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Von Spiel zu Spiel

29.04.2007  |  Manfred Gburek
Die abgelaufene Woche hatte es in sich. Chronologisch: Zertifikate auf Rekordjagd, Chaos bei Siemens, Kampf zwischen Barclays und RBS um ABN-Amro, Dow Jones über 13 000 Punkten, eintägiger Rückschlag für den Gold- und Silberpreis, Dauerregen in New York und Spanien, dort Einbruch am Immobilienmarkt, Stimmung in der deutschen Wirtschaft super, Hitzewelle über Deutschland. Wieder einmal wird mir bewusst, warum ich das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" geschrieben habe, das jetzt in seine Endphase geht (Dokumentation, Gestaltung, Druck) und Ende Mai erscheinen wird: Weil all diese und andere Schlagzeilen sehr viel mit Geld zu tun haben, der Zusammenhang aber nicht immer aus den Medien hervor geht, also eine Interpretationshilfe erfordert.

Gehen wir die spannenden Themen der Reihe nach durch und beginnen wir mit Zertifikaten. Bei ihnen handelt es sich um Bankschuldverschreibungen. Sie bilden, zumindest aus Sicht privater deutscher Anleger, den wichtigsten Teil der Derivate, zu denen auch - um nur die großen Gruppen zu nennen - Aktienanleihen, Optionsscheine und Knock-out-Papiere gehören. Allein im März wurden, so das Deutsche Derivate Institut, in Frankfurt und Stuttgart Derivate im Wert von 15,2 Mrd. € gehandelt, ein Plus von etwa einem Drittel im Vergleich zum März 2006. Davon entfielen 8,6 Mrd. € auf Zertifikate, wobei das Direktgeschäft zwischen Banken und Kunden nicht mitgerechnet ist. Zertifikate gehören zu den so genannten strukturierten Finanzprodukten. Ihre Struktur ist durch Otto Normalanleger zwar oberflächlich, aber nicht im Detail nachzuvollziehen; und sie basiert auf Annahmen, die sich als richtig erweisen können - oder als falsch. Das Fazit für Anleger fällt in Anlehnung an einen alten James Dean-Film nicht eben freundlich aus: Denn sie wissen nicht, was sie tun.

Das lässt sich durchaus auch von einigen Siemens-Managern sagen. Doch hier geht es um mehr als um Bestechung, Machtkämpfe hinter den Kulissen und die weitere Auflösung der Deutschland AG. Denn Siemens ist ein kaum noch zeitgemäßes Sammelsurium an Produkten, die nichts miteinander zu tun haben. Oder sehen Sie einen Sinn darin, Osram-Glühbirnen, VDO-Tachometer, medizinische Geräte, Komponenten für Kraftwerke und für ICE-Züge unter einem Konzerndach zu vereinen? Das war angebracht, solange Siemens noch viele auf Risikostreuung bedachte Familienaktionäre hatte. Doch die sind zu einer kleinen Minderheit zusammengeschrumpft. Heute ist die Summe der Einzelteile wahrscheinlich viel mehr wert als das Ganze im Paket - übrigens eine interessante Perspektive für Anleger, allerdings unter der Voraussetzung, dass die deutsche Börse weiter freundlich bleibt.

Der Kampf um ABN-Amro ist ganz anders geartet als der Machtkampf bei Siemens. Denn die niederländische Großbank, Barclays aus England als einer der führenden Vermögensverwalter der Welt und RBS als aggressiver Hecht im Karpfenteich mit schottischem Ursprung trachten vor allem nach Größe, die sich auf diesem Umweg möglichst auch in einer steigenden Rendite auswirken soll. Die Niederländer sind offenbar nicht schnell genug groß geworden; folglich werden sie geschluckt. Bedenkenswert ist, dass es in diesem Dreikampf nicht um nützliche Produkte wie medizinische Geräte oder Kraftwerkskomponenten geht, sondern um etwas ganz Unnützes: Spielgeld. Oder um ein bekanntes Buch des Beratergurus Edgar Geffroy zu zitieren: Das einzige, was stört, ist der Kunde.

Dass der Dow Jones über die Hürde von 13.000 Punkten gesprungen ist, während der Gold- und der Silberpreis am Donnerstag eine Verschnaufpause eingelegt haben, steht offenbar in keinem direkten Zusammenhang. Bemerkenswert erscheint, dass das erste Ereignis von manchen Medien gefeiert wurde, als breche ein Zeitalter an, in dem nur noch Milch und Honig fließen. Das gilt erst recht für die Superstimmung in der deutschen Wirtschaft, abzulesen am Ifo-Geschäftsklimaindex, der innerhalb Monatsfrist von 107,7 auf 108,6 Punkte stieg, das heißt, fast bis zum höchsten Punkt der vergangenen 15 Jahre. Hier haben die Berliner Ministerien im Einklang mit den Gewerkschaften allerdings schon die Witterung für Milch und Honig aufgenommen: Was dem Bund und den Ländern an höheren Steuern zufließt, wollen sie zu ihren Gunsten einsetzen oder umverteilen.

Ob es überhaupt etwas umzuverteilen gibt, muss sich indes erst zeigen. Denn zum einen ist Deutschland noch vor nicht allzu langer Zeit einer Strafe durch die EU wegen zu hoher Verschuldung entgangen, sollte also lieber Reserven für schlechte Zeiten anlegen. Zum anderen könnten die schlechten Zeiten schneller als erwartet kommen. Denn der Dauerregen in New York und Spanien sowie die Hitzewelle in Deutschland gehören offensichtlich wieder einmal zu den Auswirkungen des Klimawandels, für dessen Eindämmung es noch gigantischer Investitionen - auch von Seiten der öffentlichen Hand - bedürfen wird. Und was den Einbruch am spanischen Immobilienmarkt betrifft: Er ist nur eines von mehreren Symptomen einer Entwicklung, für die der Begriff Spekulation allzu verniedlichend ist; denn es handelt sich um Spiel. Daraus lässt sich schließen: Falls Sie schon länger mit dem Verkauf Ihrer spanischen Finca liebäugeln, wird es jetzt höchste Zeit, sie zu verkaufen.

Fazit: Die abgelaufene Woche hat auf besonders vielfältige Weise einen Eindruck von dem vermittelt, was uns noch bevorsteht, von interessanten Geschichten rund um Aktien bis zu den möglichen Auswirkungen des Klimawandels. Legen Sie sich, mit einer gehörigen Portion an liquiden Mitteln für den schnellen Einsatz, auf die Lauer, um die daraus erwachsenden Chancen wahrzunehmen und Ihr - hoffentlich ausreichend vorhandenes - Gold- und Silberportfolio als weiterhin wichtigstes Kerninvestment zu passender Zeit um andere Anlagen zu ergänzen.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu





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