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Der Crash kommt nicht!

12.02.2007  |  Redaktion
Prognosen über die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung nehmen einen breiten Raum ein. Häufig wird dabei ein Crash-Szenario unterstellt. Dieses wird wohl von der Mehrzahl der Autoren und Leser so verstanden, daß auch Staaten, von denen man es sich im Moment kaum vorstellen kann, wie Deutschland oder die USA, zahlungsunfähig werden, daß es eine Hyperinflation gibt (Inflation mit sich ständig beschleunigenden Raten bis zum Zusammenbruch) und/oder dass damit und dabei eine große Zahl von erstklassigen Finanzinstituten, etwa die Allianz, die Deutsche Bank, Citicorp, HSBC, pleite gehen.

Zweifelsohne wird die Zukunft sehr bewegt werden - das war die Vergangenheit ja auch. Ich glaube aber nicht an den bald heraufziehenden großen Crash. Ich möchte meine Überlegungen wie folgt präzisieren und begründen:

Die Erwartung eines Crashs gründet sich auf die Annahme, dass die Sozialstaaten nicht zu den erforderlichen Anpassungen und Einschnitten bereits seien. Dieses Argument ist für empirisch falsch. Einschränkend muss ich sagen, dass er falsch ist für eine bestimmte Gruppe von Ländern (Nordwesteuropa, angelsächsische Staaten, vielleicht und mit Einschränkung wohlhabende Staaten Ostasiens). Länder der Dritten Welt, aber auch Staaten wie Argentinien, Mexiko, Brasilien, die nach ihrer wirtschaftlichen Leistungskraft nur noch eingeschränkt der Dritten Welt zuzurechnen sind, waren wiederholt illiquide und haben ihre Schulden entwertet.

Ich will begründen, warum ich glaube, dass die genannten Länder den Crash vermeiden können. Die Vorreiter auf dem Weg in den perfekten Sozialstaat haben sich als erste in einer sehr ernsten finanziellen Krise befunden. Im Jahr 1995 hatte Schweden z.B. Staatsschulden von 77% vom Bruttosozialprodukt und machte jährliche Neuschulden von 14% vom Bruttosozialprodukt (1993), 11% (1994) und 8% (1995). Die konservativen Gurus waren sich einig: der Sozialstaat geht eh pleite, Schweden ist der perfekteste Sozialstaat der Erde - in den nächsten paar Jahren werden wir das Schauspiel erleben, wie er (endlich) pleite geht.

Im Jahr 2005 hatte Schweden einen Überschuss des öffentlichen Haushalts von 2,9% des Bruttosozialprodukts sowie einen öffentlichen Schuldenstand von 50% des Bruttosozialprodukts. Dabei wurde in Schweden keineswegs der Würgegriff des Staats auf die Freiheit und das Geld seiner Bürger gemindert. In dieser Hinsicht unterscheidet sich das Schweden von heute praktisch nicht von dem Schweden, das es vor 10 Jahren gab. D.h. Schweden hat einen "Turnaround" bewerkstelligt, ohne dabei in irgendeiner nennenswerten Weise dem Sozialstaat abzuschwören.

Was ist in den 15 Jahren zwischen dem Auftreten der Krise in Schweden und ihrer - nach den makroökonomischen Daten jedenfalls erfolgreichen - Bewältigung geschehen? Auch das läßt sich sehr einfach erklären. Schweden ist (relativ) verarmt.

Die Älteren unter uns wissen sicher noch, dass in den 60er, 70er und 80er Jahren von Schweden nicht nur als dem Land der Betreuung (oder aus liberaler Sicht Unterdrückung) des Bürgers von der Wiege bis zur Bahre gesprochen wurde, sondern dass Schweden auch, statistisch belegt und nach allgemeinem Wissenstand, neben der Schweiz das wohlhabendste Land Europas war. Inzwischen liegt Schweden irgendwo im Mittelfeld der europäischen Wohlstandsliga. Die Schweden, die vorher - im Vergleich zu anderen Menschen in Europa - ein Einkommen von 100 hatten, haben eben jetzt eines von 80 - und schon stimmt wieder die (volkswirtschaftliche Gesamt-)Rechnung, die Pleite findet nicht statt.

Ähnliche Geschichten lassen sich mit gewissen Abweichungen im Detail über mehrere andere Länder erzählen - etwa die Niederlande und Dänemark (Dänemark war schon vor Schweden, Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre fast bankrott, steht jetzt aber wirtschaftlich auch sehr gut da und wird häufig sogar als Musterland gerühmt). Alle diese Länder haben den Pfad in den Konkurs verlassen, ohne ihren Bürgern deshalb mehr Freiheit zu geben.

Dieses Rezept funktioniert deshalb, weil die Bürger es mit sich machen lassen. Sie wählen gelegentlich die Opposition (auch in Schweden ist das zeitweise geschehen), aber da die großen Parteien alle sozialdemokratisch oder sozialistisch sind, spielt das keine nennenswerte Rolle. Sie nehmen die Einschnitte und den (zumindest relativen) Verfall des Wohlstands als unvermeidlich hin, da ihnen dieses von den Politikern jeder Couleur mit großem rhetorischem Aufwand als unvermeidbar hingestellt wird. Die den Wohlstand wahrende Alternative erfordert den Abbau des Sozialstaats - etwas, was kein Politiker macht, weil er damit Instrumente verliert, Bürger zu abhängigen Klienten zu machen.

Auch Deutschland befindet sich auf diesem Weg. Die Absenkung der Renten, sinkende Reallöhne und Einschnitte bei den Sozialausgaben führen ja alle dazu, daß für sehr viele Bürger der Lebensstandard in den letzten Jahren abgesunken ist. Diese Einschnitte werden weithin akzeptiert - auch die neue Regierung ist ja populär, obgleich sie mit weiteren Erhöhungen von Steuern und anderen Abgaben den Kurs unverändert fortsetzt.

Der Sozialstaat hat nicht, wie es viele Libertäre glauben, zwei Möglichkeiten, nämlich umzukehren in Richtung Freiheit oder in den Konkurs zu marschieren, er hat eine dritte Möglichkeit, nämlich die institutionellen Rahmenbedingungen, deren Ziel es ist, die Bürger zu von der Bürokratie und der Regierung abhängigen Klienten zu machen, beizubehalten, und auf die sinkende Leistungskraft dadurch zu reagieren, dass er den Lebensstandard der Untertanen absenkt. Es ist ganz offensichtlich, dass unsere Regierungen - jedenfalls in den vorgenannten Ländern - diesen Weg verfolgen, und dass sie sich dabei bislang der vollen Unterstützung der Bevölkerungsmehrheit gewiss sein können.

Meine Prognose, dass wir den großen Crash so schnell nicht erleben werden, hat deshalb eine positive, aber auch eine negative Seite. Die positive Seite ist klar: ich wette, dass auch viele Freunde der Freiheit nicht nur Gold und ähnliche Sachwerte horten, sondern Ersparnisse besitzen, deren Wert durch einen Crash ganz empfindlich beeinträchtigt würde. Da gibt es eine Entwarnung.

Die negative ist ebenso offensichtlich: der Crash wird gerade deshalb vermieden, weil die in der Demokratie maßgebliche Bevölkerungsmehrheit sich ohne viel Murren immer weiter das Fell über die Ohren ziehen lässt und lieber verarmt, als dass sie die verantwortlichen Politiker zur Umkehr zwingt. Der Crash wird nicht vermieden, weil die positive Alternative, die Freiheit, gewinnt, sondern weil die langsame Verarmung hingenommen wird. Dieser schrittweise Anpassungsprozess erspart uns die abrupte Anpassung mit einem Schlag - den Crash nämlich.


© Dr. Thomas Lückerath
Unternehmensberater in Düsseldorf, Sie erreichen den Autor unter info@tl-management.de

Quelle: aus eigentümlich frei, 09/2006





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