und an den folgenden Fälligkeitsterminen halten und nicht in der Lage sind, physisch zu liefern oder sich Metall mit einer Backwardation von weniger als 300 $ pro Tonne und Tag zu borgen, sollten ihre Lieferung für eine Pönale von 300 $ pro Tonne um einen Tag hinausschieben können. Jene, die Longpositionen mit Fälligkeit an diesen Tagen halten und ihre Lieferung verspätet erhalten, sollten eine Kompensation von 300 $ pro Tonne und Tag erhalten."


Bezugnehmend auf diese Meldung sagte Simon Heale, CEO von LME:

"Die Nickelbestände liegen auf historisch niedrigem Niveau und es herrscht derzeit eine wirkliche Materialknappheit. Unsere erste Priorität ist es, sicherzustellen, dass der Handel weiter ordentlich verläuft und den Risiken von Zahlungsverzügen vorzubeugen."


Obwohl es in allen populären Medien weit verbreitete Berichte über dieses Ereignis gab, war ich doch wie vom Blitz getroffen als ich sah, wie fast all diese Berichte die entscheidenden Fakten im Kern dieser Sache verfehlten. Die entscheidende Tatsache ist, dass die LME im Grunde nur erklärt hat, dass es bei ihren Nickelkontrakten Ausfälle gab.

Während Herr Heale behauptet, dass die Maßnahmen der Börse darauf ausgerichtet sind, Ausfälle zu verhindern, ist die vorliegende Handlung nichts anderes als die Bekanntgabe eines Ausfalls, was seine Behauptung absurd erscheinen lässt. Ausfall ist ein einfaches Wort. Immer wenn die Inhalte und Konditionen eines rechtmäßigen Vertrages einseitig verletzt oder missachtet werden, zerfällt der Vertrag. Punkt.

Darüber hinaus zeigt eine einfache Analyse, dass die LME im Interesse der ungedeckten Shortverkäufer von Nickel handelt, denn wie Ihnen Ihr Hausverstand sagen sollte, bat kein Long-Investor die Börse, die Lieferpflicht der Shortverkäufer aufzuheben.

Ich muss sagen es macht mir Sorgen, dass bei einer derart weit verbreiteten Berichterstattung über dieses Ereignis die Information über die wichtigste Tatsache, nämlich die Lieferausfälle, anscheinend verloren ging. Machen Sie aber keinen Fehler; Diese Ausfälle sind ein äußerst ernstes Thema. Tatsächlich sind Ausfälle, wie ich schon früher beschrieben habe, das schlimmste was einer Börse passieren kann. Ein Lieferausfall rückt eine Börse sofort in ein schlechtes Licht. Es macht keinen Unterschied, ob diese Börse seit Jahrhunderten besteht oder nicht, ein Lieferausfall kann auch die beste Reputation innerhalb kürzester Zeit zerstören. Das ist das gravierende Risiko, das das Debakel mit Nickel für die LME darstellt.

Die größte Sorge für den Nickelmarkt und die LME ist, dass die Aufhebung der Lieferverpflichtung für die Shortverkäufer das Problem nicht endgültig löst, sondern sogar das Ende der LME selbst bedeuten könnte. Der Grund dafür ist, dass legitime Käufer, speziell industrielle Kunden, durch die verspäteten Lieferungen des eigentlichen Metalls im Stich gelassen werden. Was werden die industriellen Verbraucher von Nickel nun machen?

Die Legitimation jedes Vertrages beruht auf allen Konditionen und Verpflichtungen, die aufrechterhalten werden und nicht gebrochen werden, wenn es für eine der Parteien vorteilhaft erscheint. Im Fall eines Futures- oder Forwardkontraktes für physische Rohstoffe sind vor allem jene Konditionen und Pflichten entscheidend, die garantieren und regeln, wie der Vertrag zur tatsächlichen Lieferung führt.

Auch wenn normalerweise nur ein sehr kleiner prozentueller Anteil von Futureskontrakten mit einer tatsächlichen Lieferung des physischen Rohstoffes endet, ist es eindeutig der Mechanismus der Lieferung, der die Legitimation dieser Kontrakte darstellt. Nehmen Sie den Liefervorgang aus dem Kontrakt und Sie nehmen ihm auch die Legitimation. Nehmen Sie den Liefervorgang aus dem Kontrakt und alles was übrig bleibt, ist ein Papiervertrag ohne Verbindung zum involvierten Rohstoff. Das ist es, was mit den Nickel-Kontrakten der LME passiert ist – da die Börse den Shortverkäufern die Verantwortung für die eigentliche Lieferung des Metalls erlassen hat, wurde der Kontrakt für industrielle Kunden im Grunde wertlos.

Der entscheidende Punkt ist hier nicht, dass jeder Kontrakt mit Long- und Shortpositionen zu einer tatsächlichen Lieferung führt, aber dass er dann zu einer Lieferung führt, wenn es von einer der beiden Parteien gewünscht wird. Jede Vertragspartei, Long und Short, ging diesen Vertrag freiwillig ein. Niemand hielt irgendjemanden eine Waffe an den Kopf und zwang ihn, irgendeinen Kontrakt einzugehen. Es ist unfair und illegal, dass irgendeine Autorität (die LME) zugunsten einer der Parteien interveniert und den Vertrag, der freiwillig eingegangen wurde, im Nachhinein verändert.

Die LME hat die Leerverkäufer von Ihrer Verpflichtung befreit, entsprechend ihren Versprechen in den Kontrakten Metall bereitstellen zu müssen. Sie verschob damit die Verpflichtungen aus dem Kontrakt einseitig zu den Käufern, den industriellen Verbrauchern. Diese und andere Käufer gingen ihre Verträge über die Lieferung von Nickel freiwillig und legal ein und sicherten sich damit eine Option auf die Lieferung des Metalls. Nun sagt man ihnen, ohne jegliche Warnung, dass sie diese Lieferung nicht in Anspruch nehmen können und sich ihr benötigtes Metall anderswo besorgen müssen. Die Leerverkäufer müssen sich nicht um das Metall kümmern, das sie zu liefern versprochen hatten, und die Käufer müssen zusehen, wo sie das Metall herbekommen, dessen Lieferung ihnen versprochen wurde. Nichts könnte ungerechter sein als das.

Außerdem gibt es für einen industriellen Verbraucher keinen guten Grund, Kontrakte der LME zu kaufen, so lange die Leerverkäufer ihrer Verpflichtung, Nickel zu liefern, nicht nachkommen müssen. Dies ist die größte Gefahr für die LME. Diese Situation betrifft aber nicht nur jene Käufer, die tatsächlich eine Lieferung in Anspruch nehmen wollen. Dadurch, dass der Liefervorgang bei Nickel wegfällt, fällt auch die Verbindung zwischen dem Preis von realem Metall und dem Kontrakt der LME weg. Ohne den Anspruch auf die Lieferung verliert der Preis eines Nickelkontraktes der LME die Abhängigkeit vom realen Nickelpreis. In diesem Fall ist der Preis von LME-Nickel nur noch eine Einbildung, ein Produkt der Phantasie. Was bringt es einem industriellen Käufer, sich an der LME abzusichern, wenn es keine Sicherheit gibt, dass sein Kontrakt am Tag der Lieferung dem Preis des eigentlichen Metalls entsprechen wird? Ohne den Liefervorgang gibt es keine Verbindung zwischen Papierkontrakt und eigentlichem Metall.

Das ist die wirkliche Bedeutung des Lieferausfalls an der LME, und auch mit der Manipulation des Silberpreises an der COMEX ist es dasselbe. Es ist ein Zufall, dass dieses Desaster bei LME-Nickel genau zu der Zeit passierte, als ich und andere den Verdacht über eine Manipulation von COMEX-Silber aussprachen. Es gibt jedenfalls nichts, was unsere Vermutung deutlicher bestätigen könnte.

Mit einer Long-Manipulation, die durch konzentrierte Longpositionen und höhere Preise als ohne diese Positionen gekennzeichnet ist, haben die Regulierungsbehörden viel Erfahrung. Während Long-Manipulationen zwar den Markt stören und illegal sind, dauern Sie üblicherweise nicht lange an und sind leicht zu zerschlagen. Die konzentrierten Käufer, üblicherweise Spekulanten, werden zum Verkauf ihrer Positionen gezwungen, wodurch die Preise kollabieren und damit die Manipulation beendet ist.

Eine Short-Manipulation, so wie jene bei LME-Nickel und COMEX-Silber, ist durch eine konzentrierte Shortposition und niedrigere Preisen als ohne diese Position gekennzeichnet. (Über die konzentrierte Shortposition bei Nickel wurde in den Nachrichten berichtet, während die CFTC über die konzentrierte Shortposition bei Silber berichtet). Die Regulierungsbehörden haben wenig bis gar keine Erfahrung im Umgang mit Short-Manipulationen, und da die konzentrierten Leerverkäufer eher Insider als externe Spekulanten sind, gibt es für die Regulierungsbehörden wenig Anreiz, gegen ihre eigenen Leute vorzugehen.


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