Inflation - Fakten und Irrtümer
25.03.2006 | Mag. Gregor Hochreiter
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Andere Definitionen der InflationSeit der von Milton Friedman eingeleiteten monetaristischen Revolution anfangs der 1950er, deren geldpolitische Theorie auf der Quantitätsgleichung aufbaut, ist es modern, unter Inflation den Anstieg des allgemeinen Preisniveaus zu verstehen. Diese Erscheinung ist jedoch nur die unausweichliche Folge des ursächlichen Anstiegs der ungedeckten Geldmenge. Bei einer relativ stabilen Geldmenge, wie z.B. zu Zeiten des Goldstandards, muß notwendigerweise die Erhöhung der Preise in einem Segment der Wirtschaft zu einer Reduktion der Preise in zumindest einem anderen führen. Das "Preisniveau" bleibt hingegen konstant.
Inflationsrate
Die meisten Zentralbanken dieser Welt haben sich der monetaristischen Forderung nach einer konstanten Kaufkraft des Geldes verschrieben. Abgesehen davon, daß die von der FED und der EZB vorgegebenen Inflationsziele im positiven Bereich liegen und damit von vornherein die Stabilisierung der Kaufkraft des Geldes zu einer Chimäre verkommen lassen, ist das Konzept der Inflationsrate durch und durch sinnlos. Zum einen ist die Verwendung eines durchschnittlichen Warenkorbs ohne Aussagekraft. Jeder Mensch konsumiert andere Güter und verändert auch seine Konsumgewohnheiten von Tag zu Tag. Zum anderen kann mathematisch nicht einmal der Durchschnitt errechnet werden. Ein einfaches Beispiel soll dies verdeutlichen: Angenommen jemand kauft für 90 € ein Paar Schuhe und für 10 € eine Theaterkarte. Was soll der zur Berechnung eines Durchschnitts unumgängliche gemeinsame Zähler und Nenner sein?
Aber selbst wenn wir annehmen, daß die Berechnung der Inflationsrate möglich wäre, muß auf die fortwährenden Manipulationen dieses Konzepts hingewiesen werden. Schon lange wird in den Medien die Kerninflationsrate, d.h. die Inflationsrate ohne Preise für Energie, Nahrungsmittel, Alkohol und Tabak, in den Vordergrund der Berichterstattung geschoben. Mit diesem Trick wird versucht, die veröffentlichte Inflationsrate künstlich niedrig zu halten, indem man genau jene Produkte herausrechnet, die in den letzten Jahren besonders stark gestiegen sind.
Noch hinterhältiger ist die schleichende Einführung des "hedonic pricing" in den USA und auch in Europa. In Zeiten des rasanten technischen Fortschritts, so die Hüter der statistischen Berechnung, müsse man den Effekt der technischen Entwicklung in die Berechnung der Inflationsrate einpreisen. Angenommen man hat vor einem Jahr einen Computer um 1.000 € gekauft, so erhält man heute um den selben Preis einen deutlich leistungsfähigeren Computer. Zur Berechnung der Inflationsrate wird nun unterstellt, daß der Preis des Computers "in Wirklichkeit" um, sagen wir, 100 € gefallen ist, da um 1.000 € ein deutlich leistungsstärkerer Computer gekauft werden kann. Und schon sinkt die Inflationsrate. Wenn andererseits der Preis eines Fernsehers um 20% steigt und sich gleichzeitig die Qualität der verwendeten Technologie erhöht, wird die Preissteigerung aus der Inflationsrate herausgerechnet. Schließlich habe man ein deutlich besseres Produkt erhalten.
Wie die folgende Graphik zeigt, haben diese und andere Änderungen in der Berechnung, die ausgewiesene Inflationsrate in den USA stark gesenkt. Der Unterschied zwischen der neuen (Official CPI-U) und der alten Berechnungsmethode (Pre-Clinton Era CPI) summiert sich auf fast 4%.
(Quelle: Shadow Government Statistics)
Was sind die Effekte dieser Manipulation der Inflationsrate?
Für den Staat ergeben sich sehr angenehme Nebeneffekte. Erstens; zur Berechnung des Realwachstums wird das nominelle Wachstum mit der Inflationsrate deflationiert. Je niedriger die ausgewiesene Inflationsrate, desto höher das Realwachstums. In den USA erhöhte sich das ausgewiesene Wachstum allein durch die veränderte Berechnung der Inflationsrate daher um fast 4%.
Zweitens; die Steigerungsraten vieler Sozialtransfers hängen direkt vom Anstieg der Inflationsrate ab. Je niedriger die Inflationsrate, desto geringer die Belastung für das Budget. Der Anstieg der Mieten wird ebenfalls häufig an die Entwicklung des Verbraucherpreisindex gekoppelt, d.h. die veränderte Berechnung geht zu Lasten der Vermieter. Drittens; die Zentralbanken können trotz des fühlbaren Anstiegs der Preise auf breiter Basis ihr Image als Hüter der Preisstabilität wahren und das obwohl die Folgen ihrer inflationären Politik schön langsam zu spüren sind.
Knapp daneben ist auch vorbei
Hartnäckig hält sich auch die Ansicht, wonach die wahre Inflation der Unterschied zwischen dem Geldmengenwachstum und dem Realwachstum einer Wirtschaft ist. Bei einem Geldmengenwachstum von 7,4% (2005) und einem realen Wirtschaftswachstum in der Eurozone von rund 1,4% (2005) wird nach dieser Vorstellung die wahre Inflation mit 6,0% angegeben. Doch selbst bei einem Wirtschaftswachstum von 7,4% und einer darausfolgenden Identität von Geldmengen- und Wirtschaftswachstum müßte man von einer Inflation sprechen. Die beiden oben erwähnten Effekte, Auslösung des Konjunkturzyklus und Vermögensumverteilung, treten nämlich trotzdem auf.
Was sind die direkten Folgen der Inflation auf Unternehmer?
Eine (starke) Ausweitung der Geldmenge läßt die Gewinne der Unternehmer höher erscheinen als sie auf realwirtschaftlicher Basis sind. Dies ergibt sich aus der Zeitdifferenz zwischen der anfänglichen Investition in ein Kapitalgut, z.B. Maschinen, die noch zu den alten, niedrigeren Preisen erworben werden konnten und den durch die Inflation künstlich aufgeblasenen Verkaufspreisen. Die Abschreibungsverluste müssen jedoch zu heutigen - höheren - Preisen ausgeglichen werden, weswegen die Unternehmer häufig ihren eigenen Kapitalstock konsumieren und nicht, wie sie irrtümlich meinen, sichern bzw. weiter aufbauen.
Was sind die direkten Folgen für Anleger?
Sämtliche Besitzer von Aktien können sich über das künstliche Aufblasen der Gewinne und der meist daraus resultierenden Kurssteigerungen und hohen Dividenden freuen. Allerdings darf nicht vergessen werden, daß die Kaufkraft der Dividenden bzw. der höheren Aktienkurse im Ausmaß der Inflation sinkt. Weiters droht insbesondere kapitalintensiven Unternehmen, die zunächst von den sinkenden Zinsen profitieren und daher überdurchschnittliche Gewinne einfahren, im Abschwung eine deutlich schärfere Korrektur.
Was sind die direkten Folgen für die Schuldner?
Zu den großen Profiteuren der Inflation zählen die Schuldner, vor allem dann, wenn sich der Zins wie allgemein üblich an dem von der Zentralbank festgesetzten Zinssatz und nicht an der Geldmengenausweitung orientiert. Gerade dem größten Schuldner, dem Staat, ermöglicht die Inflation einen bequemen Ausweg aus der Verschuldung. Eine Methode, die historisch immer wieder angewendet wurde. Neue Schuldner haben es hingegen zunehmend schwieriger an frisches Kapital zu gelangen, da die künstlich abgesenkten Zinsen die Sparneigung verringern. Je schlechter die Bonität eines - potentiellen - Schuldners, desto früher wird er nicht mehr an neues Kapital gelangen.
Was sind die direkten Folgen für Gläubiger?
Gläubiger sind daher notwendigerweise die großen Verlierer, da die Kaufkraft der Rückzahlungen niedriger als die ursprüngliche Kaufkraft der Kreditsumme ist. Anders ausgedrückt, trotz der erhaltenen Zinszahlungen können die Gläubiger mit den rückgezahlten Euro weniger Güter erwerben als sie zum Zeitpunkt der Kreditvergabe imstande gewesen sind.
Was sind die Folgen für eine Gesellschaft?
Die Inflationierung der Geldmenge führt sukzessive zu der Zerstörung des Kapitalstocks und somit zur Erodierung der Grundlage des materiellen Wohlstands. Wie Guido Hülsmann, ebenfalls ein Ökonom der "Österreichischen Schule der Nationalökonomie", in seinem Paper "Toward a General Theory of Error Cycles" bemerkte, kann der Konjunkturzyklus (und somit auch die Ausweitung der Geldmenge) nur dann seine Wirkung entfalten, wenn breite Bevölkerungsschichten einer Illusion unterliegen, ihnen also das wahre Wesen der Ursachen und Wirkungen des Konjunkturzyklus verborgen bleibt. Das Unwissen um die wahre Ursache und Wirkung der zugrundeliegenden ökonomischen Phänomene und der daraus resultierende unerwartete ökonomische Absturz breiter Bevölkerungsmassen destabilisieren in vielen Fällen die Gesellschaft so weit, daß sie ein leichtes Opfer für politische Rattenfänger werden.
© Gregor Hochreiter
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