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Die wirtschaftliche Vorherrschaft des Aktienmarktes

22.11.2018  |  Peter Schiff
- Seite 2 -
Wie anders die Welt heute doch ist. Nach mehr als 35 Jahren nahezu stetiger Zunahmen ist der Wilshire 5000 jetzt 173% der Gesamtwirtschaft wert und damit, relativ gesehen, mehr als vier Mal so hoch wie 1966. Ich glaube nicht, dass das zufällig geschah. Was die US-Regierung und die US-Notenbank in den vergangenen Jahren gemacht haben, hat dabei geholfen, Leute an die Börse und zu anderen Finanzanlagen zu drängen, wie Anleihen und Immobilien.

Der Haupttreiber dafür ist die überaus kulante Geldpolitik der Notenbank, die Inflationsraten erhöhen, Investitionen in "Risikoaktiva" umleiten und die Angst vor Verlusten mindern kann, weil die Investoren daran glauben, dass die US-Notenbank da sein wird, um nach einem möglichen Crash die Scherben wieder einzusammeln. Steuerpolitik, Rechnungslegungsvorschriften für Unternehmen und Finanztechnologie haben auch zum Trend beigetragen, aber der größte Faktor war schon immer die US-Notenbank.

Die relative Bedeutungslosigkeit der Börse im Vergleich zur Volkswirtschaft könnte ein Grund dafür sein, warum sich die Inflation in den 1970ern primär in den Verbraucherpreisen und in jüngerer Zeit in Vermögenswerten äußerte. Die Billionen von Dollar, die von der US-Notenbank herausgegeben wurden, mussten irgendwo hin; und wohin sie auch gingen, sie neigten dazu, die Preise anzuheben. Angesichts des Mechanismus, durch den geldpolitische Impulse auf die Märkte einwirken, ergibt es Sinn, dass sich Inflation primär in Vermögenswerten zeigte. Doch dieser Trend sollte sich umkehren, sobald Luft aus der Börsenblase abgelassen wird.

Wenn die Preise von Aktien, Anleihen und Immobilien steigen, lässt der "Wohlstandseffekt" die Wirtschaft besser aussehen, als sie es in Wirklichkeit ist. Aber unter einer Fassade aus Stärke verfault die Realwirtschaft langsam. Lange Zeit war dies nicht der Fall. Die Realwirtschaft war anderswo zu finden, auf dem Marktplatz, in Fabriken, Werften, Lagerhallen und Familienbetrieben.

Eine wichtige Konsequenz hieraus ist, dass unsere auf Vermögenswerten basierende Wirtschaft dazu tendiert, Leute zu begünstigen, die bereits Finanzanlagen besitzen, also eher wohlhabend sind. In anderen Worten, die Reichen sind reicher geworden und diejenigen, die kein Vermögen besitzen, schmachteten dahin. Kommt Ihnen bekannt vor? Die Linken liegen nicht falsch, wenn sie darauf hinweisen, dass diese Probleme existieren. Und die Rechten sehen immer törichter aus, wenn sie so tun, als gäbe es sie nicht. Leider scheinen beide Seiten des politischen Spektrums eher an der Sorte von Geld- und Fiskalpolitik interessiert zu sein, die die Trends fortsetzt, statt umkehrt.

Die, die behaupten, dass die maßvolleren Marktkorrekturen in den 1990ern wahrscheinlichere Szenarien sind, beachten den Anleihemarkt nicht. Nachdem die Preise für Staatsanleihen in den letzten drei Jahrzehnten seit 1982 einigermaßen stetig stiegen, sind sich die meisten Analysten einig, dass der Anleihemarkt im Juli 2016 auf dem Höchststand war, als die Rendite auf 10-jährige Staatsanleihen ein Tief von 1,37% erreichte. Seither stiegen die Renditen auf 3,22%, den höchsten Stand seit 2011. Schlimmer noch, sie zeigen keine Anzeichen für eine Wende. Das könnte bedeuten, dass der jahrzehntealte Trend von steigendem Anleihekurs und fallender Rendite vorüber ist.

Bei der Masse von Anleihen, die die Notenbank und das Finanzministerium verkaufen müssten, um die Haushaltsdefizite zu finanzieren und die Bilanz der Notenbank wieder zu reduzieren, könnten in den kommenden Jahren Rekordmengen von Anleihen den Markt fluten. Aber die Käufer, die den Bestand in der Vergangenheit aufgenommen haben, wie Hedgefonds, ausländische Zentralbanken und die US-Notenbank selbst, könnten nicht in der Lage sein, soviel zu kaufen, dass ein Anstieg der Rendite verhindert würde.

Seit den 1970ern standen Aktien nicht mehr im Wettbewerb mit beharrlich steigenden Zinsen, die eine deutliche Gefahr für Bewertungen darstellen. Nicht nur, dass steigende Zinsen Kapitalkosten erhöhen und von Fremdkapitalaufnahme abschrecken, sondern sie geben den Leuten auch eine rentable Alternative zur Aktienanlagen. Das Abwärtsrisiko könnte viel höher sein als der 20%-Kurzzeit-Bärenmarkt, den die pessimistischeren Köpfe an der Wall Street zurzeit für möglich halten, besonders bei den beispiellosen Gewinnen, die wir in den letzten zehn Jahren sahen.

Aber was würde mit dem Land passieren, wenn der Aktienmarkt wieder zu einem langwierigen Bärenmarkt wie in den 1970ern wird, einer schleifenden Abwärtsbewegung, die länger als ein Jahrzehnt dauert? Was würde passieren, wenn der Realwert von Aktien um 50% fiele? Geschweige denn um die 90%, die nötig wären, um die Marktkapitalisierung auf den Prozentsatz des BIP sinken zu lassen, den sie 1982 hatte, als der aktuelle Langzeit-Bullenmarkt anfing? Angesichts der Größe des Aktienmarktes und der Art und Weise, in der sich unsere Wirtschaft daran angepasst hat, wären solche Kursverluste verheerend.

Damit das nicht passiert, könnte die Notenbank bei den ersten Anzeichen ernster Schwierigkeiten die Zinssätze auf null senken. Aber das würde nur die Eröffnungsnote einer Symphonie aus geld- und finanzpolitischen Impulsen sein, die Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte, andauern könnte. Quantitative Lockerungen könnten zurückkommen, aber dieses Mal würde die Notenbank größere Anleihenkäufe als 2009 und 2010 tätigen.

Die Notenbank könnte das ganze US-Haushaltsdefizit zu Geld machen, welches sich jährlich auf zwei bis drei Billionen Dollar belaufen würde, wenn nicht mehr. Sie könnte den Wohnungsmarkt stützen, indem sie jährlich Billionen von Dollar für den Kauf von Hypothekenanleihen ausgibt. Und nächstes Mal könnten die quantitativen Lockerungen auch Käufe auf dem Aktienmarkt beinhalten, um diesen zu unterstützen.

Und während diese Aktionen nominal einen Boden unter die Vermögenspreise legen würden, könnte der massive Anstieg an Geldmengen eine stärkere Inflation in der allgemeinen Wirtschaft auslösen und die realen Aktienpreise sinken lassen, so wie von 1966 bis 1982. In realen Werten wären die Reichen vielleicht gar nicht mehr so wohlhabend. Und auch wenn dieses Resultat den Progressiven gefallen würde, hieße es doch auch, dass die Steuerbasis versiegen und dazu beitragen würde, bereits steigende Defizite zusätzlich zu erhöhen. Die daraus resultierende Inflation würde wohl Arme und Senioren, die von einem fixen Einkommen leben, am härtesten treffen.

All dies könnte bedeuten, dass die treibenden Politikziele der kommenden zehn Jahre darin bestehen werden, Vermögenspreise am Sinken zu hindern. Obgleich die Regierung darin keinen Erfolg haben wird (zumindest nicht in Bezug auf die realen Werte), würde sie sicherlich dazu beitragen, die Zuversicht in den Dollar zu zerstören. Das sollte die etwas Vorausschauenden dazu bewegen, Investitionen zu wählen, die solch ein Szenario absichern. Die Gelegenheit dazu könnte bald verpasst sein.


© Peter Schiff
www.europac.net



Dieser Artikel erschien am 14. November 2018 auf www.europac.com und wurde exklusiv für GoldSeiten übersetzt.


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