Gipfelsturm am Schuldenberg
17.01.2007 | Peter Boehringer
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Der jährlich erscheinende offizielle Bericht über die Finanzlage der USA ist immer wieder sehr erhellend. Wohl deshalb wurde diese Staatsbilanz dieses Mal an einem Freitagabend in der Weihnachtszeit veröffentlicht. Dabei ist "veröffentlicht" nicht das richtige Wort - denn die US-Medien haben den immerhin 170 Seiten starken offiziellen Bericht geflissentlich ignoriert. Dies trotz der vernichtenden Aussage des "Comptroller General", er könne wegen fehlender, intransparenter oder unzureichender Daten und inkonsistenter Berichtssysteme (vor allem beim Verteidigungsministerium, bei den Sozialversicherungen und bei der Homeland Security) "keine Meinung" dazu äußern. Im Klartext: Die weltweit größte Bilanz hat kein Testat des Chefauditors bekommen.
Der Bericht definiert wie immer u.a. die Gesamtverschuldung des US-Staats - gemeint ist nur der Bundesstaat (also ohne Verschuldung der Einzelstaaten und der Kommunen etc.). Dabei wird ein Net Asset Value der Schulden berechnet - dies übrigens mit einem sehr hohen Diskontierungssatz von 5,75%, der den Schulden-NAV eher zu gering ausweist.
Für das Fiskaljahr 2006 (bis 30.9.) weisen die USA eine Gesamtschuld von ca. 53 Billionen (=trillions) Dollar aus. Das ist ein Wachstum von 4,5 Billionen Dollar ggü. dem Vorjahr - oder +9,3%. Dabei machen die "expliziten" bzw. "on-balance-sheet" Positionen (laufende Kosten, laufende Steuer- und Gebühreneinnahmen) mit knapp 0,5 Billionen Dollar nur etwa 1/10 der Steigerung aus. Der Löwenanteil von 4 Billionen Dollar (oder 9/10 der Veränderung) kommt aus den "impliziten" bzw. "off-balance-sheet" Positionen. Dies sind v.a. Renten- und Krankenversicherungs-Verpflichtungen ("Medicare").
Zur Einordnung: Die explizit ausgewiesene Verschuldung (8,9 Billionen) beträgt bezogen auf das jährliche US-BIP etwa 70%. Die Gesamtverschuldung liegt schon bei über 420% des BIP! Anders ausgedrückt: Die gesamte amerikanische Nation müsste jetzt schon über vier Jahre nur für die Schuldentilgung bzw. Reservenbildung für ihre Rentner und Kranken arbeiten. Am Stück und ohne Gehaltszahlungen! Die deutschen Werte liegen übrigens in ähnlichen Größenordnungen - aber das nur nebenbei.
Shocking? Nein - doch nicht für ein Land mit Triple-A-Rating und Kreditwürdigkeit mit Ewigkeitsgarantie!
Zwar sollte man nicht ganz vergessen, dass in naher Zukunft ein dann schnell wachsender Teil dieser Schulden liquiditätswirksam wird: Die ersten Babyboomer, die ja den Löwenanteil der impliziten Verschuldung als Renten- und Medicare-Anspruch "besitzen", werden ab etwa 2008/10 in Rente gehen. Dann wird die implizite Verschuldung peu à peu im "on-balance-sheet"-Teil der o.g. Rechnung auftauchen. Und davon ist ein Großteil dann liquiditätswirksam. Trotzdem kann die Verschuldung im Prinzip durchaus noch einige Zeit lang mit über 10% p.a. wachsen. Seit 2000 lag das Schuldenwachstum im Jahresmittel bei fast 15%. Insofern war 2006 ein "moderates" Jahr. Der Zuwachs lag sogar noch ein kleines Stück unter der M3-Steigerung von über 10,4%.
Die wahre Inflation (Geldmengensteigerung abzgl. BIP-Veränderung) lag 2006 bei angenommenem offiziellen US-BIP-Wachstum von ca. 3,5% bei über 6,9%! Die Realverzinsung betrug damit 2006 etwa -1,6%! Das gab es selbst in den stagflationären Siebzigern nur selten...
In Europa sieht die Situation nicht besser aus. Offizielles M3-Geldmengen"ziel" der EZB ist übrigens +4,5%... Von China (Geldmengensteigerung 2006 >16%), Indien (ca. 20%) und fast allen anderen Ländern sei lieber ganz geschwiegen. Es handelt sich um einen (fast) weltweiten Papiergeldexzess. Die medienwirksam geführten Diskussionen um den "richtigen" Leitzinssatz bzw. um "strenge" oder "großzügige" Leitzinspolitik müssen ohne gleichzeitige Betrachtung der Geldmengensteigerungen heute als Ablenkungsmanöver gelten! So lenken auch Chefvolkswirte öffentlich gerne ab - wie z.B. am 7. Januar Prof. Norbert Walter von der Deutschen Bank: "In den fünf Jahren des Euro betrug der Anstieg der Verbraucherpreise im Durchschnitt 1,6% pro Jahr. Damit lag der Anstieg weit unter dem durchschnittlichen Preisanstieg in den fünfzig Jahren D-Mark von 2,9%. Bei solchen Relationen den Euro als Teuro zu kennzeichnen, reflektiert mangelnde Bereitschaft, die Wirklichkeit wahrzunehmen." Tja Herr Professor: Das geben wir gerne zurück an Sie. Wir würden auch gerne glauben, dass Sie es wirklich nicht besser wissen. Leider wird die "WELT am Sonntag" wohl keine Gegendarstellung drucken…
Die Wechselkurse der Papierwährungen untereinander reflektieren heute kaum noch die traditionellen Determinanten "Wirtschaftskraft" und "Finanzdisziplin" der jeweiligen Länder. Sie verkommen zunehmend zu nichtssagenden, zufälligen oder gar manipulierbaren Tauschgrößen, weil fast alle großen konvertiblen Währungen mehr oder weniger Derivate des US-Dollars sind. Dies würde sich erst ändern, wenn die reichen Exportüberschuss-Staaten endlich ihre Währungsreserven aus dem US-Dollar diversifizierten. Einige haben damit bereits (heimlich) angefangen. Selbst China als größter Dollar-Halter wird irgendwann aufhören, noch mehr US-Dollars zu horten. Nur die EZB und speziell die Bundesbank werden wohl zu den Letzten gehören, die ihre über 80%igen Dollar-Quoten bei den Währungsreserven herunterfahren…
Seit 93 Jahren gibt das Fed-System nunmehr über kostenlosen "sovereign credit" zuverlässig grüne Scheinchen in beliebigen Mengen her. Noch können sich die USA als souveränes Imperium theoretisch jederzeit problemlos entschulden. Noch ist daher Triple-A begründbar. Aber alles, was nicht ewig so weitergehen kann, muss einmal enden. In unserer endlichen Welt gilt dies insbesondere für exponentielle Geldmengen- und Verschuldungsentwicklungen. Vielleicht kann die Fed ihren 100sten Geburtstag an Weihnachten 2013 noch feiern. Allerdings nur, falls nicht die SCO-Staaten oder kaskadisch ablaufende, unkontrollierbare Konkurse von Hedge Fonds und Banken das Treiben im Schulden- und Derivatedschungel schon früher beenden werden.
Sie fragen, in was man diversifizieren kann, wenn es keine Dollarderivate mehr sein sollen? Got physical Gold and Silver?!
© Peter Boehringer
www.pbvv.de
Der jährlich erscheinende offizielle Bericht über die Finanzlage der USA ist immer wieder sehr erhellend. Wohl deshalb wurde diese Staatsbilanz dieses Mal an einem Freitagabend in der Weihnachtszeit veröffentlicht. Dabei ist "veröffentlicht" nicht das richtige Wort - denn die US-Medien haben den immerhin 170 Seiten starken offiziellen Bericht geflissentlich ignoriert. Dies trotz der vernichtenden Aussage des "Comptroller General", er könne wegen fehlender, intransparenter oder unzureichender Daten und inkonsistenter Berichtssysteme (vor allem beim Verteidigungsministerium, bei den Sozialversicherungen und bei der Homeland Security) "keine Meinung" dazu äußern. Im Klartext: Die weltweit größte Bilanz hat kein Testat des Chefauditors bekommen.
Der Bericht definiert wie immer u.a. die Gesamtverschuldung des US-Staats - gemeint ist nur der Bundesstaat (also ohne Verschuldung der Einzelstaaten und der Kommunen etc.). Dabei wird ein Net Asset Value der Schulden berechnet - dies übrigens mit einem sehr hohen Diskontierungssatz von 5,75%, der den Schulden-NAV eher zu gering ausweist.
Für das Fiskaljahr 2006 (bis 30.9.) weisen die USA eine Gesamtschuld von ca. 53 Billionen (=trillions) Dollar aus. Das ist ein Wachstum von 4,5 Billionen Dollar ggü. dem Vorjahr - oder +9,3%. Dabei machen die "expliziten" bzw. "on-balance-sheet" Positionen (laufende Kosten, laufende Steuer- und Gebühreneinnahmen) mit knapp 0,5 Billionen Dollar nur etwa 1/10 der Steigerung aus. Der Löwenanteil von 4 Billionen Dollar (oder 9/10 der Veränderung) kommt aus den "impliziten" bzw. "off-balance-sheet" Positionen. Dies sind v.a. Renten- und Krankenversicherungs-Verpflichtungen ("Medicare").
US-Gesamtverschuldung. Quelle: http://fms.treas.gov/fr/06frusg/06frusg.pdf
Zur Einordnung: Die explizit ausgewiesene Verschuldung (8,9 Billionen) beträgt bezogen auf das jährliche US-BIP etwa 70%. Die Gesamtverschuldung liegt schon bei über 420% des BIP! Anders ausgedrückt: Die gesamte amerikanische Nation müsste jetzt schon über vier Jahre nur für die Schuldentilgung bzw. Reservenbildung für ihre Rentner und Kranken arbeiten. Am Stück und ohne Gehaltszahlungen! Die deutschen Werte liegen übrigens in ähnlichen Größenordnungen - aber das nur nebenbei.
Shocking? Nein - doch nicht für ein Land mit Triple-A-Rating und Kreditwürdigkeit mit Ewigkeitsgarantie!
Zwar sollte man nicht ganz vergessen, dass in naher Zukunft ein dann schnell wachsender Teil dieser Schulden liquiditätswirksam wird: Die ersten Babyboomer, die ja den Löwenanteil der impliziten Verschuldung als Renten- und Medicare-Anspruch "besitzen", werden ab etwa 2008/10 in Rente gehen. Dann wird die implizite Verschuldung peu à peu im "on-balance-sheet"-Teil der o.g. Rechnung auftauchen. Und davon ist ein Großteil dann liquiditätswirksam. Trotzdem kann die Verschuldung im Prinzip durchaus noch einige Zeit lang mit über 10% p.a. wachsen. Seit 2000 lag das Schuldenwachstum im Jahresmittel bei fast 15%. Insofern war 2006 ein "moderates" Jahr. Der Zuwachs lag sogar noch ein kleines Stück unter der M3-Steigerung von über 10,4%.
Quelle bis März 2006: http://research.stlouisfed.org/ ("M3"); danach Fed-Statistiken, aggregiert durch eine Finanzgruppe ("M3b")
Die wahre Inflation (Geldmengensteigerung abzgl. BIP-Veränderung) lag 2006 bei angenommenem offiziellen US-BIP-Wachstum von ca. 3,5% bei über 6,9%! Die Realverzinsung betrug damit 2006 etwa -1,6%! Das gab es selbst in den stagflationären Siebzigern nur selten...
In Europa sieht die Situation nicht besser aus. Offizielles M3-Geldmengen"ziel" der EZB ist übrigens +4,5%... Von China (Geldmengensteigerung 2006 >16%), Indien (ca. 20%) und fast allen anderen Ländern sei lieber ganz geschwiegen. Es handelt sich um einen (fast) weltweiten Papiergeldexzess. Die medienwirksam geführten Diskussionen um den "richtigen" Leitzinssatz bzw. um "strenge" oder "großzügige" Leitzinspolitik müssen ohne gleichzeitige Betrachtung der Geldmengensteigerungen heute als Ablenkungsmanöver gelten! So lenken auch Chefvolkswirte öffentlich gerne ab - wie z.B. am 7. Januar Prof. Norbert Walter von der Deutschen Bank: "In den fünf Jahren des Euro betrug der Anstieg der Verbraucherpreise im Durchschnitt 1,6% pro Jahr. Damit lag der Anstieg weit unter dem durchschnittlichen Preisanstieg in den fünfzig Jahren D-Mark von 2,9%. Bei solchen Relationen den Euro als Teuro zu kennzeichnen, reflektiert mangelnde Bereitschaft, die Wirklichkeit wahrzunehmen." Tja Herr Professor: Das geben wir gerne zurück an Sie. Wir würden auch gerne glauben, dass Sie es wirklich nicht besser wissen. Leider wird die "WELT am Sonntag" wohl keine Gegendarstellung drucken…
Die Wechselkurse der Papierwährungen untereinander reflektieren heute kaum noch die traditionellen Determinanten "Wirtschaftskraft" und "Finanzdisziplin" der jeweiligen Länder. Sie verkommen zunehmend zu nichtssagenden, zufälligen oder gar manipulierbaren Tauschgrößen, weil fast alle großen konvertiblen Währungen mehr oder weniger Derivate des US-Dollars sind. Dies würde sich erst ändern, wenn die reichen Exportüberschuss-Staaten endlich ihre Währungsreserven aus dem US-Dollar diversifizierten. Einige haben damit bereits (heimlich) angefangen. Selbst China als größter Dollar-Halter wird irgendwann aufhören, noch mehr US-Dollars zu horten. Nur die EZB und speziell die Bundesbank werden wohl zu den Letzten gehören, die ihre über 80%igen Dollar-Quoten bei den Währungsreserven herunterfahren…
Seit 93 Jahren gibt das Fed-System nunmehr über kostenlosen "sovereign credit" zuverlässig grüne Scheinchen in beliebigen Mengen her. Noch können sich die USA als souveränes Imperium theoretisch jederzeit problemlos entschulden. Noch ist daher Triple-A begründbar. Aber alles, was nicht ewig so weitergehen kann, muss einmal enden. In unserer endlichen Welt gilt dies insbesondere für exponentielle Geldmengen- und Verschuldungsentwicklungen. Vielleicht kann die Fed ihren 100sten Geburtstag an Weihnachten 2013 noch feiern. Allerdings nur, falls nicht die SCO-Staaten oder kaskadisch ablaufende, unkontrollierbare Konkurse von Hedge Fonds und Banken das Treiben im Schulden- und Derivatedschungel schon früher beenden werden.
Sie fragen, in was man diversifizieren kann, wenn es keine Dollarderivate mehr sein sollen? Got physical Gold and Silver?!
© Peter Boehringer
www.pbvv.de