Der Flirt mit dem Euro-Inflationsschock
12.04.2020 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Box 1: Geldmenge und InflationEs gibt eine Formel in der Volkswirtschaftslehre, die die Verbindung zwischen Geldmenge und Güterpreisen aufzeigt. Das ist die Quantitätsgleichung. Sie hat folgendes Aussehen:
(1) M . V = Y . P,
wobei M = Geldmenge, V = Umlaufgeschwindigkeit (also die Häufigkeit, mit der eine Geldeinheit in einer bestimmten Periode zu Umsätzen verwendet wird), Y = Gütermenge und P = Güterpreise. Wenn man Gleichung (1) logarithmiert, erhält man Gleichung (2):
(2) m + v = y + p,
wobei die kleinen Buchstaben für Veränderung stehen. Man kann nun auch Gleichung (2) als Veränderungsraten darstellen:
(3) Δm + Δv = Δy + Δp,
wobei Δ für die Veränderung der jeweiligen Variable steht. Und nun kann man die Gleichung umstellen, so dass die Veränderung der Güterpreise auf der linken Seite steht:
(4) Δp = Δm + Δv – Δy.
Die Veränderung der Güterpreise sich erklärt also durch (i) das Geldmengenwachstum, zuzüglich (ii) der Veränderung der Umlaufgeschwindigkeit und abzüglich (iii) der Zunahme der Gütermenge. Die nachstehende Abbildung zeigt die Umlaufgeschwindigkeit der Geldmenge M3 im Euroraum von 1995 bis Ende 2019. Man erkennt, dass die Umlaufgeschwindigkeit im Zeitablauf gefallen ist.
Es errechnet sich ein Rückgang der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes von durchschnittlich etwa 3,3 Prozent pro Jahr für die gesamte Betrachtungsperiode. Von Anfang 2010 bis Ende 2019 lag sie allerdings etwas geringer, bei nur 1,9 Prozentpunkten. In unserer Beispielrechnung wird ein durchschnittlicher Rückgang der Umlaufgeschwindigkeit von M3 in Höhe von 2,7 Prozent pro Jahr angenommen.
Quelle: Refinitiv; Berechnungen Degussa. Gestrichelte Linie: linearer Trendverlauf. Periode: Q1 1995 bis Q4 2019.
Zu diesem Ergebnissen müssen allerdings folgende Anmerkungen gemacht werden:
(1) Ein Ansteigen der Geldmenge muss nicht sofort und unmittelbar preiswirksam werden, sondern der Aufwärtsdruck der Güterpreise kann sich auch zeitlich (über Jahre) strecken.
(2) Dauert der BIP-Rückgang an (ist er also nicht nur auf ein Quartal beschränkt), würde die Finanzierungslücke der "Rettungspolitik" noch größer ausfallen und mit ihr auch die Erhöhung der Geldmenge; der Aufwärtsdruck auf die Güterpreise würde noch weiter ansteigen.
(3) Zweifel in die Werthaltigkeit des Euro könnten die Umlaufgeschwindigkeit und dadurch die Inflationswirkung der Geldmengenausweitung erhöhen. Abb. 3. illustriert die möglichen Folgen der Geldmengenausweitungen auf die Konsumgüterpreise.