Vorsicht bei Edelmetallen! - Angeknackste Charttechnik
15.05.2007 | Ralf Flierl
Leser, die uns seit längerem kennen, wissen um unseren Hang zu Edelmetallen. Im Magazin behandeln wir Gold und Silber regelmäßig und ebenso Aktien aus diesen Bereichen.
Als Leser wissen Sie aber auch, dass wir uns immer wieder auch mal kritisch zu dieser Branche äußern und genau darin sehen wir ein gutes Indiz dafür, dass wir vom "analytischen Konsens" unabhängig sind. Bereits seit der April-Ausgaben des Smart Investor weisen wir auf einen möglichen Kursrutsch an den Edelmetallmärkten hin. Klar, die einschlägigen Gazetten aus dem Rohstoffbereich schreiben hierüber in der Regel nichts. Allerdings muss man sich natürlich bei diesen immer die Frage stellen, ob eine gedankliche Unabhängigkeit gegeben ist. Wir bezweifeln dies.
Zur Vorsicht mahnende Indikatoren
Aber warum sind wir zumindest auf Sicht einiger Monate skeptisch? Eine Antwort hierauf finden Sie in der Rubrik "Sentimenttechnik" auf S. 51 im aktuellen Heft (SI 5/2007). Die Advisors bzw. Berater für Gold waren zuletzt massiv bullish. Der Anteil von 80% positiven Beratern war in der Vergangenheit noch selten ein Wert, von dem aus eine nachhaltige Aufwärtsbewegung starten konnte. Hierzu passen übrigens auch die CoT-Daten welche eine deutlich Zunahme der Netto-Short-Position der Commercials in den letzten Wochen ausweist. D.h., das smarte Geld positioniert sich tendenziell für einen Kursrückgang.
Das ganze erfährt auch noch eine Bestätigung dadurch, dass sich im Dollar sowohl die Commercials auf der Long-Seite stark machen als auch die Berater zu optimistisch für den Euro sind. Insgesamt also ein stimmiges Bild, welches aus Sentiment-Sicht für tendenziell steigenden Dollar und fallende Edelmetallpreise in den kommenden Wochen oder Monaten spricht.
Charttechnik
Dass wir nun aber ausgerechnet jetzt diese Indikatoren nochmals zitieren hat mit dem aktuellen Umstand zu tun, dass sich die Edelmetalle derzeit so verhalten, als ob sie auf dem besten Wege wären, unsere Prognosen auch zu erfüllen. Nehmen wir als Beispiel das Silber. Dieses Edelmetall hat in den letzten Tagen seinen 10-monatigen Aufwärtstrend (rote Linie) nach unten gebrochen. Bis jetzt ist die Sache noch nicht sehr eindeutig, aber ein Bruch ist zunächst einmal eben ein Bruch. Wir erkennen weiterhin eine potentielle obere Umkehrformation (Kopf-Schulter), welche sich seit etwa November letzten Jahres erstreckt und welche durch die drei grünen Bögen angedeutet ist. Die grüne Nackenlinie ist jedoch noch unverletzt, weshalb man als Charttechniker eben nur von einer potentiellen Formation sprechen kann. Und obendrein verläuft knapp unterhalb der Nackenlinie auch noch der 200-Tage Gleitende Durchschnitt (blaue Linie). Auf der einen Seite kann man beim Silber von eine geballten Unterstützungsladung sprechen, auf der anderen Seite wird es eben sehr gefährlich, wenn diese Unterstützungen nach unten gebrochen werden, was spätestens bei 12,80 USD/Unze der Fall wäre. Dann muss mit einem weiteren Rutsch von 10 bis 20% gerechnet werden - vielleicht sogar bis auf das Tief von Mitte letzten Jahres bei knapp unter 10 USD.
Was tun?
Was bedeutet das für den Silber bzw. Edelmetall-Anleger (alles hier gesagte gilt in etwa auch für Gold)? Wer physisches Metall hält, für den ergibt sich vor dem Hintergrund eines solchen möglichen Einbruchs keinerlei Handlungszwang. Die Edelmetalle befinden sich in langfristigen Aufwärtstrends, und selbst wenn es zu einem solchen Einbruch, wie oben angedeutet, kommen sollte, so wird doch danach der Aufwärtstrend weitergehen. Wer Derivate hält, könnte Probleme bekommen und sollte gegebenenfalls reagieren. Aktieninvestoren können unserer Ansicht nach investiert bleiben, soweit sie in qualitativ guten Titeln engagiert sind und einen deutlichen Rückgang beim Kurs psychisch aushalten können. Sollte das nicht der Fall sein, könnte man auch einen zeitweisen Ausstieg in Erwägung ziehen, soweit andere Überlegungen, wie z.B. steuerliche, dem nicht entgegenstehen. Langfristig jedenfalls erscheint uns nichts gegen eine Fortsetzung des Bullenmarktes bei den Edelmetallen zu sprechen, dafür spricht alleine schon die Inflation, welche als Phänomen im kommenden Heft besprochen wird. D.h. sollte es zu besagtem Rückgang bei den Edelmetallen kommen, würden wir antizyklisch Positionen in Edelmetallaktien aufbauen.
Musterdepot
Unsere beiden Öl- und Gas-Aktien wiesen zuletzt sowohl operativ als auch im Kursverlauf eine divergierende Entwicklung auf. Während das Papier von Canadian Natural unterstützt von starken Ergebniszahlen und einem robusten Ausblick für die nächsten Quartale - der Vorstand prognostiziert für 2007 einen Cash Flow aus operativer Tätigkeit zwischen 6,0 und 6,5 Mrd. CAD - ein neues Allzeithoch markieren konnte, legten Statoil den Rückwärtsgang ein. Die Börse reagierte enttäuscht auf die Meldung, wonach der größte norwegische Ölförderer seine zuvor für das Jahr ausgegebene Produktionsmenge nicht erreichen wird. So senkte man die prognostizierte tägliche Fördermenge um rund 8% auf 1,15 bis 1,2 Mio. Barrel. Die hohe Dividendenrendite von über 5% sollte die Aktie allerdings nach unten hin absichern. Wir sehen folglich vorerst von einem Verkauf ab.
Der Kurs von Gold Fields kam zuletzt mächtig unter Druck nachdem der Gewinn dieses südafrikanischen Goldproduzenten im ersten Quartal um fast ein Viertel zurückging (aufgrund des steigenden US-Dollars und operativen Problemen bei Minen in Ghana). Im Augenblick tendieren wir aber noch dazu den Titel zu halten. Dafür sprechen einfach die enormen Reserven dieser Firma, welche eine durchschnittliche Minenlebensdauer von weit über 20 Jahren nahe legen. Zudem könnte Gold Fields von einem wieder erstarkenden US-Dollar profitieren, da damit auch deren Erlöse aus den Gold-Verkäufen ansteigen würden.
Fazit
An den Aktienmärkten haben sich gegenüber den letzten Wochen keine neuen Prämissen ergeben. Die Aufwärtstrends sind intakt und es gilt nun nach möglichen Trendumkehren Ausschau zu halten. Was die kommende Inflation langfristig für die Aktienmärkte bedeutet, darüber finden Sie mehr im nächsten Heft. Bei den Edelmetallen sehen wir Gefahren kurz- und mittelfristiger Art. Mehr auch hierzu im nächsten Heft, in welchem übrigens neben der Inflation Nicht-Edelmetalle einen besonderen Schwerpunkt bilden werden.
© Ralf Flierl, Marcus Wessel
Quelle: Auszug aus "Smart Investor Weekly" 20/2007
Als Leser wissen Sie aber auch, dass wir uns immer wieder auch mal kritisch zu dieser Branche äußern und genau darin sehen wir ein gutes Indiz dafür, dass wir vom "analytischen Konsens" unabhängig sind. Bereits seit der April-Ausgaben des Smart Investor weisen wir auf einen möglichen Kursrutsch an den Edelmetallmärkten hin. Klar, die einschlägigen Gazetten aus dem Rohstoffbereich schreiben hierüber in der Regel nichts. Allerdings muss man sich natürlich bei diesen immer die Frage stellen, ob eine gedankliche Unabhängigkeit gegeben ist. Wir bezweifeln dies.
Zur Vorsicht mahnende Indikatoren
Aber warum sind wir zumindest auf Sicht einiger Monate skeptisch? Eine Antwort hierauf finden Sie in der Rubrik "Sentimenttechnik" auf S. 51 im aktuellen Heft (SI 5/2007). Die Advisors bzw. Berater für Gold waren zuletzt massiv bullish. Der Anteil von 80% positiven Beratern war in der Vergangenheit noch selten ein Wert, von dem aus eine nachhaltige Aufwärtsbewegung starten konnte. Hierzu passen übrigens auch die CoT-Daten welche eine deutlich Zunahme der Netto-Short-Position der Commercials in den letzten Wochen ausweist. D.h., das smarte Geld positioniert sich tendenziell für einen Kursrückgang.
Das ganze erfährt auch noch eine Bestätigung dadurch, dass sich im Dollar sowohl die Commercials auf der Long-Seite stark machen als auch die Berater zu optimistisch für den Euro sind. Insgesamt also ein stimmiges Bild, welches aus Sentiment-Sicht für tendenziell steigenden Dollar und fallende Edelmetallpreise in den kommenden Wochen oder Monaten spricht.
Charttechnik
Dass wir nun aber ausgerechnet jetzt diese Indikatoren nochmals zitieren hat mit dem aktuellen Umstand zu tun, dass sich die Edelmetalle derzeit so verhalten, als ob sie auf dem besten Wege wären, unsere Prognosen auch zu erfüllen. Nehmen wir als Beispiel das Silber. Dieses Edelmetall hat in den letzten Tagen seinen 10-monatigen Aufwärtstrend (rote Linie) nach unten gebrochen. Bis jetzt ist die Sache noch nicht sehr eindeutig, aber ein Bruch ist zunächst einmal eben ein Bruch. Wir erkennen weiterhin eine potentielle obere Umkehrformation (Kopf-Schulter), welche sich seit etwa November letzten Jahres erstreckt und welche durch die drei grünen Bögen angedeutet ist. Die grüne Nackenlinie ist jedoch noch unverletzt, weshalb man als Charttechniker eben nur von einer potentiellen Formation sprechen kann. Und obendrein verläuft knapp unterhalb der Nackenlinie auch noch der 200-Tage Gleitende Durchschnitt (blaue Linie). Auf der einen Seite kann man beim Silber von eine geballten Unterstützungsladung sprechen, auf der anderen Seite wird es eben sehr gefährlich, wenn diese Unterstützungen nach unten gebrochen werden, was spätestens bei 12,80 USD/Unze der Fall wäre. Dann muss mit einem weiteren Rutsch von 10 bis 20% gerechnet werden - vielleicht sogar bis auf das Tief von Mitte letzten Jahres bei knapp unter 10 USD.
Was tun?
Was bedeutet das für den Silber bzw. Edelmetall-Anleger (alles hier gesagte gilt in etwa auch für Gold)? Wer physisches Metall hält, für den ergibt sich vor dem Hintergrund eines solchen möglichen Einbruchs keinerlei Handlungszwang. Die Edelmetalle befinden sich in langfristigen Aufwärtstrends, und selbst wenn es zu einem solchen Einbruch, wie oben angedeutet, kommen sollte, so wird doch danach der Aufwärtstrend weitergehen. Wer Derivate hält, könnte Probleme bekommen und sollte gegebenenfalls reagieren. Aktieninvestoren können unserer Ansicht nach investiert bleiben, soweit sie in qualitativ guten Titeln engagiert sind und einen deutlichen Rückgang beim Kurs psychisch aushalten können. Sollte das nicht der Fall sein, könnte man auch einen zeitweisen Ausstieg in Erwägung ziehen, soweit andere Überlegungen, wie z.B. steuerliche, dem nicht entgegenstehen. Langfristig jedenfalls erscheint uns nichts gegen eine Fortsetzung des Bullenmarktes bei den Edelmetallen zu sprechen, dafür spricht alleine schon die Inflation, welche als Phänomen im kommenden Heft besprochen wird. D.h. sollte es zu besagtem Rückgang bei den Edelmetallen kommen, würden wir antizyklisch Positionen in Edelmetallaktien aufbauen.
Musterdepot
Unsere beiden Öl- und Gas-Aktien wiesen zuletzt sowohl operativ als auch im Kursverlauf eine divergierende Entwicklung auf. Während das Papier von Canadian Natural unterstützt von starken Ergebniszahlen und einem robusten Ausblick für die nächsten Quartale - der Vorstand prognostiziert für 2007 einen Cash Flow aus operativer Tätigkeit zwischen 6,0 und 6,5 Mrd. CAD - ein neues Allzeithoch markieren konnte, legten Statoil den Rückwärtsgang ein. Die Börse reagierte enttäuscht auf die Meldung, wonach der größte norwegische Ölförderer seine zuvor für das Jahr ausgegebene Produktionsmenge nicht erreichen wird. So senkte man die prognostizierte tägliche Fördermenge um rund 8% auf 1,15 bis 1,2 Mio. Barrel. Die hohe Dividendenrendite von über 5% sollte die Aktie allerdings nach unten hin absichern. Wir sehen folglich vorerst von einem Verkauf ab.
Der Kurs von Gold Fields kam zuletzt mächtig unter Druck nachdem der Gewinn dieses südafrikanischen Goldproduzenten im ersten Quartal um fast ein Viertel zurückging (aufgrund des steigenden US-Dollars und operativen Problemen bei Minen in Ghana). Im Augenblick tendieren wir aber noch dazu den Titel zu halten. Dafür sprechen einfach die enormen Reserven dieser Firma, welche eine durchschnittliche Minenlebensdauer von weit über 20 Jahren nahe legen. Zudem könnte Gold Fields von einem wieder erstarkenden US-Dollar profitieren, da damit auch deren Erlöse aus den Gold-Verkäufen ansteigen würden.
Fazit
An den Aktienmärkten haben sich gegenüber den letzten Wochen keine neuen Prämissen ergeben. Die Aufwärtstrends sind intakt und es gilt nun nach möglichen Trendumkehren Ausschau zu halten. Was die kommende Inflation langfristig für die Aktienmärkte bedeutet, darüber finden Sie mehr im nächsten Heft. Bei den Edelmetallen sehen wir Gefahren kurz- und mittelfristiger Art. Mehr auch hierzu im nächsten Heft, in welchem übrigens neben der Inflation Nicht-Edelmetalle einen besonderen Schwerpunkt bilden werden.
© Ralf Flierl, Marcus Wessel
Quelle: Auszug aus "Smart Investor Weekly" 20/2007