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Wer ist rational, Verbraucher oder Unternehmen?

01.07.2004  |  Axel Merk
In der US Wirtschaft trennen sich die Wege vom Verbraucher und von Unternehmen:


US Verbraucher

Der US Verbraucher hat einen Anteil von 70% am US Bruttoinlandsprodukt; die ganze Welt will, dass das Ausgeben weitergeht. Während Unternehmen nach dem Platzen der Technologieblase zusammenbrachen, verhinderten staatliche Anreize von insgesamt über 1.000 Millarden US$ eine Rezession beim Konsum.

US Verbraucher haben ihre bereits hohen Schulden in den letzten Jahren stark erhöht, jedoch dank sinkender Zinsen und Verkürzung der Laufzeiten der Schulden ihre monatlichen Zinszahlungen relativ konstant gehalten.

Die Verbraucher suchen verzweifelt nach Wegen, ihren Ruhestand zu finanzieren, sie schütten dabei Gelder in Investmentfonds und Immobilien. Fondsverwalter haben keine andere Wahl, als die Gelder zu investieren. Dies ist nichts Neues, jedoch werden Anlageentscheidungen in diesem Umfeld immer mehr von Gier und Angst getrieben.

Washington Mutual, eine stark im Hypothekengeschäft engagierte Bank, hatten bei 53% der herausgegebenen Hypotheken im ersten Quartal Hypotheken mit variablem Zinssatz verkauft. Vor ein paar Tagen warnte die Bank, sie wäre sich nicht ausreichend gegen steigende Zinsen abgesichert.

Das Vertrauen der Verbraucher in die Wirtschaft ist am steigen.


US Regierung

US Staatsschulden sind durch die Bemühungen, die Wirtschaft und den Verbraucher bei Laune zu halten stark gestiegen; das weltweite miltärische Engagement ist auch sehr teuer. Die Zinszahlungen sind jedoch im Rahmen beblieben, da auch die Regierung die Laufzeiten ihrer Schulden reduziert hat.

Wir haben ausführlich darüber berichtet, dass das US Leistungsbilanzdefizit eine Gefahr für den US Dollar und Wirtschaft darstellt; auch hier nichts Neues, ausser, dass neue Rekorde aufgestellt werden mit einem Defizit, dass auf die 600 US$ Milliarden im Jahr zusteuert.

Die Bush Regierung rechnet mit einem Wirtschaftsaufschwung und somit höheren Steuereinnahmen. Sollte Kerry gewinnen, hat er versprochen, die Disziplin in den Staatsfinanzen wiederherzustellen. Während Kerry die Militärausgaben reduzieren wird, so können wir uns nicht vorstellen, dass die Demokraten keine teuren Sozialprogramme einführen werden.


US Unternehmen

Amerikanische Firmen agieren anders. Greenspan beklagt, dass Firmen weiterhin Schulden abbauen; er will, dass Firmen im jetzigen Umfeld mehr Geld investieren als sie verdienen. Firmen ersetzen hohe Zinszahlungen mit tieferen und verlängern gleichzeitig die Laufzeit ihrer Schulden. Unternehmen sind in der Defensive. Die Einzelhandesriesen Wal-Mart und Target haben gerade gewarnt, dass ihr Wachstum nicht höher als die Inflationsrate ist. Die ewig optimistische Netzwerkfirma Cisco hat ihre Gewinnspanne erweitert, aber bei genauerem Hinblicken war es nur ein Buchhaltungstrick, verursacht durch Erhöhung des Inventars.

Was schliessen wir aus all diesem? Die Hoffnung ist, dass die Wirtschaft sich nach dem enormen Stimulus von selbst tragen wird. Sogar Arbeitsplätze werde nun geschaffen; die Verbraucher fühlen sich besser, das Geschäftsklima hat sich allgemein verbessert hat, aber dennoch, Investionen sind weiterhin mager.

Die Ursache mag an der stärkeren Zinssensibilität des Verbrauchers (und der Regierung) liegen. Unternehmen arbeiten in einem sehr schwierigen Umfeld mit Wettbewerb von Asien durch manipulierte Wechselkurse, die globale Überproduktion mit niedrigen Verbraucherpreisen zur Folge haben, sowie hohe Rohstoffpreise. Firmen reagieren, indem sie Arbeitsplätze auf tiefem Niveau halten. Das vorsichtige Verhalten mag zu höherer Profitabilität führen, aber Firmen haben keinen Drang zu investieren; und wenn sie dies tun, dann überdurchschnittlich im Ausland, um vom attraktiveren Arbeits- und Währungsumfeld dort zu profitieren.

In der Zwischenzeit breitet sich Inflation überall schnell aus - ausser in den öffentlichen Statistiken. Der Produktionspreisindex ist derart verzerrt, dass er schon ein paar Mal dieses Jahr verspätet herausgegeben wurde. Die einzigen Preise, die weiterhin stabil sind, sind die von Konsumgütern, dank der globalen Ungleichgewichte.

Amerikanische Politiker haben die Wirtschaft derart angetrieben, da sie gesehen haben, was in Japan passiert ist, als deren aufgeblasene Wirtschaft implodierte. Es gibt jedoch erhebliche strukturelle Unterschiede zwischen Japan und den USA. Während japanische Firmen Reformen immer nur zögerlich umgesetzt haben, so passen sich US Unternehmen sehr schnell an neue Umstände an. Während der japanische Verbraucher ein sehr guter Sparer ist, so ist der US Verbraucher ein sehr grosser Schuldner. Während die zehnjährige Rezession in Japan "Manager’s Rezession" genannt wurde, steuern die USA auf eine "Verbraucherrezession" zu. Nachdem die ganze Welt vom US Verbraucher abhängig ist, wird dies eine sehr schmerzhafte Medizin sein.

Ein Grund, warum langfristige Zinsen nicht stärker angezogen sind ist, dass der Markt skeptisch über den von den Politikern prophezeiten wirtschaftlichen Wachstum ist. Die Preise der Staatsanleihen (und demnach Zinsen) werden zu guter Letzt von Angebot und Nachfrage bestimmt. Selbst wenn Kerry im November die Wahlen gewinnt, sehen wir keine drastische Reduktion in den öffentlichen Ausgaben. Die Regierung wird durch weiteres Geld drucken alles daran setzen, dass Verbraucher ihre Bilanzen nicht in Ordnung bringen, damit diese weiterhin kräftig ausgeben. Auf der Nachfragenseite müssen ausländische Regierungen früher oder später ihre Käufe von US Schulden reduzieren; je deutlicher die globalen Ungleichgewichte ins Rampenlicht kommen, desto weniger beliebt werden US Staatsanleihen sein. Wenn der Dollar schliesslich unter dem Gewicht des Leistungsbilanzdefizits nachgibt, werden Verbraucherpreise steigen - ein perkektes Rezept für Stagflation (Inflation bei Gütern und Leistungen, jedoch nicht bei Einkommen).

Was die Börse angeht, so sind wir weiterhin vorsichtig. Innovative Firmen werden Erfolg haben, und Bilanzen der Unternehmen sehen gesünder aus; aber Bewertungen sind hoch. Wenn Verbraucher ihre Schulden bewältigen wollen, müssen sie Anlagen liquidieren. Dies wird vermutlich nicht im grösseren Stil passieren so lange Immobilienpreise sich weiter halten können. Greenspan wird indessen immer lauter in seiner Kritik der halbstaatlichen Immobiliengesellschaften GNMA und FNMA, die zusammen durch Hypotheken mehr Schulden halten als die gesamte US Regierung, ohne dabei gesetzliche Richtlinien zu haben, wieviel Schulden sie aufnehmen dürfen. Greenspan fordert eine Reform, in der das Risiko dieser Institutionen auf die Masse verteilt werden kann.

Es gibt einen Spruch, dass die Märkte immer das tun, was sie sollen, jedoch nie zu dem zu erwartenden Zeitpunkt. Wir glauben, dass die Immobilienblase in Kürze platzen wird. Nachdem wir Investoren und keine Spekulanten sind, können wir dem Markt nicht hinterhertrotten, sondern müssen unser Geld gemäss unserer Einschätzungen anlagen. Hiebei benötigen wir Geduld, aber wenn wir diese nicht haben, sind wir auf alle Fälle zum Scheitern verurteilt.

In Europa ist die Bevölkerung immer frustrierter mit der Unfähigkeit ihrer Regierungen, Reformen durchzusetzen. Während viel in den letzten Jahren geschehen ist und Firmen viel besser positioniert sind, so könnte einiges mehr unternommen werden, um ein freundlicheres Investitionsklima zu schaffen. Viele traditionell pro-amerikanische Europäer distanzieren sich vom Benehmen der Bush-Administration.

Der langfristige Schaden für die internationalen Beziehungen und schliesslich auf die Wirtschaft kann nicht unterschätzt werden. Wenn der US Verbraucher sich dazu entschliesst, seine Ausgaben zu reduzieren, werden Handelsabkommen unter die Lupe genommen werden (Kerry hat dies bereits versprochen) - es ist im Interesse aller, dass diese Verhandlungen mit gutem Willen geführt werden.

Demokratie baut auf "checks and balances" auf. Ein grosser Teil der US Legislative, Exekutive sowie Judikative basiert auf groben Richtlinien. Diese Richtlinien erlauben berechtigterweise, dass sich eine Gesellschaft ändert. Aber wenn die "checks and balances" versagen, dann wird der Gesellschaft eine Veränderung aufoktroyiert ohne den ordentlichen Prozess einer öffentlichen Diskussion. Wenn wir nicht für unsere Werte eintreten, verlieren wir diese.

Der oberste Gerichtshof in den USA mag manche Dinge schliesslich wieder ins Lot rücken, und die Medien versuchen, die Politiker kritisch zu verfolgen. Aber zu guter Letzt geht es in der Demokratie nicht um das Delegieren der Regierung an Politiker, sondern die Verteidigung der Werte, and die man glaubt. Es gibt so manche in den USA, die sich nicht darum kümmern, was der Rest der Welt denkt - dabei kommt es darauf auch gar nicht so sehr an, denn der Verlust für das Akzeptieren von Unrecht passiert vor der eigenen Hasutüre.


© Axel Merk
Merk Investments LLC



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