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Auch dieses Jahr wieder - was bringt das nächste?

27.12.2016  |  Klaus Singer
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Auch aus diesem Grund bleibt der Anstieg der Renditen von US-Staatsanleihen bei einer Trump’schen Konjunkturbelebung limitiert. Ich sehe die Rendite der zehnjährigen TNotes zum Jahresende 2017 unterhalb von 2,5%, 30-jährigen TBonds unterhalb von 3,5%. Im Mai hatte die Renditedifferenz am langen Ende ein Maximum bei knapp 0,9% erreicht, aktuell 0,6%. Eine flacher werdende Zinstruktur ist weder ein Plädoyer für stark steigende Renditen, noch für ein hohes Wachstumspotenzial.

Da die EZB an ihrem QE-Programm bis mindestens Ende 2017 festhält, ist die Entwicklung der Renditen europäischer Anleihen noch stärker limitiert. Die Illusion stabiler und sicherer Anleihemärkte ist hier angesichts der hohen Staatsverschuldung und des aufgeplusterten Bankensystems besonders wichtig.

(Zum Bankensystem der Eurozone siehe hier - die Zahlen sind zwar einige Jahre alt, aber im Grundsatz hat sich wenig geändert: Das Bankensystem der Eurozone ist völlig überdimensioniert und kapitalmäßig schwach aufgestellt). Damit bleibt der relative Vorteil von Aktienanlagen gegenüber Anleihen in der Eurozone weiterhin größer als in den USA, Dividenden werden Zinsanlagen vorgezogen.

US-Aktien dürften durch die Trumponomics übergeordnet noch Rückenwind haben. Die USA gelten wirtschaftlich und politisch als sicherer Hafen, in Europa droht politisch ein Wahljahr mit voraussichtlichen Gewinnen rechter, EU-feindlicher Strömungen. Die EZB hat bereits klar gemacht, dass sie diesbezüglich Vorsorge trifft. Damit wird hier spekuliert auf eine noch üppigere Liquiditätsausstattung, die wie bisher schon die Asset-Preise steigen lassen könnte. Und das auch bei weiter schwacher Gewinnentwicklung der Firmen in der Eurozone und Deutschland.

In den USA dürften die Trumponomics ein wieder etwas besseres Gewinnwachstum unterstützen, obwohl die Schere zwischen Lohnkosten und Profiten seit einiger Zeit aufgeht. Da hier nahezu Vollbeschäftigung erreicht ist, führt jede weitere Auslastung der Kapazitäten zu einem überproportionalen Kosteneffekt. Dadurch ist das Potenzial einer Verbesserung der Unternehmensgewinne nicht sehr üppig, eine positive Entwicklung der Aktienkurse aber immer noch eher durch fundamentale Faktoren gestützt als in Europa, wo Aktien v.a. relativ zu Zinsanlagen punkten können.

Der in den USA gegebene Lohnkostendruck schlägt recht direkt auf die Preise durch. Das wiederum nährt die Inflationsillusion (siehe u.a. hier und hier), die zu Beginn einer Episode steigender Preise häufig die Kurse von Aktien noch unterstützt. Ich denke, dass auch aus diesem Grund bis weit in das kommende Jahr hinein Aktien als Anlageklasse favorisiert werden. Ich vermute allerdings, dass es etwa ab der Jahresmitte zu einem Realitätscheck kommt, bei dem die hohen Bewertungen auf den Prüfstand kommen. Bis dahin müssten auch die Trumponomics erste Effekte zeigen. Dann könnte eine gewisse Desillusionierung (oder "sell the news“-Haltung) einsetzen, weshalb in der zweiten Jahreshälfte Aktien eher zu Schwäche neigen dürften. Ob die Phase des spekulativen Überschwangs dann noch weiter geht oder sich Umkehrformationen in den Indices bestätigen? Warten wir es ab.

Bei Rohstoffen gibt es überall Bodenbildungstendenzen. Das ist umso beachtlicher, als dass der Dollar-Index auf 14-Jahres-Hoch steht, denn üblicherweise sind Dollar-Index und Rohstoffpreise negativ korreliert. Der CRB-Index hat mittlerweile seine Abwärtslinie vom Hoch aus Mitte 2008 überwunden. Er dürfte sich im Verlauf des Jahres 2017 bis in den Bereich 220/230 vorarbeiten (aktuell 190). Bei Öl Brent besteht meines Erachtens Potenzial bis in den Bereich 63/70 Dollar, aktuell 55,60. Die unter Trump wahrscheinliche Lockerung von Umweltauflagen würde das Angebot an "Fracking-Öl“ steigern, das in dem Moment verstärkt auf den Markt kommt, wo der bei dieser Fördermethode oberhalb von 55/60 Dollar liegende Break-even erreicht ist. Das würde den Preisauftrieb ebenso deckeln wie die nicht gerade überschäumenden Wachstumskräfte in der Weltwirtschaft.

Der Goldpreis ist aktuell gedrückt durch einen festeren Dollar und höhere Renditen. Die Zentralbanken sind nicht daran interessiert, dass der Goldpreis wieder in die Regionen von 2011 kommt. Gleichzeitig sind es genau diese Institutionen, die Gold kaufen. Gold ist nach wie vor ein sicherer Hafen im Falle von geopolitischen Krisen, Instabilität des Finanzsystems, Geldwertverlust und Euro-Systemkrise. Die post-Maastrichter Schuldenunion wird ihren Teil dazu beitragen, dass das Edelmetall früher oder später seiner Rolle gerecht wird. Da kürzlich der wichtige Pegel bei 1170 Dollar gebrochen wurde, dürfte zunächst noch weitere Schwäche vorherrschen. Per Ende 2017 halte ich Preise oberhalb von 1300 für möglich.

Die größten Unsicherheiten drehen sich um die Frage, was unter Trump hinsichtlich Einschränkung des "Freihandels“ unternommen wird (siehe hier und hier). Trump hatte in seinem Wahlkampf vor allem China aufs Korn genommen, er will dorthin verloren gegangene Arbeitsplätze heim holen. Sollte wider Erwarten höheres US-Wachstum und steigende Renditen den Dollar weiter stärken, würde das die Länder und Unternehmen unterstützen, die in die USA importieren.

Das ist genau das, was Trump nicht will, er hatte entscheidende Wählerstimmen dort bekommen, wo die Finanzsystem-gesteuerte Globalisierung zu Arbeitsplatzabbau in den USA geführt hatte. Wenn er zu seinem Versprechen steht, ans Ausland verlorene Arbeitsplätze zurück zu holen, müsste er eher früher als später mit Strafzöllen und sonstigen Einfuhrbeschränkungen reagieren. Je stärker sich diese Reaktionen unter Trump entwickeln, je eher würde aber der Dollar in seiner Rolle als sicherer Hafen bestärkt und würde sich noch mehr festigen. Ich glaube daher nicht, dass er die Dinge hier auf die Spitze treibt. Die Deglobalisierung ist im übrigen eine Tendenz, die sich unabhängig von Trump entwickelt hat und weiter entwickeln wird.

“Schwarzer Schwan“? Die großen Akteure an den Finanzmärkten vertrauen auf die Zentralbanken, dass diese einen abrupten, übermäßigen Anstieg der längerfristigen Renditen verhindern werden. Dies hätte das Zeug, die in mehr als drei Dekaden aufgepumpte gigantische Schuldenblase platzen und die Renditen explodieren zu lassen. Der Dollar dürfte dann durch Kapitalflucht zu ungeahnter Stärke auflaufen, die Preise von Rohstoffen würden kollabieren, die Aktienkurse einbrechen. Mit diesem Schwarzen Schwan würde die Finanzkrise 2008 wie ein Kindergeburtstag aussehen - für 2017 unwahrscheinlich (ein Schwarzer Schwan eben), aber nichtsdestotrotz brandgefährlich.


Fazit:

Mit "Trump“ hat sich Wall Street einen Befreiungsschlag verordnet, der das Zeug hat, bis weit in das neue Jahr hinein das Geschehen an den Finanzmärkten zu bestimmen. Auch wenn zwischen Trumponomics und Reagonomics wirtschaftspolitisch viele Parallelen bestehen, sind die wachstumsfördernden Auswirkungen von "Trump“ jedoch viel geringer und holpriger.

Das größte Risiko für Finanzmärkte und Realwirtschaft liegt in der Entwicklung der Renditen, auch wenn es aktuell keine Anzeichen dafür gibt, dass etwas aus dem Ruder läuft. Die größe Unsicherheit dreht sich um die Frage, was Trump in Richtung Einschränkung des “Freihandels” unternehmen wird.


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de



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