Auf hartem Prüfstand: Sachwerte im Konjunkturwinter
17.09.2004 | Hans Jörg Müllenmeister
Umsichtige und sicherheitsbewußte Anleger verteilten immer schon ihr Vermögen auf unterschiedliche Investments, etwa auf Aktien, Anleihen, Immobilien, Edelmetalle, Diamanten und Schmuck. Seit Jahrhunderten hat sich diese goldene Regel bewährt, weil es kaum eine Epoche gibt, in der alle Kapitalanlagen gleichzeitig an Wert einbüßen. Wer etwa ab 1970 voll auf edle Sachwerte setzte und 1980 sein Gold, seine Edelsteine oder Diamanten verkaufte, konnte damit sein Vermögen vervielfachen. Dieses Kapital wieder voll investiert in den Aktien-Bullenmarkt (ab 1982), hätte eine abermalige Vervielfachung des Vermögens gebracht. Nur wenige Anleger hatten das Glück - entsprechend dieser Konjunktiv-Rede - ihr Geld so dramatisch zu mehren. Das Beispiel verdeutlicht aber, dass es keine Hochkonjunktur für alle Investments gleichzeitig gibt. Auf das richtige Timing des Ein- und Ausstiegs kommt es im Einzelfall an.
Das Auf und Ab der Konjunktur richtig einschätzen
Seine Engagements sollte man im Kontext zur wirtschaftlichen und politischen Großwetterlage sehen. Die Konjunktur ist keine lineare Größe, sie verläuft über der Zeit typisch in Wellen. Die Kunst des antizyklischen Anlegers ist es, eine Ware gerade im Wellental zu erwischen, und das gute Stück am Hoch des Wellenkamms zu verkaufen, also entgegen der allgemeinen Laufrichtung der Anleger-Lemminge. Diese Witterung - wo bläst der Wal? wird vielfach verdeckt durch das Auslegen einer irritierenden Duftspur an Desinformation durch die Medien. Tagesereignisse können kurzfristig die Langzeitperspektive verfälschen. Disziplin und Selbstüberwindung gehören dazu, wenn der Anleger entgegen dem allgemeinen Meinungsbild am Tief auf Einkaufstour geht, seine Gier bezwingt und in der Nähe des Hochs rechtzeitig wieder verkauft. Bei Kauf- oder Verkaufsabsichten ist es unbedingt notwendig, die historische Preisentwicklung der Ware zu kennen, damit man nicht gerade an den Preiswen-depunkten (Hoch, Tief) falsch agiert. Dabei ist eine Resistenz gegenüber der allgemeinen Stimmungslage nützlich.
Der sekundäre (private) Goldmarkt ist ausgetrocknet
Noch vor einigen Jahren, beim 253-US-$-Doppeltief des Goldpreises, beobachtete ich im An- und Verkaufsbereich ein bekanntes psychologisches Phänomen: Scharenweise trugen die Privaten ihre Goldbarren und Goldmünzen zum Händler mit der entschuldigenden Erklärung: Das Zeug liegt schon ewig bei mir herum; Gold wird ja immer weniger wert. Doch was heißt ewig? Meist waren das nämlich die Krüger Rand-Münzen, die am Goldhoch 1980 teuer gekauft wurden. Zu diesem Zeitpunkt verkündete das Blatt mit den vier Buchstaben "Leute kauft Gold". Und eben dieses Blatt verkündete zum Goldtief, daß Gold sogar auf 36 US-$/Unze fallen würde. "Contrary opinion" ist angesagt!
Heute ist es relativ unwahrscheinlich, dass ein Privatanleger sein Gold zum Markte trägt. Dabei ist Gold seit seinem Tief nachhaltig im Preis gestiegen. Die ersten smarten Privatanleger sind bereits auf der Kaufseite zu finden. Langsam werden die geplünderten Schatzkästchen wieder mit Gold und Silber aufgefüllt.
Sündteure Anlagediamanten jetzt im Preiskeller
Und was wurde aus den sogenannten Anlagediamanten, die um 1980 für horrendes Geld gierig vom Publikum gekauft wurden? Hier erfuhr gerade der enttäuschte Anleger eine Höllenfahrt ins Nichts. Aus meiner Praxis sind mir wahre Verkaufsdramen bekannt. Typisches Beispiel: Ein Einkaräter-Brillant (1ct gleich 0,2 gr) der Top-Qualität (River D, lupenrein, Schliff und Proportio-nen sehr gut) erzielte 1980 einen Preis von 64.000 DM. Für diesen Spitzenstein zahlt Ihnen derzeit ein Händler im An- und Verkaufsbereich um die 3.000 Euro, ein Verlust von über 90%, wohlgemerkt noch nicht einmal inflationsbereinigt. Eingedenk dieser Tatsache fällt es immens schwer, selbst zu diesem Schnäppchenpreis einen Spitzenstein zu erwerben; er könnte ja noch billiger werden. Das ist eine kaufpsychologische Binsenweisheit. Einem Diamantenbesitzer, der nicht gerade in Geldnot steckt, also verkaufen muß, rate ich weiter abzuwarten bis die Diamantpreise wieder anziehen, hochstehender noch, er verschenkt das Juwel zur gemeinsamen Freude an seine Geliebte. Offen gesagt: Die Crux bei Diamanten ist, dass der Normalverbraucher in der Regel nur am Ende der Handelskette - am Ende der Pipe wie man im Diamantenhandel sagt - einkaufen kann. Dann hat der Diamant bereits schon einige Preisaufschläge von der Schleiferei bis zum Einzelhandel hinter sich. Hinzu kommt, dass Diamanten weltweit auf Dollarbasis gehandelt werden, also mit dem Währungsrisiko Dollar-Euro behaftet sind.
Farbedelsteine versus Diamanten
Nach meinen Beobachtungen sieht es in der Praxis bei den erzielten Preise im Farbsteinbereich ähnlich kläglich aus, ja oft sogar noch unerfreulicher. Der Markt ist mausetot. Warum? Generell lassen sich Farbsteine nicht wie Diamanten graduieren, also nach internationalen Richtlinien in der Qualität bewerten. Das ist ein komplexes Bewertungsfeld, weil sich das Wesentliche, die Farbe nämlich, nicht ohne weiteres objektivieren läßt. Jeder empfindet "Farbe" subjektiv, demnach kommt es auch zu einer subjektiven Preisfindung. Zwar gibt es zu gewissen Steinen eine international anerkannte Spitzenfarbe, die letztlich mit der Seltenheit zu tun hart: etwa das Kornblumenblau eines Kaschmir-Saphirs, das Taubenblutrot eines Burma-Rubins oder die Tief-bläue eines Santa Maria-Aquamarins. Dagegen ist die sogenannte Gelbsättigung (Farbe) eines Diamanten in definierten Schritten genormt und mit Referenzsteinen vergleichbar.
Steht ein Farbstein zum Verkauf an, dann kann man auf der Käuferseite nach Gutdünken allein beim Farbeindruck gegenüber dem Unkundigen Abschläge vornehmen und damit das gute Stück gnadenlos in den Preiskeller treiben, vor allem in der heutigen angespannten Konjunkturlage wo das Geld festsitzt. Da kann es durchaus zu einem Preisabschlag von 95%, bezogen auf den Kaufpreis kommen.
Schmuck oder Schmu, das ist hier die Frage
Ähnlich eklatant ist die Preissituation bei Schmuckstücken aller Art, die aus heimischer Schmuckschatulle u. U. buchstäblich für einen Apfel und ein Ei hergegeben werden. Meist bezieht ein Ankäufer einen einzelnen Farbstein - etwa einen Solitär in einem Ring - erst gar nicht in die Bewertung ein, sondern nur das einschmelzbare "Bruchgold". Damit wird eventuell ein verschmutzter, indessen aber wertvoller Farbstein in seinem Wert auf Null gestellt. Mir ist ein Fall bekannt, wo ein gelblichbrauner Einkaräter nicht mehr von den Ringkrappen gefaßt, sondern völlig inkrustiert eingeklebt war. Nach dem Befreien des Diamanten aus seinem alten "Klebebett" und seiner Reinigung kam ein Diamant der Spitzenklasse zum Vorschein. Der Händler bekam mit dem Goldring einen River D zum Nulltarif als "Zubrot". Dagegen können bestimmte historische Schmuckstücke in ihrer Original-Schmuckschatulle über ihren reinen Materialwert hinaus einen fairen Preis erzielen. Meist ist es aber so, dass der private Verkäufer mit einer überzogenen Preisvorstellung kommt. Oft ist ihm nicht bewußt, dass ein Erbstück aus Großmutters Zeiten nur einen Erinnerungswert darstellt, aber nicht mehr.
Schmuckwerte im Wandel der Zeit
Preziosen aus der Familienschatulle werden oft genug bei näherer Untersuchung als Synthesen entlarvt. Da entpuppt sich z. B. ein schöner Aquamarin aus den 20er Jahren als synthetischer Spinell. In den Golden Twenty’s war Aquamarin Schick und Mode. Diese Klunker wurden mehr nachgefragt als die brasilianischen Minen es hergaben. Klar, dass man rasch "preiswerten" Ersatz schuf.
Beachtenswert: Die Wertbeimessung eines Edelsteins ist über der Zeit nicht konstant. So zahlte man 1932 z. B. für einen Smaragd 2,5 mal soviel wie für einen Rubin (475 zu 190 US-$ pro Karat). Heute hat sich das Preisverhältnis umgekehrt, die Absolutpreise liegen allerdings wesentlich höher.
Preisvergleich zur Inflation in den 70er Jahren
Welche Lehre kann man daraus ziehen? Zu Beginn des jetzigen konjunkturellen Winters ist ein Verkauf von Preziosen aus privater Hand nicht ratsam. Man erzielt einen lächerlichen Preis. Anderseits ist das gerade die Zeit der Schnäppchenjäger. Mit steigender Inflation werden gerade diese mobilen Sachwerte eine Renaissance erleben wie in den 70er Jahren. Zum Vergleich: 1976 kostete ein Spitzendiamant etwa soviel wie heute. Sein Wert verzehnfachte sich bis 1980. Auch der Goldpreis erlebte sein Hoch, denn er stieg von 1976 bis 1980 von 100 US-$ bis auf 850 US-$. Noch eklatanter war es bei Silber, das sich im gleichen Zeitraum mehr als verzehnfachte. Die Sachwerte-Hausse könnte sich bis Ende des Jahrzehnts in ähnlich fulmi-nanter Weise entwickeln.
Eigenheiten des Konjunkturwinters erkennen und nutzen
Langsam müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die Industrie-Aktien ihr Hoch gesehen haben und dass die Rohstoffe auf breiter Front angezogen haben; man beachte den starken Anstieg des CRB-Index. Gewisse Sachwerte haben bereits ihr Tief nach zwei Jahrzehnten des Niedergangs überwunden. Außerdem ist noch in diesem Jahr mit einem Zinsanstieg zu rechnen. Das wäre der Auftakt zu einem ersten von insgesamt drei Inflationsschüben. Wir befinden uns an einem weltwirtschaftlichen Wendepunkt, der einem Paradigmawechsel gleich kommt. Gerade zu diesem Zeitpunkt kann man durch Fehleinschätzung am meisten Geld verlieren oder gewinnen. Sicherheit im Depot ist aus zwei Gründen angesagt:
die geopolitische Lage ist dramatisch labil,
die Weltwirtschaft marschiert stramm in Richtung Inflation.
Wegen dieser latenten Gefahrenquellen muß man ein gerüttelt Maß an Sicherheit in sein Portefeuille einbauen, und die heißt faßbare Sachwerte. Aber nicht irgend welche, sondern Sachwerte von erlesener Qualität. Versetzen Sie sich in die Lage eines Käufers, dem Sie irgendwann einmal Ihr gutes Stück verkaufen wollen. Nur höchste Qualität und Seltenheit bieten keinen Anlaß zum Mäkeln, also zur Preisminderung. Beispielsweise wird ein fünfkarätiger (das ist 1 Gramm) Burma-Rubin der Spitzenqualität auf der Welt nur vereinzelt pro Jahr gefunden. Die Rubin-Minen sind nahezu erschöpft. Diese extreme Seltenheit des Rubins wird selbst in schlechten Zeiten hoch bewertet. Dafür gibt es immer einen Markt, etwa Auktionen. Der Preis für diese mobilen und zudem anonymen Raritäten ist vergleichbar mit dem Kaufpreis einer stattlichen Immobilie. Große und dabei feine Rubine sind die einzigen kommerziellen Farbsteine, die seit Jahren immer weniger gefunden werden und im Preis nachhaltige steigen!
Akkumulieren Sie Sachwerte, meiden Sie reine Sammlerstücke
Zu Beginn eines Konjunkturwinters gibt es sowohl Deflation als auch Inflation. Das erzeugt beim Verbraucher einen Deflätismus: eine ängstliche Schwarzmalerei mit lähmender Verunsicherung. Bleiben Sie als Antizykliker gelassen, geben Sie Ihrem Depot Sicherheit durch physische Edelmetalle, verschleudern Sie jetzt nicht Ihre lang gehegten Klunker zu Tiefpreisen, meiden Sie Sammlerstücke mit Liebhaberwert wie Briefmarken, Sammlermünzen und Sammlersteine, wenn Sie nicht gerade ein Spezialist auf diesem Gebiet sind.
© Hans Jörg Müllenmeister
Das Auf und Ab der Konjunktur richtig einschätzen
Seine Engagements sollte man im Kontext zur wirtschaftlichen und politischen Großwetterlage sehen. Die Konjunktur ist keine lineare Größe, sie verläuft über der Zeit typisch in Wellen. Die Kunst des antizyklischen Anlegers ist es, eine Ware gerade im Wellental zu erwischen, und das gute Stück am Hoch des Wellenkamms zu verkaufen, also entgegen der allgemeinen Laufrichtung der Anleger-Lemminge. Diese Witterung - wo bläst der Wal? wird vielfach verdeckt durch das Auslegen einer irritierenden Duftspur an Desinformation durch die Medien. Tagesereignisse können kurzfristig die Langzeitperspektive verfälschen. Disziplin und Selbstüberwindung gehören dazu, wenn der Anleger entgegen dem allgemeinen Meinungsbild am Tief auf Einkaufstour geht, seine Gier bezwingt und in der Nähe des Hochs rechtzeitig wieder verkauft. Bei Kauf- oder Verkaufsabsichten ist es unbedingt notwendig, die historische Preisentwicklung der Ware zu kennen, damit man nicht gerade an den Preiswen-depunkten (Hoch, Tief) falsch agiert. Dabei ist eine Resistenz gegenüber der allgemeinen Stimmungslage nützlich.
Der sekundäre (private) Goldmarkt ist ausgetrocknet
Noch vor einigen Jahren, beim 253-US-$-Doppeltief des Goldpreises, beobachtete ich im An- und Verkaufsbereich ein bekanntes psychologisches Phänomen: Scharenweise trugen die Privaten ihre Goldbarren und Goldmünzen zum Händler mit der entschuldigenden Erklärung: Das Zeug liegt schon ewig bei mir herum; Gold wird ja immer weniger wert. Doch was heißt ewig? Meist waren das nämlich die Krüger Rand-Münzen, die am Goldhoch 1980 teuer gekauft wurden. Zu diesem Zeitpunkt verkündete das Blatt mit den vier Buchstaben "Leute kauft Gold". Und eben dieses Blatt verkündete zum Goldtief, daß Gold sogar auf 36 US-$/Unze fallen würde. "Contrary opinion" ist angesagt!
Heute ist es relativ unwahrscheinlich, dass ein Privatanleger sein Gold zum Markte trägt. Dabei ist Gold seit seinem Tief nachhaltig im Preis gestiegen. Die ersten smarten Privatanleger sind bereits auf der Kaufseite zu finden. Langsam werden die geplünderten Schatzkästchen wieder mit Gold und Silber aufgefüllt.
Sündteure Anlagediamanten jetzt im Preiskeller
Und was wurde aus den sogenannten Anlagediamanten, die um 1980 für horrendes Geld gierig vom Publikum gekauft wurden? Hier erfuhr gerade der enttäuschte Anleger eine Höllenfahrt ins Nichts. Aus meiner Praxis sind mir wahre Verkaufsdramen bekannt. Typisches Beispiel: Ein Einkaräter-Brillant (1ct gleich 0,2 gr) der Top-Qualität (River D, lupenrein, Schliff und Proportio-nen sehr gut) erzielte 1980 einen Preis von 64.000 DM. Für diesen Spitzenstein zahlt Ihnen derzeit ein Händler im An- und Verkaufsbereich um die 3.000 Euro, ein Verlust von über 90%, wohlgemerkt noch nicht einmal inflationsbereinigt. Eingedenk dieser Tatsache fällt es immens schwer, selbst zu diesem Schnäppchenpreis einen Spitzenstein zu erwerben; er könnte ja noch billiger werden. Das ist eine kaufpsychologische Binsenweisheit. Einem Diamantenbesitzer, der nicht gerade in Geldnot steckt, also verkaufen muß, rate ich weiter abzuwarten bis die Diamantpreise wieder anziehen, hochstehender noch, er verschenkt das Juwel zur gemeinsamen Freude an seine Geliebte. Offen gesagt: Die Crux bei Diamanten ist, dass der Normalverbraucher in der Regel nur am Ende der Handelskette - am Ende der Pipe wie man im Diamantenhandel sagt - einkaufen kann. Dann hat der Diamant bereits schon einige Preisaufschläge von der Schleiferei bis zum Einzelhandel hinter sich. Hinzu kommt, dass Diamanten weltweit auf Dollarbasis gehandelt werden, also mit dem Währungsrisiko Dollar-Euro behaftet sind.
Farbedelsteine versus Diamanten
Nach meinen Beobachtungen sieht es in der Praxis bei den erzielten Preise im Farbsteinbereich ähnlich kläglich aus, ja oft sogar noch unerfreulicher. Der Markt ist mausetot. Warum? Generell lassen sich Farbsteine nicht wie Diamanten graduieren, also nach internationalen Richtlinien in der Qualität bewerten. Das ist ein komplexes Bewertungsfeld, weil sich das Wesentliche, die Farbe nämlich, nicht ohne weiteres objektivieren läßt. Jeder empfindet "Farbe" subjektiv, demnach kommt es auch zu einer subjektiven Preisfindung. Zwar gibt es zu gewissen Steinen eine international anerkannte Spitzenfarbe, die letztlich mit der Seltenheit zu tun hart: etwa das Kornblumenblau eines Kaschmir-Saphirs, das Taubenblutrot eines Burma-Rubins oder die Tief-bläue eines Santa Maria-Aquamarins. Dagegen ist die sogenannte Gelbsättigung (Farbe) eines Diamanten in definierten Schritten genormt und mit Referenzsteinen vergleichbar.
Steht ein Farbstein zum Verkauf an, dann kann man auf der Käuferseite nach Gutdünken allein beim Farbeindruck gegenüber dem Unkundigen Abschläge vornehmen und damit das gute Stück gnadenlos in den Preiskeller treiben, vor allem in der heutigen angespannten Konjunkturlage wo das Geld festsitzt. Da kann es durchaus zu einem Preisabschlag von 95%, bezogen auf den Kaufpreis kommen.
Schmuck oder Schmu, das ist hier die Frage
Ähnlich eklatant ist die Preissituation bei Schmuckstücken aller Art, die aus heimischer Schmuckschatulle u. U. buchstäblich für einen Apfel und ein Ei hergegeben werden. Meist bezieht ein Ankäufer einen einzelnen Farbstein - etwa einen Solitär in einem Ring - erst gar nicht in die Bewertung ein, sondern nur das einschmelzbare "Bruchgold". Damit wird eventuell ein verschmutzter, indessen aber wertvoller Farbstein in seinem Wert auf Null gestellt. Mir ist ein Fall bekannt, wo ein gelblichbrauner Einkaräter nicht mehr von den Ringkrappen gefaßt, sondern völlig inkrustiert eingeklebt war. Nach dem Befreien des Diamanten aus seinem alten "Klebebett" und seiner Reinigung kam ein Diamant der Spitzenklasse zum Vorschein. Der Händler bekam mit dem Goldring einen River D zum Nulltarif als "Zubrot". Dagegen können bestimmte historische Schmuckstücke in ihrer Original-Schmuckschatulle über ihren reinen Materialwert hinaus einen fairen Preis erzielen. Meist ist es aber so, dass der private Verkäufer mit einer überzogenen Preisvorstellung kommt. Oft ist ihm nicht bewußt, dass ein Erbstück aus Großmutters Zeiten nur einen Erinnerungswert darstellt, aber nicht mehr.
Schmuckwerte im Wandel der Zeit
Preziosen aus der Familienschatulle werden oft genug bei näherer Untersuchung als Synthesen entlarvt. Da entpuppt sich z. B. ein schöner Aquamarin aus den 20er Jahren als synthetischer Spinell. In den Golden Twenty’s war Aquamarin Schick und Mode. Diese Klunker wurden mehr nachgefragt als die brasilianischen Minen es hergaben. Klar, dass man rasch "preiswerten" Ersatz schuf.
Beachtenswert: Die Wertbeimessung eines Edelsteins ist über der Zeit nicht konstant. So zahlte man 1932 z. B. für einen Smaragd 2,5 mal soviel wie für einen Rubin (475 zu 190 US-$ pro Karat). Heute hat sich das Preisverhältnis umgekehrt, die Absolutpreise liegen allerdings wesentlich höher.
Preisvergleich zur Inflation in den 70er Jahren
Welche Lehre kann man daraus ziehen? Zu Beginn des jetzigen konjunkturellen Winters ist ein Verkauf von Preziosen aus privater Hand nicht ratsam. Man erzielt einen lächerlichen Preis. Anderseits ist das gerade die Zeit der Schnäppchenjäger. Mit steigender Inflation werden gerade diese mobilen Sachwerte eine Renaissance erleben wie in den 70er Jahren. Zum Vergleich: 1976 kostete ein Spitzendiamant etwa soviel wie heute. Sein Wert verzehnfachte sich bis 1980. Auch der Goldpreis erlebte sein Hoch, denn er stieg von 1976 bis 1980 von 100 US-$ bis auf 850 US-$. Noch eklatanter war es bei Silber, das sich im gleichen Zeitraum mehr als verzehnfachte. Die Sachwerte-Hausse könnte sich bis Ende des Jahrzehnts in ähnlich fulmi-nanter Weise entwickeln.
Eigenheiten des Konjunkturwinters erkennen und nutzen
Langsam müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die Industrie-Aktien ihr Hoch gesehen haben und dass die Rohstoffe auf breiter Front angezogen haben; man beachte den starken Anstieg des CRB-Index. Gewisse Sachwerte haben bereits ihr Tief nach zwei Jahrzehnten des Niedergangs überwunden. Außerdem ist noch in diesem Jahr mit einem Zinsanstieg zu rechnen. Das wäre der Auftakt zu einem ersten von insgesamt drei Inflationsschüben. Wir befinden uns an einem weltwirtschaftlichen Wendepunkt, der einem Paradigmawechsel gleich kommt. Gerade zu diesem Zeitpunkt kann man durch Fehleinschätzung am meisten Geld verlieren oder gewinnen. Sicherheit im Depot ist aus zwei Gründen angesagt:
Wegen dieser latenten Gefahrenquellen muß man ein gerüttelt Maß an Sicherheit in sein Portefeuille einbauen, und die heißt faßbare Sachwerte. Aber nicht irgend welche, sondern Sachwerte von erlesener Qualität. Versetzen Sie sich in die Lage eines Käufers, dem Sie irgendwann einmal Ihr gutes Stück verkaufen wollen. Nur höchste Qualität und Seltenheit bieten keinen Anlaß zum Mäkeln, also zur Preisminderung. Beispielsweise wird ein fünfkarätiger (das ist 1 Gramm) Burma-Rubin der Spitzenqualität auf der Welt nur vereinzelt pro Jahr gefunden. Die Rubin-Minen sind nahezu erschöpft. Diese extreme Seltenheit des Rubins wird selbst in schlechten Zeiten hoch bewertet. Dafür gibt es immer einen Markt, etwa Auktionen. Der Preis für diese mobilen und zudem anonymen Raritäten ist vergleichbar mit dem Kaufpreis einer stattlichen Immobilie. Große und dabei feine Rubine sind die einzigen kommerziellen Farbsteine, die seit Jahren immer weniger gefunden werden und im Preis nachhaltige steigen!
Akkumulieren Sie Sachwerte, meiden Sie reine Sammlerstücke
Zu Beginn eines Konjunkturwinters gibt es sowohl Deflation als auch Inflation. Das erzeugt beim Verbraucher einen Deflätismus: eine ängstliche Schwarzmalerei mit lähmender Verunsicherung. Bleiben Sie als Antizykliker gelassen, geben Sie Ihrem Depot Sicherheit durch physische Edelmetalle, verschleudern Sie jetzt nicht Ihre lang gehegten Klunker zu Tiefpreisen, meiden Sie Sammlerstücke mit Liebhaberwert wie Briefmarken, Sammlermünzen und Sammlersteine, wenn Sie nicht gerade ein Spezialist auf diesem Gebiet sind.
© Hans Jörg Müllenmeister