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Zeitzyklenanalyse

13.03.2007  |  Redaktion
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Summation

Summation ist einfach die Summe aller zur Zeit aktiven Zyklen. Wenn es zum Beispiel zwei Zyklen mit unterschiedlichen Perioden wie 18 Monaten und 18 Wochen gibt, können ihre Dauer, Amplitude und Phase kombiniert werden und eine Summation ihrer Aktionen bilden, die als neue Linie oder Zyklenpfad ausgedrückt wird. Auf diese Weise betrachten Zyklenanalysten Kursschwankungen in den Märkten. Mit anderen Worten sind Kursaktivitäten im wesentlichen die kombinierten Ergebnisse verschiedener Zeitzyklen, die ihren Einfluss auf die Kurse ausüben. Das ist die Basis für die Behauptung, dass Kursaktivität in den Finanzmärkten vorhersagbar ist. Wenn Kursaktivität die Summe verschiedener Zyklenlängen ist, die isoliert und gemessen werden können, und wir annehmen können, dass sich diese Zyklen in der Zukunft fortsetzen, dann sollten zukünftige Kurse vorhersagbar sein - zumindest in der Theorie.


Harmonizität, Synchronizität und Proportionalität

Wenn wir an Harmonie denken, denken wir gewöhnlich an Musik. Wenn Sänger miteinander harmonieren, sind die Wellenlängen der gesungenen Töne unterschiedlich, vibrieren aber trotzdem in Harmonie miteinander. In der Zyklenanalyse ist Harmonizität etwas Ähnliches. Stark vereinfacht bedeutet es, dass koexistierende Wellen häufig irgendwie zu einander in Beziehung stehen, gewöhnlich mit der Zahl 2. Wenn zum Beispiel ein 26-Wochen-Zyklus identifiziert wurde, wird der nächst kürzere koexistierende Zyklus die halbe Länge haben, das heißt 13 Wochen. Der nächst größere Zyklus wird 52 Wochen lang sein.

Synchronizität beschreibt die Tendenz von Zyklen zu dabei abweichenden Längen zum Boden. Synchronizität und Harmonizität sind eng verwandt. Wenn zwei Zyklen mit einander harmonisieren, werden sie an irgendeinem Punkt auch synchronisiert.

Proportionalität bezieht sich auf die proportionale Beziehung zwischen Zyklenlänge und -amplitude. Wenn die Länge eines Zyklus zunimmt, vergrößert sich seine Amplitude proportional, d.h. je länger die Dauer eines Zyklus, desto größer seine Höhe. So sollte die Amplitude eines 26-Wochen-Zyklus etwa doppelt so groß wie die eines 13-Wochen-Zyklus sein.


Grundanwendungen in der Praxis

Auf der Basis dieser Grundkenntnisse können wir uns nun mit einigen Anwendungen der Zyklenanalyse befassen. Eine der elementarsten Formen der Zyklenanalyse in der Finanzwelt ist der langfristige Wirtschaftszyklus. Der langfristige Wirtschaftszyklus erlaubt uns zu beobachten, wie einige der Prinzipien der Zyklenanalyse in der wirklichen "analytischen" Welt funktionieren.

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Bild 5: Langfristiger Wirtschaftszyklus
Mit der Theorie über Wirtschaftszyklen können einige Prinzipien der Zyklenanalyse in der Praxis betrachtet werden



Das Zyklenmodell von Joseph Schumpeter für die Wirtschaft

Der österreichisch-ungarische Ökonom Joseph Schumpeter entwickelte ein Modell des Wirtschaftszyklus, das den Effekt verschieden langer Zyklenmodelle für die Wirtschaft in einer Kurve vereinigt und damit das Prinzip der Summation sehr anschaulich darstellt. Die Zyklen, die Schumpeter in seinem Modell verwendete, waren der 50 bis 54 Jahre-Kondratieff-Zyklus, der 18 Jahre-Kuznets-Zyklus, der 9,2 Jahre-Jugular-Zyklus und der 3,5 Jahre-Kitchin-Zyklus.

Der russische Ökonom Nikolai Kondratieff erkannte 1926, dass die Wirtschaft der Vereinigten Staaten drei lange Wellen von je 50 bis 54 Jahren erlebt hatte. Jede Welle hatte drei Phasen: einen Wellenanstieg von etwa 20 Jahren, eine Übergangs- oder Plateauperiode von 7 bis 10 Jahren und einen Wellenabschwung von etwa 20 Jahren. Die Anstiege gingen mit steigenden Preisen, die Plateaus mit stabilen Preisen und die Abschwünge mit fallenden Preisen einher. Er stellte auch fest, dass mit dem Beginn und Ende jedes Anstiegs ein Krieg verbunden war.

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Bild 6: Die Kondratieff-Welle
Das vom russischen Ökonomen Nikolai Kondratieff entwickelt 50- bis 54-Jahre Wellenmodell für die Wirtschaft.
Die Wellenanstiege sind mit steigenden, die Plateaus mit stabilen und die Abschwünge mit fallenden Preisen
verbunden. Obwohl von den meisten Ökonomen abgelehnt, wird die Kondratieff-Welle von Wellentheoretikern
als gute langfristige Richtlinie für wirtschaftliche Zyklen angesehen.


Die meisten modernen Ökonomen meinen, dass es sehr wenige Nachweise gibt, die die Existenz eines Kondratieff-Zyklus unterstützen würden. Kondratieff könnte die Theorie entwickelt haben, weil sie letztendlich implizierte, dass der Kapitalismus ein stabiles System war gegenüber dem marxistischen Standpunkt, dass er instabil und destruktiv war. Der kommunistischen Regierung gefielen Kondratieffs Theorien damals nicht, und er landete in einem von Stalins Gefängnissen, wo er starb.

Die meisten Zyklentheoretiker stimmen jedoch darin überein, dass Kondratieffs Arbeit als allgemeine langfristige Richtlinie für wirtschaftliche Zyklen dient, die ihren Anfang normalerweise im Zusammenhang mit bedeutenden technologischen Innovationen nehmen. Danach hat es seit dem 18. Jahrhundert fünf große Kondratieff-Wellen gegeben. Das sind die industrielle Revolution - 1771, das Zeitalter von Dampf und Eisenbahnen - 1829, das Zeitalter von Stahl, Elektrizität und Schwerindustrie - 1875, das Zeitalter von Erdöl, Automobil und Massenproduktion - 1908 und das Informations- und Telekommunikationszeitalter - 1971. Nach dieser Theorie steht die Weltwirtschaft am Anfang des 5ten Kondratieff-Zyklus, der durch den Begriff des Kriegs gegen den Terrorismus markiert wird.

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Bild 7: Grundlegendes Kondratieff-Modell
Experten sagen, dass wir uns zur Zeit im 5ten Kondratieff-Zyklus befinden


Demgegenüber wird der 18-Jahre-Aktienmarktzyklus allgemein als zuverlässiger beurteilt. Martin Pring schreibt in seinem Buch Technical Analysis Explained, dass der Zyklus seit Anfang des neunzehnten Jahrhunderts ziemlich zuverlässig aufgetreten ist. Ein ähnlicher Zyklus fiel auch dem Nobelpreisträger Simon Kuznets beim "infrastructural investment" auf, so dass der 18-Jahre-Zyklus meist seinen Namen trägt.

Der 9,2-Jahre-Zyklus, benannt nach dem Ökonomen Clement Jugular, kam im Zeitraum von 1830 bis 1946 vierzehn mal vor, was einer Wahrscheinlichkeitsrate von 5.000:1 entspricht.

Mit dem Jugular-Zyklus eng verwandt ist das so genannte Zehnjahresmuster, das Edgar Lawrence Smith als Erstem auffiel. In den 1930er Jahren untersuchte Smith die Aktienkurse bis 1880 zurück und dokumentierte ein Zehnjahresmuster der Kursbewegungen für diesen Zeitraum. Er stellte fest, dass sich jede Zehnjahresperiode aus drei Zyklen zusammensetzte, die jeder etwa 40 Monate dauerten. Noch davor hatte ein Professor namens Joseph Kitchin 1923 auch einen 41monatigen Zyklus bei Bank Clearings, Großhandelspreisen und Zinssätzen vorgestellt. Der Zyklus trägt seither seinen Namen.

Joseph Schumpeter kombinierte diese Zyklen und formte daraus seine Version des Wirtschaftszyklus wie in Bild 4 gezeigt (dieses spezielle Diagramm enthält nicht den 18 Jahre-Zyklus).

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Bild 8: Schumpeters Wirtschaftszyklus
Das Schumpeter-Modell kombiniert die Zyklen über 50, 18, 9 und 3,5 (41-Monate) Jahre in einer Summation,
die den Entwicklungen in der realen Welt theoretisch besser entsprechen soll.



Zum Schluss

Die Wirtschaftszyklenanalyse dient mehr als allgemeine Leitlinie zum besseren Verständnis des Auf und Abs nationaler und weltweiter Wirtschaftsräume und ist keinesfalls ein zuverlässiger Weg zur Vorhersage kommender Ereignisse. Der Trend geht bei Wirtschaftszyklen sogar eher in Richtung immer längerer Aufschwünge und immer kürzerer Abschwünge. Anhand dieser Beispiele können wir aber sehen, wie die Zyklenanalyse dazu benutzt werden kann, der ansonsten im Nebel liegenden Zukunft etwas Struktur zu geben. Im nächsten Monat wollen wir uns ansehen, wie Zeitzyklenanalyse auf die Kurs-Charts angewendet werden kann, die wir zur Betrachtung der Märkte verwenden.


© Auszug aus der Fachzeitschrift TRADERS, Nr. 02 und 03/2007


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