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Horten Sie Liquidität!

18.03.2007  |  Manfred Gburek
Börsenoptimisten sollten vom nächsten Satz an nicht mehr weiter lesen. Denn in diesem Kapitel setze ich voraus, dass die Aktienkurse - DAX, Dow Jones & Co. - in den nächsten Monaten weiter fallen werden. Warum, liegt auf der Hand: Die Börse ist ein Massenphänomen. Beginnt irgendwer, in größerem Umfang Aktien zu verkaufen, folgen die anderen. Stellt sich das Ganze als vorübergehende Erscheinung heraus, heißt es: technische Reaktion. Doch das weiß man erst später. Warum ich eher mit einem monatelangen Kursrückgang als mit einer technischen Reaktion rechne, liegt ebenso auf der Hand: In den vergangenen knapp vier Jahren sind an den Börsen weltweit sehr hohe Kursgewinne angefallen. Oder um dieses Wort um ein Wortspiel zu erweitern: Aktien sind anfällig für Gewinnmitnahmen wie seit dem Jahr 2000 nicht mehr.

Was soll also die Aktienfondsmanager dieser Welt hindern, ihre Aktienquoten zu senken, um im Gegenzug die Liquiditätsreserven zu erhöhen? Nichts. Denn sie müssen nach vorn schauen: Ziehen die Anleger erst einmal in größerem Umfang Mittel ab, indem sie Fondsanteile liquidieren, sind die Manager bei unzureichender Liquidität unter Umständen gezwungen, Aktien zu immer tieferen Kursen zu verkaufen. Aber könnte es nicht doch so weit kommen wie im vergangenen Sommer, als die Kurse sich nach dem Mai- und Juni-Gewitter schnell wieder erholten und auf einen neuen Gipfel zustrebten? Unwahrscheinlich. Denn damals war die amerikanische Immobilienblase, obwohl über sie schon seit langem diskutiert wurde, noch nicht geplatzt. Jetzt ist sie geplatzt, weshalb ich dem Vorgang an dieser Stelle in der vergangenen Woche ein ganzes Kapitel gewidmet habe. Und weil die Verursacher, die Subprime-Kredite, auf Umwegen über internationale Großbanken bereits zu einem erheblichen Teil in institutionellen Portfolios gelandet sind, handelt es sich längst nicht mehr allein um ein inneramerikanisches Problem.

Dazu gibt es viele Zahlen, die mehr oder weniger unzuverlässig sind. Ihre Interpretation führt immer zum selben Ergebnis: Zwar lässt sich berechnen, dass Derivate (abgeleitete Finanzprodukte, wie Terminkontrakte und Optionen) an den Finanzmärkten ein Mehrfaches der Underlyings (Aktien, Anleihen, Rohstoffe und andere) ausmachen; aber genaue Zahlen kennt niemand, weil allein schon die chaotische Zettelwirtschaft der vielen Terminspieler keine zuverlässige Statistik ermöglicht. Das vorläufige Fazit lässt folglich nichts Gutes ahnen: Der Mangel an brauchbaren Daten macht die Fondsmanager zusätzlich nervös und veranlasst sie noch früher als geplant zu Verkäufen, um Liquidität zu beschaffen. Das heißt, abgeklärte Profis werden, ob sie wollen oder nicht, zwangsläufig zu Akteuren im Rahmen des anfangs erwähnten Massenphänomens Börse.

Daraus sind allerlei Erkenntnisse zu gewinnen, die sich - zum Teil auf andere Massenphänomene bezogen - schon seit sehr langer Zeit wie ein roter Faden durch die relevante Literatur ziehen. Hier nur drei Beispiele aus ganz verschiedenen kompetenten Quellen: "Die einzelnen in einer Masse, die eine hinreichend starke Persönlichkeit haben, um dem Einfluß zu widerstehen, sind in zu geringer Zahl vorhanden, und der Strom reißt sie mit." (Gustave Le Bon: Psychologie der Massen) "Eine konventionelle, auf der Massenpsychologie einer großen Zahl unwissender Menschen beruhende Bewertung ist heftigen Schwankungen ausgesetzt als Folge einer plötzlichen Meinungsänderung, verursacht durch Faktoren, die eigentlich keinen großen Einfluß auf das voraussichtliche Erträgnis haben, weil der Überzeugung die starken Wurzeln fehlen, die sie stetig halten können." (John Maynard Keynes: Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes) "Ich behaupte, daß die Rolle der Psychologie im Börsengeschehen gar nicht überschätzt werden kann: Kurz- und mittelfristig macht sie 90 Prozent aus." (André Kostolany: Kostolanys Börsenpsychologie)

Diese Zitate spiegeln die Weisheit von drei Männern aus zwei Jahrhunderten wider. Auf die aktuelle Situation an den Weltbörsen bezogen, bedeuten sie: Aktien werden in dem Ausmaß zum Spielball der Emotionen, wie Fondsmanager und andere Verwalter großer Vermögen zu Opfern des Massenphänomens Börse werden. Einzelne Anleger haben es da scheinbar leichter, denn sie könnten ihre Aktien ja locker jetzt noch in Gipfelnähe verkaufen, ohne darauf achten zu müssen, ob sie die Kurse beeinflussen. Doch was machen sie? Sie ärgern sich über die verpasste Ausstiegschance auf dem Gipfel, lassen sich von Börsenkommentatoren einreden, es handle sich beim ersten Kurssturz nur um eine gesunde technische Reaktion, und beginnen nun ihre Verluste durchzuziehen. Auch das hat viel mit Psychologie zu tun.

Der einzige Rat, den ich Ihnen heute aufgrund solcher Verhältnisse geben kann, lautet: Horten Sie so viel Liquidität wie möglich, bauen Sie - was auf dasselbe hinausläuft - weitgehend Ihre Kredite ab und beobachten Sie in aller Ruhe die weitere Entwicklung. Ihre Einstiegschancen werden noch in diesem Jahr kommen, aber wahrscheinlich weniger bei Aktien aus DAX, Dow Jones & Co. als woanders: Geht man aufgrund der bisherigen Erfahrungen davon aus, dass vor allem die USA alles unternehmen werden, um eine Zuspitzung ihrer Immobilienkrise zu verhindern, können Sie über kurz oder lang mit einer Öffnung der Geldschleusen rechnen. Dann dürften, nicht zuletzt aus Furcht vor drohender Geldentwertung, Rohstoffe und speziell Edelmetalle ein weiteres Mal zu den Gewinnern gehören. Falls Sie Gold und Silber, Edelmetallaktien und -fonds besitzen, können Sie sie bis dahin getrost halten und bei vorübergehenden Rückschlägen aufstocken.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu





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