Interview mit Marcel Torney: Zukünftig "kleinere Brötchen" bei Rohstoffen
26.09.2006 | Dr. Volkmar Riemenschneider
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Das sind aber alles Punkte, die aktuell zu einer Verunsicherung am Ölmarkt führen. Wenn Sie mich jetzt nach den Aussichten für den Ölpreis fragen, so gilt es aus meiner Sicht, streng nach dessen kurz- und langfristigen Perspektiven zu unterscheiden. Kurzfristig erwarte ich, dass der Ölpreis unter Druck bleibt, d.h. ein Szenario mit Kursen unterhalb von 60 USD ist wahrscheinlich. Ich präferiere ein Korrekturziel von 50 bis 55 USD, das in den nächsten drei Monaten erreicht werden dürfte. Unter langfristigen Gesichtspunkten gehe ich weiterhin von einer robusten Entwicklung der Weltkonjunktur aus, so dass ich einen Ölpreis in einer Spanne von 70 bis 80 USD (in Übertreibungsphasen auch in Richtung 90 USD gehend) im Jahr 2007 erwarte.V.R.: Wo sehen Sie aktuell Chancen im Sektor der Agrarrohstoffe? Die immer noch hohen negativen Rollrenditen laden ja nicht gerade zu Investments ein. Auch Zucker, der Liebling der Anleger vom Anfang des Jahres, hat mittlerweile deutlich an Terrain verloren.
M.T.: Noch zu Jahresbeginn galten Agrarrohstoffe ja als der kommende Sektor im Rohstoffbereich. Nach der vorangegangenen Rallye bei Edel- und Industriemetallen sowie den Energieträgern sollte in diesem Jahr der Funke auf den Agrarsektor überspringen. Das Nachholpotential schien enorm. Und in der Tat gab es einige wenige Märkte, wie beispielsweise der von Ihnen angesprochene Zuckermarkt, der überaus erfolgreich in das Jahr 2006 startete. Aber insgesamt verlief die Entwicklung der Agrargüter eher bescheiden. Sicherlich gilt vor allem für die Agrarrohstoffe, dass Anleger sehr selektiv vorgehen sollten.
Ausgewählte Märkte bieten aber trotz der Widrigkeit der negativen Rollrenditen gute Chancen. Ich habe derzeit zwei Favoriten im Agrarsektor: Zucker und Mais. Der Zuckerpreis ist nach der massiven Korrektur der letzten Monate auf einem Kursniveau angelangt, das ein Engagement unter fundamentalen und charttechnischen Aspekten interessant erscheinen lässt. Bei Mais hat sich über die letzten Monate hinweg eine relativ breite Tradingrange etabliert. Hier sollten also vor allem technisch orientierte Anleger auf ihre Kosten bzw. Gewinne kommen.
V.R.: Wie schätzen Sie die Entwicklung des US-Dollars bis Ende dieses Jahres ein? Könnte von der Konjunkturseite bald der Zwang zu Zinssenkungen und somit der Beginn einer baldigen Schwächephase des US-Dollars kommen? Wie schätzen Sie den aktuellen Einfluss des US-Dollars auf die Rohstoffpreisentwicklung ein?
M.T.: Der US-Dollar präsentiert sich derzeit überraschend stark. Profitieren kann er aktuell von den anhaltenden Diskussionen über die Notwendigkeit der Wiederaufnahme des Zinsanhebungszyklusses. Im August hat die FED ja das erste Mal seit Juni 2004 auf einen Zinsschritt verzichtet. Mit dem Verweis auf den anhaltenden Inflationsdruck wird derzeit aber weiter darüber spekuliert, ob nicht doch noch Zinsanhebungen folgen müssen. Hilfreich wäre es in diesem Zusammenhang, wenn die FED ein mittelfristiges Inflationsziel kommunizieren würde. Offiziell verfolgt sie ja keines. Derzeit befindet sich die FED in einer Zwickmühle. Das Inflationsrisiko ist unverändert hoch. Eine Abschwächung der US-Konjunktur ist aber bereits zu erkennen. Weiterer Ärger könnte vom Immobilienmarkt drohen.
Die Preise für neue Einfamilienhäuser in den USA stiegen im Juli nur noch um 1,5% gegenüber dem Vorjahresmonat. Im vergangenen Jahr wurden noch zeitweise zweistellige Wachstumsraten verzeichnet. Die Preise für Wohnimmobilien und die Entwicklung des privaten Verbrauchs sind eng aneinander gekoppelt. Aufgrund der höheren Preise können Wohnimmobilien von den Eigentümern besser beliehen werden. Und der US-Bürger konsumiert gern und vornehmlich auf Kredit. Es ist das denkbar schlechteste Szenario, wenn der private Konsum mit seinem Anteil von knapp zwei Dritteln am US-BIP nun wegbrechen sollte. In diesem Fall könnte die FED in der Tat gezwungen sein, die Zinsen schneller und deutlicher zu senken, als ihr lieb wäre. Ich gehe für die kommenden Monate allerdings von einem stabilen Leitzinsniveau in den USA aus.
Gegenüber anderen Währungsräumen sollte sich die Zinsschere damit schließen. So ist in den nächsten Monaten mit einer moderaten Abwertung des USD an den Devisenmärkten zu rechnen. Eine ausgeprägte Schwächephase des US-Dollars sehe ich nicht. So gehen beispielsweise meine Szenarien für die weitere Entwicklung von Euro/USD und USD/JPY von Kursen zwischen 1,30/1,35 USD sowie 109,0/107 JPY in den nächsten drei bis sechs Monaten aus. Der Einfluss des US-Dollars auf die Entwicklung der Rohstoffmärkte dürfte aufgrund dessen leicht positiv sein.
Das Interview wurde für den "Rohstoff Spiegel" am 21. September 2006 geführt.
© Dr. Volkmar Riemenschneider