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Spekulationsblase am US-Immobilienmarkt?

23.07.2004  |  Claus Vogt
Hat sich am US-Immobilienmarkt eine Spekulationsblase entwickelt?

Die Antwort auf diese Frage entscheidet maßgeblich über die zukünftige Entwicklung der Weltwirtschaft und der Finanzmärkte. "Immobilienblase in den USA? Was geht mich das an?" wird so mancher Leser fragen, "mein Interesse gilt doch den Finanzmärkten." Beginnen wir unsere Analyse also mit der Beantwortung dieser Frage.

Soweit uns bekannt ist, sind sämtliche Spekulationsblasen in der Geschichte der Menschheit geplatzt. Daraus leiten wir eine einfache, aber weitreichende erste Prognose ab: Falls wir derzeit eine Immobilienblase in den USA erleben, dann wird auch diese platzen.

Während der Entstehung von Spekulationsblasen findet in weiten Teilen der Wirtschaft eine Fehlallokation von Kapital statt. Es werden also auf der einen Seite Investitionen getätigt, die nicht tragfähig sind, während auf der anderen Seite notwendige und langfristig tragfähige Investitionen unterbleiben. Auf diese Weise entstehen ökonomische Ungleichgewichte, die früher oder später korrigiert werden müssen, die Wirtschaft gerät also aus den Fugen, und auf die Party folgt der Kater. Beschränkt sich die Spekulationsblase auf einen gesamtwirtschaftlich betrachtet unbedeutenden Sektor, dann wird dieser im Anschluß an das Platzen der Blase einen herben Niedergang erleben.

Für die Volkswirtschaft ergibt sich daraus kein Problem. Falls der betroffene Sektor jedoch eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung hat, dann löst das Platzen der Blase einen Korrekturprozeß aus, der mehr oder weniger die gesamte Wirtschaft erfaßt. Dann spricht man von einer Rezession. Da dem Immobiliensektor eine ganz erhebliche gesamtwirtschaftliche Rolle zukommt, lautet unsere zweite Prognose: Wenn eine Immobilienblase platzt, dann wird dieses Ereignis eine Rezession auslösen und von deutlich fallenden Aktienkursen begleitet sein.

Diese einleitenden Überlegungen machen unmißverständlich deutlich, daß jeder Börsianer gut beraten ist, sich mit dem Boom am US-Immobilienmarkt auseinanderzusetzen: Wenn es eine Spekulationsblase ist, dann wird sie platzen. Wenn sie platzt, dann wird es in den USA eine Rezession geben. Wenn es eine Rezession in den USA gibt, dann werden die Börsenkurse deutlich fallen. Wenn die Kurse in den USA fallen, dann werden auch die europäischen Märkte unter die Räder kommen.


Gibt es eine US-Immobilienblase?

Die notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Entstehung von Spekulationsblasen ist Liquidität: Geld und Kredit. Die US-Notenbank hat dafür gesorgt, daß diese Bedingung in den USA erfüllt ist. Im Januar 2001, als das Ausmaß der wirtschaftlichen Ungleichgewichte und Fehlentwicklungen im Verlauf der platzenden Spekulationsblase an den Aktienmärkten zumindest teilweise sichtbar wurde, begann die US-amerikanische Notenbank eine extrem expansive Geldpolitik, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt.

Innerhalb von nur zwei Jahren ermöglichte sie eine Geldmengenausweitung von rund 20%. Wir wiederholen: 20% mehr Geld in nur zwei Jahren. Die Notenbank senkte den Zins auf 1% und hielt an diesem deutlich unter der Inflationsrate liegenden Satz, der als Notstandszins bezeichnet werden muß, ein ganzes Jahr lang fest. Dann, Ende Juni dieses Jahres, erfolgte die erste bescheidene Zinsanhebung um 0,25 Prozentpunkte auf 1,25%. Auch dieser Zinssatz liegt deutlich unter der inzwischen gestiegenen, offiziell ausgewiesenen Inflationsrate. Somit hält die Zentralbank also weiterhin fest an einer den Geldwert massiv gefährdenden expansiven Politik.

Die hier kurz beschriebene, ungewöhnlich starke Geldmengenausweitung entfaltet in einer Wirtschaft natürlich Wirkungen. Neben der erhofften, einen kreditfinanzierten Aufschwung anzustoßen, führen Geldmengensteigerungen, die größer sind als das Wirtschaftswachstum (Güter- und Dienstleistungssteigerungen), zu steigenden Preisen. Preissteigerungen können auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten sichtbar werden oder an den Finanz- und Immobilienmärkten. Der zweite Fall wird zumeist nicht Inflation genannt, sondern außergewöhnliche Hausse oder Spekulationsblase. Und beide Varianten gehen auf dieselbe Ursache zurück, nämlich Geld- und Kreditmengenausweitung.

Nachdem wir gesehen haben, daß die notwendige Bedingung für die Entstehung einer Immobilienblase in den USA erfüllt ist, müssen wir uns den US-Immobilienmarkt etwas genauer ansehen, um beurteilen zu können, ob tatsächlich eine Blase entstanden ist. Wir müssen uns im Rahmen dieser Publikation allerdings sehr kurz fassen. Wer mehr wissen möchte, den verweisen wir auf das im März 2004 erschienene Buch "Das Greenspan Dossier" von Roland Leuschel und Claus Vogt. Neben einer kritischen Abrechnung mit der Geldpolitik der US-Notenbank haben die Autoren ausführliche Checklisten zum Erkennen von Spekulationsblasen vorgelegt. Eine Überprüfung des US-Immobilienmarktes der letzten Jahre anhand der dort besprochenen Kriterien läßt keinen Zweifel zu, daß es sich um eine Spekulationsblase handelt.

So ist der US-Immobilienmarkt fundamental so hoch bewertet wie nie zuvor. Diese Erkenntnis beruht auf den beiden wichtigsten Kennzahlen zur Beurteilung von Immobilienpreisen, nämlich dem Verhältnis von Immobilienpreisen zu Jahreseinkommen und der Differenz zwischen Hauspreisen und Mieten. Außerdem zeigt der Immobiliensektor in den USA alle typischen Zeichen wilder Spekulation. So sind die Standards zur Vergabe von Hypothekenkrediten drastisch gesunken. Selbst der Gesetzgeber hat im Mai 2004 eine Gesetzesänderung initiiert, die es einem größeren Kreis potentieller, aber mittelloser Immobilienkäufer ermöglichen soll, ohne Eigenkapital Hypothekenkredite zu erhalten.

Vollkommen unrealistische Erwartungen hinsichtlich zukünftiger Preissteigerungen bei Immobilien sind mittlerweile weitverbreitet, ganz so wie Ende der 1990er Jahre am Aktienmarkt. Erneut wird die Denkweise "Buy low, sell high" zunehmend verdrängt durch die aggressive Variante "Buy high, sell higher". Zweistellige Preissteigerungen, wie sie in den letzten Jahren gesehen wurden, werden völlig naiv in die Zukunft projiziert und bilden die Grundlage für spekulative Immobilienkäufe. Speziell in Kalifornien soll der Ansturm auf Immobilien so groß geworden sein, daß Kaufwillige zuweilen vor einem zum Verkauf stehenden Objekt kampieren, um später am Anfang einer oft langen Interessentenschlange zu stehen.


Einst Japan, heute USA

Ende der 1980er Jahre kam es in Japan zu einer Spekulationsblase am Aktienmarkt, begleitet von einer ungesund boomenden Wirtschaft inklusive eines heißlaufenden Immobilienmarktes. Als die Aktienblase 1990 zu platzen begann, zeigte sich der Immobilienmarkt zunächst völlig unbeeindruckt. Im Unterschied zu den Aktienkursen fielen die Immobilienpreise nicht, im Gegenteil. Das Spekulationsfieber der Aktienmärkte schwappte in den ersten Jahren der 1990er auf den japanischen Immobilienmarkt über und es entstand eine Immobilienblase. Erst als ihr Mitte der 1990er Jahre die Luft ausging, wurde das ganze Ausmaß der wirtschaftlichen Fehlentwicklungen in Japan sichtbar. Jetzt begann die japanische Krise, geprägt von fallenden Aktienkursen, fallenden Immobilienpreisen und mehreren Rezessionen in schneller Folge.

Dem eigentlich abschreckenden Beispiel Japans folgte die Entwicklung in den USA bisher fast perfekt: In beiden Ländern führte eine jahrelange expansive Geldpolitik zunächst zu einer Aktienblase und dann zu einer Immobilienblase. Beide führten zu großen wirtschaftlichen Fehlentwicklungen und Ungleichgewichten. In beiden Ländern platzte zunächst die Aktienblase, woraufhin die Notenbanken jeweils eine neue Runde außerordentlich expansiver Geldpolitik begannen. Damit wurde die Stunde der Wahrheit zunächst verschoben. Behoben wurden die wirtschaftlichen Ungleichgewichte und Fehlentwicklungen dadurch natürlich nicht.

Wenn die Entwicklung in den USA dem "Vorbild" Japan auch weiterhin folgen sollte - und wir sehen keinen Grund, warum das nicht der Fall sein soll - dann wird das nächste wichtige Ereignis in den USA das Platzen der Immobilienblase sein, begleitet von fallenden Aktienmärkten und gefolgt von einer schweren Rezession.


Von guten Analysten und von Bürokraten-Analysten

Wir stehen mit dieser Einschätzung der Lage übrigens nicht ganz allein. So hat die britische Großbank HSBC kürzliche eine Studie publiziert, in der die Analysten ebenfalls eine Immobilienblase in den USA konstatieren, sie erwarten deren Platzen Mitte 2005. Auch sie gehen davon aus, daß dieses Ereignis eine Rezession auslösen wird.

Unseres Wissens war HSBC übrigens die einzige Großbank, die auch die Aktienblase erkannte. Die Bank veröffentlichte Mitte 1999 eine umfangreiche und brillante Studie, in der diese Blase analysiert und ihr Platzen für das Jahr 2000 prognostiziert wurde.

In krassem Gegensatz zu den im Analysieren von Spekulationsblasen bereits erfolgreich aufgefallenen HSBC-Analysten steht allerdings eine ebenfalls erst kürzlich vorgelegte Studie zum US-Immobilienmarkt der Federal Reserve Bank of New York. Die Bürokraten unter den Analysten kommen zu dem Ergebnis, daß es keine Immobilienblase in den USA gibt. Den Autoren gelingt dabei das Kunststück, Geld- und Kreditmengenwachstum, also die notwendige Bedingung für das Entstehen von Blasen, für die natürlich die Notenbanken selbst verantwortlich sind, bei ihrer Betrachtung außen vor zu lassen. "Wes' Brot ich ess'‘, des' Lied ich sing'", fällt uns in diesem Zusammenhang wieder einmal ein.

Außerdem weisen wir darauf hin, daß aus Kreisen der US-Notenbank bis hin zu ihrem noch immer weithin vergötterten Präsidenten Alan Greenspan in der Hochphase der Aktienspekulation - gelinde gesagt - eine sehr sonderbare These vertreten wurde. So hieß es damals immer wieder, es sei schlicht und einfach nicht möglich, eine Blase zu erkennen, bevor sie geplatzt ist. Die offensichtlichen spekulativen Exzesse wurden auf diese Weise rationalisiert und die überaus expansive Geldpolitik gerechtfertigt. Mit der jetzt vorgelegten Studie scheint man allerdings von dieser fadenscheinigen (Schutz-)Behauptung abgerückt zu sein. Oder müssen wir die Ausführungen der US-amerikanischen Notenbankbürokraten dahingehend interpretieren, daß es zwar nicht möglich sein soll, eine Spekulationsblase vor ihrem Platzen zu erkennen, aber daß es machbar ist festzustellen, wenn keine Blase vorliegt? Absurd? Allerdings.


BIZ-Jahresbericht

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hat im Juni ihren 74. Jahresbericht vorgelegt. Der Geschäftszweck oder die Funktion der BIZ wird auf ihrer Homepage (www.bis.org) wie folgt beschrieben:

"The BIS is an international organisation which fosters cooperation among central banks and other agencies in pursuit of monetary and financial stability. Its banking services are provided exclusively to central banks and international organisations."
(Die BIZ ist eine internationale Organisation zur Förderung der Zusammenarbeit von Zentralbanken und anderer Behörden bei der Verfolgung monetärer und finanzieller Stabilität. Ihre Bankdienstleistungen werden ausschließlich Zentralbanken und supranationalen Organisationen zur Verfügung gestellt.)


Die BIZ ist also die monopolistische "Hausbank" der Zentralbanken und gleichzeitig die globale Lobbyorganisation der Vertreter des Zentralbankwesens. An dieser Stelle weisen wir darauf hin, daß Anfang des 20. Jahrhunderts die Idee des Zentralbankwesens sehr viel umstrittener war als das heutzutage der Fall ist. Insofern hat die Lobbyarbeit der BIZ einen fast sensationellen Erfolg verbucht und die Forderung nach einer freiheitlichen, auf Wettbewerb beruhenden Geldordnung fast vollständig aus der öffentlichen Diskussion gedrängt. Das gilt selbstverständlich für den Bereich der Politik, aber interessanterweise und nicht ganz so selbstverständlich auch für den Wissenschaftsbetrieb.

Die Veröffentlichungen der BIZ liefern regelmäßig interessante Einblicke in Trends und Modeerscheinungen innerhalb der Welt der Zentralbanken. Beispielsweise wiesen wir vor einem Jahr in einer unserer Analysen darauf hin, daß die BIZ damals die von der US-Notenbank angeführte Diskussion über den Einsatz sogenannter unkonventioneller geldpolitischer Maßnahmen unterstützte. Der diesjährige Bericht scheint ein vorsichtiges Abrücken von dieser Position zu beinhalten.

So heißt es in der Einleitung: "Eine andere Sorge könnten Preisblasen bei Vermögenswerten und unrentable Investitionen sein, mit denen ein übermäßiges Kreditwachstum in der Vergangenheit oft einherging. (...) Fest steht, daß die jetzige, expansive Konjunkturpolitik nicht auf Dauer beizubehalten ist. Die entscheidende Herausforderung in der Aufschwungphase wird darin bestehen, die Wirtschaftspolitik zu straffen, ohne eine Weltwirtschaft zu destabilisieren, die ohnehin wirtschaftliche und finanzielle Ungleichgewichte aufweist."

Hören wir hier etwa vorsichtige Zweifel an der stets expansiven Politik der Greenspan-Fed? Spiegelt sich hier ein gewisser Richtungsstreit innerhalb der Welt der Zentralbanker, mit Greenspan und Fed Governor Bernanke auf der einen Seite und Issing (EZB), King (Bank of England) und Macfarlane (Reserve Bank of Australia) auf der anderen? Wir haben die von der US-Notenbank seit Jahren vertretene Politik des extrem leichten Geldes immer wieder in aller Deutlichkeit kritisiert und sie als "Das große Experiment des Dr. Greenspan" bezeichnet, dessen Ausgang schwerwiegende Folgen für die Weltwirtschaft und das aktuelle Weltwährungssystem haben wird.

Wir jedenfalls freuen uns, wenn zumindest einige der Gedanken, die uns in diesem Zusammenhang umtreiben, auch von Analysten der BIZ ernstgenommen werden. Gemeinsam mit den Autoren der BIZ warten wir gespannt ab, ob die "entscheidende Herausforderung" gemeistert werden kann, oder ob das Experiment scheitern wird. Leider zwingt uns die Finanzmarktgeschichte, letzteres zu erwarten.


Ergebnis

Auch wenn aus Kreisen der US-Notenbank keine Mühen gescheut werden, um die Vorgänge am US-Immobilienmarkt ebenso zu verharmlosen wie Ende der 1990er die Fehlentwicklungen an den Aktienmärkten, bleiben wir bei unserer eindeutigen Diagnose: Am US-Immobilienmarkt hat sich eine Spekulationsblase gebildet. Daraus folgt zwingend die Prognose, daß auch diese Blase wie alle ihre historisch überlieferten Vorgängerinnen platzen wird. Wann genau das passieren wird, weiß natürlich niemand. Wir vermuten im Lauf der kommenden zwölf Monate.

Daß das Platzen einer Immobilienblase verheerende Folgen für die Wirtschaft und die Finanzmärkte hat, ist unbestritten. Auch die USA werden sich dieser unschönen Tatsache nicht entziehen können. Lohnt es sich angesichts dieses außerordentlich hohen langfristigen Risikos, den natürlich auch jetzt noch möglichen kurz- bis mittelfristigen Kursgewinnen an den Aktienmärkten nachzujagen? Oder ist es für einen konservativen Anleger in dieser Situation nicht die vernünftigere Strategie, auf Sicherheit zu setzen? Diese Frage muß jeder individuell für sich beantworten. Wir geben vor diesem Hintergrund der Sicherheit den Vorzug.


© Claus Vogt



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