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Investieren Sie in Rohstoffe und behalten Sie ihr letztes Hemd

30.11.2006  |  Redaktion
Kürzlich erwähnte ich bei einer Party in New York, dass ich vor verschiedenen Gruppen in den USA und in Europa über die Möglichkeiten gesprochen habe in Rohstoffe zu investieren. Noch ehe ich ein Wort herausgebracht hatte, wurde ich von einer Frau unterbrochen. "Rohstoffe", rief sie aus, mit einer Ungläubigkeit, die die Leute aus New York eigentlich den Menschen vorbehalten, die nach Los Angeles ziehen. "Mein Bruder hat in Schweinebäuche investiert und sein letztes Hemd verloren. Und er ist ein Wirtschaftler."

Jeder scheint irgendwo einen Verwandten zu haben, der am Rohstoffmarkt Schläge einstecken musste und allein diese Tatsache (oder dieses Märchen) soll als Grund hinreichen, dass kein Mensch bei Verstand jemals wieder riskieren würde, sich auf derart gefährliche Dinge einzulassen. Und dass in diesem besonderen Fall das Opfer auch noch ein Wirtschaftler war, macht die ganze Warnung noch verhängnisvoller. Ich konnte jedoch nicht anders und musste lachen.

Milliarden von Dollar werden täglich in Rohstoffe investiert. Ohne den Futuresmarkt der Rohstoffe wären viele Dinge, die Sie täglich brauchen, entweder knapp oder nicht existent - aber mit Sicherheit deutlich teurer. Dazu gehört die erste Tasse Kaffee am Morgen genauso wie das Aluminium in den Sturmtüren und die Wolle Ihres neuen Anzuges.

Es ist natürlich klar, dass jede Investition Risiken birgt. Viele, die einen Doktorgrad in Wirtschaft haben, haben Geld im Dot-com Debakel verloren. (Am Neujahrstag des Jahres 2002 veröffentlichte das Wall Street Journal seine jährliche Umfrage unter Wirtschaftswissenschaftler für das kommende Jahr. Obwohl die Wirtschaft seit fast einem Jahr hinterherhinkte, dachte nicht einer der 55 befragten Wissenschaftler, dass ein ernster Rückgang bevorstünde. Hundert Prozent der Wissenschaftler lagen falsch - und haben so bewiesen, dass Doktoren der Wirtschaftswissenschaften ebenso anfällig für die Massenpsychologie sind wie der Rest von uns.)

Es kursieren verschiedene Binsenwahrheiten, warum "einfache Leute" nicht in Rohstoffe investieren sollten und ich würde diese Mythen gerne ein für alle mal begraben, so dass wir uns interessanteren Themen zuwenden können, z.B. der Frage, wie Sie anfangen können etwas Geld zu investieren, indem Sie in die Vermögenswertklassen der nächsten Generation investieren.

Und was diesen "Verwandten von Ihnen, den es das letzte Hemd gekostet hat" angeht - er hatte keine Erfahrung. Sie können jedoch noch etwas lernen. Wahrscheinlich hat er mit nur wenig Eigenkapital und stattdessen stark auf Kredit gekauft, und als sich der Markt dann gegen ihn gewendet hat, da hat er im großen Stile sein Geld verloren.

Anders als bei Aktien, bei denen man per Gesetz verpflichtet ist, mindestens 50% des Aktienpreises einzulegen, können die Margins bei Rohstoffen sogar noch unter 5% liegen. Man kann Sojabohnen im Wert von 100 Dollar für 5 Dollar kaufen. Wenn die Sojabohnen auf 105 Dollar steigen, dann haben Sie ihr Geld verdoppelt. Schön. Aber wenn sie um 5 Dollar fallen, dann haben Sie alles verloren. Und das ist nicht so schön.

Erfahrene und kluge Spekulanten können Tonnen von Geld machen, indem sie auf Margin kaufen. Sie wissen aber auch, dass sie Tonnen von Geld verlieren können. Sie können es sich nur normalerweise auch leisten. Ihr Verwandter hat sich jedoch vollständig verausgabt. Wenn er die Sojabohnen im Wert von 100 Dollar in der gleichen Weise gekauft hätte wie er IBM kauft - für 100 Dollar oder wegen mir auch nur für 50 Dollar) - dann wäre er auch glücklich gewesen, wenn die Bohnen um 5 Dollar gestiegen wären, aber deutlich weniger traurig, als sie um 5 Dollar fielen.

"Doch wie steht es mit der Technologie?"

Immer dann, wenn ich Rohstoffe in der Öffentlichkeit erwähne, weist immer irgendwer darauf hin, dass wir heute in einer High-Tech Wirtschaft leben, in der die natürlichen Ressourcen nie wieder so viel wert sein werden, wie zu den Zeiten, als wir noch die veraltete Schwerindustrie hatten. Aber wenn Sie Geschichtsbücher lesen, dann werden Sie feststellen, dass die technologischen Fortschritte genauso alt sind wie die Geschichte selbst: Die Einführung der schnellen und schönen Klipper hat der Welt Mitte des 19. Jahrhunderts den Atem geraubt, wenn sie mit Fracht beladenen die Handelswege mit 20 Knoten und mehr entlang segelten und damit im Schnitt in der Lage waren, 400 Meilen in 24 Stunden zurückzulegen und es in 80 Tagen schafften, von den amerikanischen Häfen in der Nähe von Kap Horn nach Hongkong zu reisen. Innerhalb eines Jahrzehnts waren die Klipper von den Dampfschiffen abgelöst, die zwar nicht schneller, aber weniger abhängig von der Windkraft fuhren. Und ehe man sich versah, hatte schon das nächste Transportmittel das Ruder übernommen. Die Eisenbahn, die natürlich die Vorlage des Internets darstellt - und dennoch sind die Preise für Rohstoffe auch weiterhin gestiegen.

Das 20. Jahrhundert brachte die Elektrizität, das Telefon und das Radio (drei weitere Entsprechungen für das Internet heutzutage) und dann das Fernsehen (ein viertes Internet). Und dann noch das Auto, das Flugzeug, die Halbleiter - und inmitten dieser wirklich revolutionären technologischen Durchbrüche kamen periodische, mehrjährige Bullenmärkte für Rohstoffe.

Selbst ein revolutionärer technologischer Durchbruch in einem bestimmten, Rohstoff-bezogenen Industriezweig senkt nicht notwendigerweise die Preise. Jahrzehntelang war es quasi unmöglich, tiefer als 1.500 Meter oder vor der Küste nach Öl zu bohren. Dann wurde in den 1960 der Diamantbohrer von Hughes erfunden und eine Explosion der technologischen Fortschritte im Bereich der Ölförderung folgte. Es wurde eine Effizienz des Bohrens - und der Öllagerung - erreicht, die vor diesen Durchbrüchen undenkbar gewesen wäre. Schon bald gab es Quellen, die 8.000 Meter tief bohrten und auch die Ölplattformen vor der Küste vermehrten sich überall auf der Welt. Dennoch sind die Ölpreise in den Jahren zwischen 1965 und 1980 um mehr als 1.000% in die Höhe geschossen.

Wenn Angebot und Nachfrage bei Rohmaterialen gründlich durcheinander geraten, dann führt das Auftauchen neuer Technologien nicht zwangsläufig dazu, dass die Balance schnell wieder hergestellt wird. Die technologischen Veränderungen haben natürlich auch dazu beigetragen, dass die Wirtschaft weniger von Öl abhängig ist. Aber wir verbrauchen immer noch eine ganze Menge davon und immer wenn es nicht genug gibt, dann steigen die Preise. Computer und Roboter leisten ganz beachtliche Dinge, aber sie können nicht nach Kupfer oder Öl suchen, wo es keins gibt oder Zucker, Baumwolle, Kaffee und Vieh schneller wachsen lassen als die Natur zulässt. Wir können den lieben langen Tag Bestellungen für Blei eingeben, doch die gesamte Internettechnologie ist vergebens, wenn es keine neuen Bleiminen gibt. Diese Technologie kann uns weder ernähren noch wärmen und die Nachfrage nach Rohstoffen wird niemals verschwinden.

"Aber sind es nicht ausschließlich die Spekulation und der günstige Dollar, die dazu führen, dass die Preise steigen?"

Natürlich können Spekulanten, die immer wieder an den Markt gehen und dann wieder aussteigen, die Preise nach oben treiben. Und auch der Dollar ist nur noch ein bleicher Schatten seiner selbst - im Vergleich zum Dollar zwischen Anfang 2002 bis Anfang 2004 und auf dem geringsten Wert verglichen mit dem japanischen Yen seit drei Jahren. Da die Rohstoffe in Dollar gehandelt werden, lässt ein schwacher Dollar die Preise höher erscheinen. Rohöl ist in Dollar innerhalb dieser zwei Jahre um 64% gestiegen, in Euro jedoch nur um 16%.

Doch der Dollar wurde im Frühjahr 2004 wieder stärker und etwas seltsames passierte: Die Rohstoffpreise stiegen dennoch weiter. Die weltweite Erholung, ganz besonders in Asien, war echt. Heute beobachten wir einen grundlegenden Strukturwandel am Rohstoffmarkt und der heißt "Nachfrage" und "China", eine Nation, die in den folgenden Jahren außerordentliche Mengen an Rohstoffen aller Art verbrauchen wird. Ich werde den Grund dafür später detailliert erklären. Bis dahin soll es reichen, wenn ich sage: schrumpfendes Angebot und steigende Nachfrage.

Und der Dollar hat mit beidem nichts zu tun. Ich will Sie auch an die Siebziger erinnern, als die Inflation in den USA bei ungefähr 10 Prozent im Jahr lag und der Dollar nicht mehr annähernd das kaufen konnte, was einst üblich war. Die Wirtschaft befand sich in einer anständigen Rezession - doch die Rohstoffpreise stiegen weiter. Heute sprechen wir über einen weiteren langfristigen Bullenmarkt bei Rohstoffen und weder die Spekulanten noch der schwache Dollar können das erklären. Spekulanten haben nur kurzfristige Auswirkungen. Wenn sie beispielsweise die Preise für Öl künstlich nach oben treiben, dann werden die Ölproduzenten, die überschüssige Vorräte haben, diese fröhlich auf den Markt werfen, bis sie die Preise so wieder nach unten getrieben haben. Sowohl der Dollar als auch die Spekulation haben nur einen marginalen Effekt, doch der Markt selbst ist größer als beide.

"Aber mein Aktienbroker hat gesagt, dass es riskant ist, in Rohstoffe zu investieren."

Wie war das noch mal mit all den Cisco Aktien, die Sie 2000 besaßen? Oder JDS Uniphase oder Global Crossing? So viele dieser riskanten Aktien haben den Jahrtausendwechsel für den einen oder anderen, der zusehen musste, wie sich das Portfolio in Luft auflöste, nicht so glücklich aussehen lassen.

Wenn Sie Ihre Hausaufgaben machen und vernünftig und verantwortungsbewusst bleiben, dann können Sie vermutlich mit geringerem Risiko in Rohstoffe investieren als wenn Sie am Aktienmarkt spielten. Ich brauche wohl nicht zu betonen, dass das Investieren immer mit Risiken verbunden ist. Aber ich will Sie auf etwas hinweisen, was Ihnen vielleicht bislang noch nicht aufgefallen ist: Der Nasdaq zeigte in den vergangenen Jahren mehr Volatilität als irgendeiner der Rohstoffindizes. Cisco, Yahoo! und sogar Microsoft waren deutlich volatiler als Sojabohnen, Zucker oder Metalle. Verglichen mit den Risken der meisten Technologieaktien, wirken Rohstoffe sicher genug, um eine Rolle in den "Witwen- und Waisenfonds" einer jeden Organisation zu spielen.

Laut einer Studie der Universität Yale mit dem Titel "Tatsachen und Phantasien über die Rohstoff-Futures" passen die "hohen Risiken" des Investierens in Rohstoffe nicht mit den Tatsachen zusammen. Verglichen mit den Gewinnen für Aktien, Rohstoffe und Anleihen zwischen 1959 und 2004 stellten die Autoren fest, dass die durchschnittlichen jährlichen Gewinne ihrer Rohstoffindizes „mit den Gewinnen des S&P500 vergleichbar“ waren. Die Gewinne aus den Rohstoffen und dem S&P500 schlagen die aus den Unternehmensanleihen während der gleichen Zeit. Sie stellten fest, dass die Volatilität der Rohstoff-Futures, die sie analysierten, leicht unter denen der Aktien im S&P500 lagen. Sie fanden zudem Beweise, dass "Wertpapiere im Vergleich zu Rohstoffen ein höheres Risiko des Kursrückgangs aufweisen."

Und wie sieht es damit aus, Anteile bei den Rohstoff produzierenden Unternehmen zu kaufen, anstelle der Rohstoffe selbst? Das markiert ungefähr die Grenze dessen, wie weit die Finanzberater bereit sind zu gehen, wenn es um Rohstoffe geht. Doch Geld in diese Unternehmen zu investieren, kann sich schnell als noch riskantere Wette erweisen, als die Rohstoffe gleich selbst zu kaufen. Angebot und Nachfrage bewegen beispielsweise den Kupferpreis, während der Aktienpreis von Phelps Dodge, dem größten öffentliche getradeten Kupferunternehmen von deutlich weniger vorhersehbaren Faktoren abhängen kann, wie z.B. den allgemeinen Bedingungen des Aktienmarktes, dem Bilanzbogen des Unternehmens, den Geschäftsführern, Arbeitsproblemen, Umweltthemen und so weiter. Der Ölpreis ist in den 1970er Jahren in den Himmel geschossen, doch einigen Ölfirmen ging es nicht so gut. Die Studie aus Yale stellte fest, dass das Investieren in Rohstoffunternehmen nicht unbedingt ein Ersatz für Rohstofffutures ist. Den Autoren fiel auf, dass zwischen 1962 und 2003, "die allgemeinen Leistungen der Futures dreimal so hoch lagen, wie die allgemeinen Leistungen der "dazu gehörenden" Wertpapiere."

Und dann möchte ich Sie noch an einen der wichtigsten Unterschiede zwischen Rohstoffen und Aktien erinnern: Rohstoffe können nicht wertlos werden, während Aktien von Enron es können (und auch taten).


© Jim Rogers
Quelle: Auszug aus dem kostenlosen Newsletters "Trader´s Daily"





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