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“We have gold because we cannot trust governments” - oder: Zurück zur ökonomischen Vernunft

19.07.2019  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 2 -
Wie aber muss man in der Volkswirtschaftslehre vorgehen, um zu verlässlichen Erkenntnissen und Aussagen zu kommen?, so werden Sie sich, verehrte Leserin, verehrter Leser, an dieser Stelle vermutlich fragen.

Nun, die Volkswirtschaftslehre lässt sich widerspruchsfrei als a priori Handlungswissenschaft begreifen. Das heißt, ökonomische Gesetzmäßigkeiten lassen sich erfahrungsunabhängig durch logisches Denken einsehen. (2) Damit ist nicht nur eine Absage an den Skeptizismus und Relativismus verbunden. Es impliziert auch, dass das Erkenntnisfeld der Volkswirtschaftslehre viel kleiner ist als es die Vertreter der modernen Volkswirtschaftslehre vorgeben. Beispielsweise kann die Volkswirtschaftslehre keine quantitativen Prognosen bereitstellen (in dem Sinne, dass die Wirtschaft in 2019 um X% und in und 2020 um Y% wächst). Doch diese Problematiken brauchen hier nicht weiter vertieft zu werden.


Falsche Theorien

Für solide volkswirtschaftliche Einschätzungen (um beispielsweise sagen zu können, ob eine ökonomische Theorie richtig oder falsch ist) braucht man fehlerfreies (handlungs-)logisches Denken. Doch nicht diese Sichtweise ist heutzutage vorherrschend, sondern die der modernen Volkswirtschaftslehre. Und das erklärt auch, warum viele Politiken als gut und richtig angesehen werden, die bei genauem Nachdenken gar nicht gut und richtig sind. Dazu vier Beispiele.

(1) “Eine Inflation von knapp 2 Prozent bedeutet Preisstabilität.” Zentralbanken versprechen der Öffentlichkeit, sie werden für “Preisstabilität” sorgen. Damit verbinden sie eine Politik, die die Güterpreise um knapp zwei Prozent pro Jahr ansteigen lässt. Das aber ist doch keine Preisstabilität! Die Güterpreise steigen, sie bleiben eben nicht stabil! Und steigen die Güterpreise jedes Jahr um zwei Prozent, ist die Kaufkraft des Euro nach zehn Jahren um 18 Prozent, nach 20 Jahren um 33 Prozent gefallen! Man bezeichnet also eine inflationäre Geldpolitik als nicht-inflationär - und die moderne Volkswirtschaftslehre erhebt keinen Einwand gegen diesen Etikettenschwindel!

(2) “Die Ausweitung der Geldmenge ist neutral.” Die Zentralbanken weiten die Geldmenge fortwährend aus. Denn das sei, so wird gesagt, neutral und zudem notwendig, damit die Volkswirtschaft wachsen kann, damit mehr Produkte und neue Arbeitsplätze geschaffen werden können. Doch wer sich in der Geldtheorie nur ein wenig auskennt, der weiß: Die Geldmenge muss gar nicht wachsen. Vielmehr übt jede gerade vorhandene Geldmenge die Gelddienste so gut aus wie jede andere gerade verfügbare Geldmenge.

Beträgt die Geldmenge zum Beispiel 12.000 Mrd. Euro, wird eine gegebene Gütermenge zu hohen Preisen umgesetzt - im Vergleich zur Situation, in der die Geldmenge, sagen wir, 5.000 Mrd. Euro beträgt; hier fallen die Güterpreise entsprechend niedriger aus. In beiden Fällen wird jedoch der Umsatz derselben Gütermenge problemlos mit der jeweils vorhandenen Geldmenge finanziert! Dass man dafür plädiert, die Geldmenge auszuweiten, hat einen anderen Grund: Einige wenige verdienen prächtig daran auf Kosten vieler anderer.

Die Erstempfänger des neuen Geldes sind die Begünstigten. Sie werden sprichwörtlich reicher, weil sie mit ihrem neuen Geld die Güter zu noch unveränderten Preisen kaufen können. Diejenigen, die das neue Geld erst später erhalten, können es nur noch einsetzen, um Güter zu kaufen, deren Preise bereits angestiegen sind. Die Erstempfänger werden also reicher auf Kosten der Spätempfänger des neuen Geldes.

Besonders der Staat und die Banken profitieren, wenn die Geldmengenvermehrung per Kreditvergabe erfolgt. Staaten können sich reichlich mit Krediten finanzieren, und das weckt den Wählerzorn weit weniger, als wenn die Steuern erhöht werden. Banken machen gute Gewinne, wenn sie Kredite “aus dem Nichts” vergeben; und sie verdienen auch an den Gebühren, die sich mit der Verwaltung der anschwellenden Geldvermögen erzielen lassen. Doch welcher “Hauptstrom-Volkswirt” erhebt hier Einspruch und sagt: Nein, das Ausweiten der Geldmengen ist nicht neutral!

(3) “Der gleichgewichtige Zins ist negativ geworden.” Die Idee, der gleichgewichtige Zins der Volkswirtschaften sei negativ geworden, wird von einigen einflussreichen Ökonomen beharrlich vertreten. Sie hat sogar bereits die eine oder andere Zentralbank dazu veranlasst, ihre Leitzinsen in den Negativbereich abzusenken. Doch die Idee ist falsch. Der gleichgewichtige Zins (oder auch: Urzins) kann aus handlungslogischen Gründen nicht negativ werden.

Und daher ist auch die Politik falsch, die da lautet: Der gleichgewichtige Zins ist negativ, und folglich muss die Zentralbank die Marktzinsen in den Negativbereich drücken, um Wachstum und Beschäftigung zu fördern. Doch die falsche Idee findet leider - wen überrascht es - bei Regierungen Anklang: In die Tat umgesetzt, erlaubt sie, überdehnte Schuldner - allen voran Staaten und Banken - per Negativzins zu entschulden, und zwar auf Kosten der Gläubiger. Welche Hauptstrom-Ökonomen zweifeln die Richtigkeit der Negativzinspolitik an und nennen dabei Ross und Reiter?

(4) “Verlässliches Geld kann nur der Staat bereitstellen.” Die Idee, nur der Staat könne Geld bereitstellen, ist dem deutschen Ökonomen Georg Friedrich Knapp (1842-1926) zuzuschreiben. Knapps Theorie hält jedoch einer kritischen Überprüfung nicht stand. Der Ökonom Carl Menger (1840-1921) war da bereits viel weiter: Er hatte schon im Jahr 1871 gezeigt, dass das Geld spontan im freien Markt entstanden ist, und zwar aus einem Sachgut, vorzugsweise in Form von Edelmetallen.

Knapps falsche Theorie hat die Oberhand behalten, sie beherrscht die Köpfe bis auf den heutigen Tag - und (schein-)legitimiert damit, dass der Staat sich das Geldmonopol beschafft hat und es eisern verteidigt; und auch dass er das Edelmetallgeld durch sein eigenes, nicht einlösbares Papiergeld ersetzt hat. Auch zu diesem heiklen Thema herrscht auffälliges Schweigen in der Zunft der Hauptstrom-Ökonomen.



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