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Das September-Paradox

07.09.2006  |  Jochen Steffens
Geht nun das gleiche Spiel wie in den letzten Jahren los? Gerade der September ist ein geeigneter Monat, um schlechte Stimmung zu machen. Jeder weiß, der September ist im Durchschnitt einer der schwächsten Monate des Jahres und wenn dann noch eine thematische Sau durch das Dorf getrieben wird, passt wieder einmal alles zusammen.

Sie erinnern sich vielleicht noch an das letzte Jahr, da war es das Inflationsthema im Zuge des Ölpreisanstiegs während der Hurrikansaison. Ich hatte mich damals gewundert, dass das Thema Inflation derart hochgeschaukelt wurde, da doch offensichtlich war, dass der Ölpreis zu der Zeit (das war noch vor der Irankrise) durch die Hurrikansaison beeinflusst gewesen ist. Daraus gleich massive Inflationssorgen zu stricken hielt ich für Nonsens. Und tatsächlich, der Markt fand seinen Boden und ganz schnell waren Inflationssorgen kein Thema mehr, es kam zu einer Rallye.


Stagflationssorgen bestimmen den Markt

In diesem Jahr scheint es noch abstruser zu sein: Nach den gestrigen Zahlen wird erneut die Befürchtung laut, dass es zu einer Stagflation kommen werde. Es herrscht die Sorge, dass die US-Wirtschaft sich zu sehr abschwächt, gemischt mit der Angst vor eine weiter stark steigenden Inflation.

Das Paradoxe daran ist: Die hohen Lohnstückkosten sind aus dem zweiten Quartal und der Teilindex des ISM "bezahlte Preis" ist aus dem August. Dieser zeigt bereits eine Abschwächung des Preisdrucks und wurde kaum beachtet. Noch paradoxer ist, dass sich der Markt aus diesen alten Zahlen des zweiten Quartal eine Sorge um weitere Zinserhöhungen in der Zukunft strickte und das trotz des Beige Books, in dem steht, dass zwar in einigen Bereichen Preissteigerungen zu erkennen seien, diese jedoch offenbar nicht zu einem generellen Anstieg der Konsumentenpreise führen.

Noch paradoxer wird das Ganze, wenn man sich anschaut, dass der Immobilienmarkt in den letzten Wochen/Monate deutliche Anzeichen eines starken Rückgangs verzeichnet. Lassen wir hier mal die Bären zu Wort kommen: Ein Rückgang des Immobilienmarktes kann sich auf den Konsum schwächend auswirken, mit der Gefahr einer Rezession in den USA.

Ja, diese Aussage ist richtig, falsch wäre nur die Schlussfolgerung der Bären: Alles verkaufen!


Das Gesamtbild spricht gegen weitere Zinserhöhungen

Eher das Gegenteil ist der Fall, denn entgegen anders lautenden Gerüchten, ist die Fed nicht dumm. Anleger sollte die Fed niemals unterschätzen. An diesem Fehler sind schon viele Analysten gescheitert.


Fassen wir einmal zusammen:

  • Die neueren Infaltionszahlen belegen eine Rückgang des Preisdrucks
  • Der Ölpreis ist um 10 Dollar je Barrel gefallen
  • Die US-Wirtschaft zeigt deutliche Anzeichen einer sinkenden Wachstumsdynamik
  • Der Immobilienmarkt ist stark rückläufig und gefährdet den Verbrauch
  • Die Fed sieht alle diese Entwicklung und stuft die Inflationsgefahren als zurzeit nicht sehr hoch ein

Die Fed wäre doch vollkommen wahnsinnig, in so einem Umfeld die Zinsen weiter zu erhöhen. Und die Fed hat doch gerade mit der Aussetzung der Zinserhöhung bekundet, erst einmal abwarten zu wollen was passiert.

Sollten sich also die Entwicklungen am Immobilienmarkt, beim Ölpreis und bei der US-Wirtschaft nicht abschwächen muss (!) sogar mit einer Zinssenkung zum Ende diese, mindestens jedoch zum Anfang nächsten Jahres gerechnet werden.

Offenbar besteht also ein deutliches Missverhältnis zwischen den fundamentalen Fakten und der Wahrnehmung der Marktteilnehmer. Immer wenn so ein Missverhältnis auftaucht, ergeben sich daraus gute Einstiegschancen. Das war im letzten Jahr um den September herum so und im Oktober startete die Rallye. Ich glaube, dass das auch in diesem Jahr wieder so sein wird. Besonders wenn der September wirklich schwach wird.


Die USA steigert ihre Ölvorkommen um 50%

Chevron hat nun den Fund, bzw. die Bestätigung eines gewaltigen Ölvorkommen gemeldet. Das Unternehmen hat gerade in 8,5 km Tiefe (!) erfolgreiche Probebohrungen im Golf von Mexiko erfolgreich abgeschlossen. Dort sollen zwischen 3 und 15 Mrd. Barrel (!) Öl und Erdgas in flüssiger Form vorliegen. Man vergleiche das mit den bisherigen Ölvorkommen der USA, die mit 30 Mrd. Barrel angegeben sind. Kurz die USA hat soeben ihre Ölvorkommen um 50% erweitert.

Die wichtigste Aussage in diesem Zusammenhang ist jedoch die Aussage der Unternehmen, dass sie nur aufgrund des hohen Ölpreises diese gewaltigen Investitionssummen in die Hand genommen haben, um diese Tiefseebohrungen zu bewerstelligen.


Der typische Zyklus

Damit erleben wir nun eine für Rohstoffe typischen Effekt: Jahrelang gab es Öl zu Schleuderpreisen. Investitionen in neue Technik (Stichwort: Entölungsgrad der Ölfelder), in die Exploration von neuen Erdölfelder, in Alternativen zum flüssigen Öl (Ölsande und Ölschiefer) und in alternative Energien wurden über ein Jahrzehnt vernachlässigt.

Auch aufgrund einer höheren Nachfrage sank somit das Angebot im Verhältnis zur Nachfrage. Was dazu führt, dass die Ölpreis steigen. Irgendwann kommt dann ein Punkt, an dem sich Investitionen wieder lohnen, an dem auch in Alternativen investiert wird. Diese Investitionen führen zur Entdeckung und Erschließung von Ölvorkommen, sie führen zu einem höheren Entölungsgrad bereits vorhandener Ölfelder, zu der Nutzung von Ölsanden und vielleicht bald auch Ölschiefer. Die Investitionen in alternative Energien wird auf der anderen Seite zu einer Abschwächung der Nachfrage führen. Das alles zusammen kann den Ölpreis in weiterer Zukunft dann wieder in Bedrängnis bringen. Ich schreibe in "weitere" Zukunft, denn natürlich dauert dieser Prozess. So wird das von Chevron entdeckte Ölfeld voraussichtlich erst in 5 Jahren Öl fördern können.


© Jochen Steffens
Quelle: Auszug aus dem kostenlosen Newsletters "Investor's Daily"




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