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Wieso steigen Gold und Anleihen gemeinsam?

12.11.2019  |  John Paul Koning
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Dieses Jahr brachte die Erinnerungen an den Ärger meines Chefs in den Jahren während und nach der Kreditkrise zurück. Seit August 2018 schoss der Goldpreis von unter 1.200 Dollar auf über 1.500 Dollar. Zeitgleich schnellten die weltweiten Anleihepreise, die seit Jahren rückläufig waren, in die Höhe. Wäre er noch am Leben, wäre mein Chef rasend vor Wut.

Wieso bewegen sich Anleihepreise und der Goldpreis manchmal in entgegengesetzte Richtungen (wie in den 1970ern) und manchmal in die gleiche Richtung (so wie jetzt)?


Ein Millennial-Modell

Um den Grund zu verstehen, müssen wir über das Inflationsmodell meines Chefs aus den 1970er Jahren hinausgehen. Fangen wir mit einem Grundaxiom an. Wie jeder Vermögenswert muss der Goldpreis mit dem Realzinssatz steigen. Der Realzinssatz ist die inflationsbereinigte Rendite, die jeder Investor erwartet, mit seiner Kapitalinvestition einzunehmen.

Wieso muss Gold mit der gleichen Rate steigen wie der Realzinssatz? Wenn es nicht so ist, dann haben Investoren die Gelegenheit, riesige Gewinne zu machen.

Angenommen, die reale Rendite einer Anleihe beträgt 5%. Wenn Gold nur um 4% im Jahr steigt, dann kann ein Investor Gewinn machen, indem er den Vermögenswert mit niedriger Rendite leerverkauft - in diesem Fall Gold - und den Vermögenswert mit hoher Rendite - Anleihen - kauft. Er fängt an, indem er x Unzen Gold leiht und sie auf dem Markt verkauft. Mit dem Erlös kauft er eine 1-jährige Anleihe und im Laufe des Jahres kassiert er 5% Zinsen.

Am Ende des Jahres wird das Anleihekapital zurückgezahlt. Mit dem Erlös und der Zinseinnahmen kauft der Investor wieder x Goldunzen und zahlt seine Short-Position zurück. Weil der Goldpreis in der Zwischenzeit nur um 4% gestiegen ist, aber der Investor mit der Anleihe 5% eingenommen hat, kann er die zusätzlichen 1% als Gewinn behalten. Voilà, risikofreie Gewinne!

Andererseits könnte man annehmen, dass Gold um 6% jährlich steigt, stärker als der Zinssatz in Höhe von 5%. In diesem Fall würde jeder nur Gold besitzen wollen! Ein Investor würde nun die Trades andersherum durchführen. Er würde durch die Ausgabe von Anleihen x Dollar einnehmen, dann Gold kaufen und das gelbe Metall halten, während es um 6% in die Höhe schnellt. Dann würde er es verkaufen und mit dem Erlös die Zinsen in Höhe von 5% zahlen und das Anleihekapital erstatten. Wie zuvor kann der Investor die zusätzlichen 1% behalten, und am Ende hat er effektiv mehr Mittel als am Anfang.

In einem umkämpften Markt können zusätzliche Gewinne wie diese nicht sehr lang existieren. Spekulanten werden sie durch Wettbewerb nichtig machen. Und so wird der Goldpreis auf das ideale Niveau festgesetzt, sodass sich die erwartete Wertsteigerung von Gold mit der Rendite von Anleihen deckt. Auf diese Weise besitzt keines der beiden Vermögenswerte einen Vorteil gegenüber dem anderen.*


Gold und Anleihen tanzen gemeinsam

Nachdem wir die Grundlage geschaffen haben, können wir nun versuchen zu verstehen, wie die Preise von Gold und Anleihen simultan sinken können.

Stellen Sie sich vor, dass die Welt anfängt, zu stagnieren. Vielleicht verbreitet sich eine Art Epidemie, die die Produktionsfähigkeit von jedem einschränkt. In Projekte investiertes Kapital ist nun weniger produktiv. Wenn Kapital weniger ertragreich ist, wird es keine so hohe Rendite einfahren wie zuvor. Und so sinkt der geforderte Zinssatz für Anleihen, sagen wir mal von 5% auf 2,5%. Anleiherenditen und Anleihepreise bewegen sich immer in entgegengesetzte Richtungen, also werden die Anleihepreise steigen. Stellen Sie es sich wie folgt vor: Wenn Zinsen auf 2,5% sinken, dann sind die bereits bestehenden Anleihen, die immer noch die alten Zinsen von 5% abwerfen, jetzt mehr wert, also werden Investoren ihren Preis in die Höhe treiben.

Nun sehen wir einmal, was mit dem Goldpreis passiert, wenn eine Epidemie ausbricht. Vor der Epidemie wurde erwartet, dass Gold mit dem Anleihezinssatz von 5% im Jahr steigt. Also von einem Eröffnungspreis von 1.500 Dollar wurde erwartet, dass er das Jahr um 5% bzw. 75 Dollar höher bei 1.575 Dollar abschließt.

Da die Epidemie die Anleiherendite auf 2,5% senkte, ist der Gewinn um 5% in Gold plötzlich besser. Doch nur für den Moment. Investoren, die nach zusätzlichen Gewinnen hungern, werden den Goldpreis schnell um 37,50 Dollar auf 1.537,50 Dollar hochtreiben. Auf diesem neuen Niveau bietet das gelbe Metall keinen besseren Gewinn mehr. Von 1.537,50 Dollar ausgehend wird es immer noch bis Jahresende auf dasselbe Niveau wie zuvor steigen, 1.575 Dollar. Aber diese Kurve ist viel flacher und ahmt denselben Gewinn um 2,5% wie bei einer Anleihe nach.


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