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Gold und die Zentralbanken: Welteke will verkaufen, Japan warnt die USA

06.04.2004  |  Dr. Bruno Bandulet
Im April 2003 endete die G&M-Serie "Das Gold der Deutschen" mit dem Hinweis: "Jedenfalls müssen wir uns darauf einrichten, daß die Goldpolitik der Bundesbank - vielleicht ab dem Winter 2003/2004 - zu einem wichtigen Thema am Markt werden wird."

Inzwischen ist genau dies passiert. Bundesbankpräsident Welteke (SPD) brütete zusammen mit den Genossen in Berlin den Plan aus, jährlich 120 Tonnen Gold über fünf Jahre (zusammen also 600 Tonnen) zu verkaufen, den Erlös in einen Bildungsfonds einzubringen und mit den Zinserträgen Aufgaben zu finanzieren, für die bisher der Staat zuständig war.

Als das Hamburger Magazin Der Spiegel meldete, Welteke habe für seinen Plan nicht einmal eine Mehrheit im Bundesbankvorstand, blieb diesem nichts anderes übrig, als sich in einem Beschluß vom 29. Januar hinter seinen Präsidenten zu stellen.

Proteste in der Öffentlichkeit waren keine zu hören. Das erklärt sich wohl daraus, daß vor allem unter den Politikern der Kenntnisstand über die Aufgaben einer Notenbank und über Sinn und Zweck ihrer Reserven ziemlich nahe bei Null liegt.

Höchst irritiert ist die Europäische Zentralbank mit ihrem neuen Präsidenten Jean-Claude Trichet. Über die Frankfurter Allgemeine ließ die EZB am 23. Februar durchsickern, daß die Einmischung einer Regierung in die Arbeit einer Notenbank rechtswidrig sei, daß der Welteke-Plan in einer "Grauzone" angesiedelt sei und daß der Bundesbank eine verdeckte Finanzierung staatlicher Aufgaben nicht erlaubt werden könne. Ein diplomatisch nur schwach verbrämter Rüffel für Welteke also - und die erste derartige Zurechtweisung einer nationalen Notenbank durch die EZB.

Dennoch wird die EZB das unseriöse Welteke-Vorhaben am Ende wahrscheinlich nicht kippen - auch deswegen nicht, weil nur ein relativ kleiner Teil der deutschen Goldreserven auf dem Spiel steht.

Bekanntlich hatten sich 15 europäische Notenbanken am 26. September 1999 darauf geeinigt, innerhalb von fünf Jahren maximal 2000 Tonnen Gold zu veräußern. Das damalige "Washington Agreement" hatte umgehend eine Goldpreisexplosion zur Folge, weil die Marktteilnehmer bis dahin tatsächlich geglaubt hatten, der Goldpreis könne wegen der Notenbankverkäufe nur noch fallen.

Unter dem Abkommen, das Ende September 2004 ausläuft, entfiel der größte Teil der Verkäufe auf die Schweiz: bis kommenden September werden es mehr oder weniger 1170 Tonnen sein. Damit wäre das Schweizer Verkaufsprogramm in Höhe von 1300 Tonnen bis auf einen kleinen Rest abgeschlossen.

Bis zum Frühjahr wollen sich die Beteiligten auf ein neues Abkommen einigen. Laufzeit und Größenordnung werden voraussichtlich von der bisherigen Vereinbarung nicht wesentlich abweichen. Neben der Bundesbank werden wohl auch Italien und Österreich unter den Verkäufern sein. Der wirkliche Tabubruch bestünde in Goldverkäufen der traditionell souveränitätsbewußten Franzosen, wofür freilich keine Indizien vorliegen.

Daß die regierenden Sozialdemokraten sich irgendwann am deutschen Goldschatz vergreifen würden, der aus der Zeit des Wirtschaftswunders stammt, war zu erwarten. Der Sozialismus hat sich schließlich schon immer dadurch definiert, daß er vom Substanzverzehr lebt. Wenn alles verjubelt ist, endet die Party.

Als die Bundesbank noch souverän und mächtig war und von Leuten wie Schlesinger geführt wurde, hätte sie nicht im Traum daran gedacht, die Aktivseite ihrer Bilanz auf diese Weise zu schwächen. Dort standen Ende 2003 Gold und Goldforderungen in Höhe von 36,5 Milliarden Euro und Auslandsguthaben im Wert von 32,5 Milliarden Euro. Bei letzteren handelt es sich hauptsächlich um Dollars. Rechnet man noch die Forderungen an den Internationalen Währungsfonds hinzu (7,6 Milliarden Euro), dann sind die Währungsreserven Deutschlands komplett.

Gold- und Dollarreserven sind also in etwa gleich groß. Erstere haben seit der Euro-Einführung im Januar 1999 an Wert gewonnen, letztere haben in der jüngsten Vergangenheit drastisch verloren. Ein anderer Unterschied: der Teil des Goldes, der nicht ausgeliehen ist, birgt keinerlei Bonitätsrisiko. Gold kann nicht pleite gehen. Die Dollarreserven hingegen existieren nur elektronisch, können von den USA beliebig abgewertet werden, und im schlimmsten Fall können sie ihren Wert ganz verlieren. Ergo ist Gold die bessere Währungsreserve. Wenn in Frankfurt überhaupt etwas verkauft werden muß, dann der US-Dollar - am besten gegen chinesische Yuan, sobald das möglich ist.

Welteke gleicht einem Mann, der seine Versicherung kündigt, weil er sie gerade nicht braucht. Wer weiß denn schon, was geopolitisch, finanziell und monetär in den nächsten 10 oder 20 Jahren passiert? Vielleicht muß der Goldstandard wieder eingeführt werden. Vielleicht entschließt sich die EZB (was vor ihrer Gründung ernsthaft erwogen wurde), den Euro-Banknoten eine offizielle Golddeckung zu geben. Oder (was sich die Bundesbank früher auch schon überlegt hat) der Euro scheitert am Ende doch, Deutschland muß die D-Mark wieder einführen und braucht dazu das Gold als vertrauensbildende Basis.

Dazu müßte es allerdings in Deutschland liegen. Daß sich der größere Teil der deutschen Goldreserven in Verwahrung der Federal Reserve Bank of New York befindet und faktisch schwer zurückgeholt werden kann, konnten Sie schon in der G&M-Serie "Das Gold der Deutschen" lesen. Wenn Welteke einer Kriegslist fähig wäre, würde er in New York verkaufen und anschließend mit Goldkäufen am freien Markt den bundesbankeigenen Tresor in Frankfurt auffüllen. Aber eine derartige Raffinesse wollen wir ihm nicht unterstellen. Anzunehmen ist aber, daß er im Zuge etwaiger Goldabgaben die Bestände in New York reduziert - und nicht die in Frankfurt.

Ende Januar platzte in die europäische Golddiskussion eine Meldung aus Tokio. Dort hatte Finanzminister Tanigaki vor einem Parlamentsausschuß angedeutet, Japan könne einen Teil seiner riesigen Devisenreserven in Gold umtauschen. Der Minister hatte hinzugefügt: "Da dies den Goldmarkt beeinflussen könnte, werden wir die verschiedenen Dinge sorgfältig in Erwägung ziehen."

Tanigaki erlaubte sich ein Understatement. Einfache Rechnung: Die Devisenreserven Japans betragen 680 Milliarden Dollar. Wenn davon 30% in Gold angelegt werden, muß Japan 14 500 Tonnen kaufen. Das bedeutet, daß alle Goldminen der Welt mehr als fünf Jahre lang ausschließlich für die japanische Notenbank arbeiten müßten. Und diese 14 500 Tonnen wären mehr als alle Euro-Länder zusammen an Goldreserven halten. Die Vorstellung ist also unrealistisch, Japan könne seine Goldreserven zu annehmbaren Preisen auch nur annähernd auf einen europäischen oder amerikanischen Prozentsatz hochfahren.

Offizielle Goldreserven
LandTonnenAnteil an Devisenreserven
 USA8135,4 58,2% 
 Deutschland3439,5 45,3% 
 IWF3217 
 Frankreich3024,8 55,2% 
 Italien2451,8 47,4% 
 Schweiz1666,2 32,3% 
 Niederlande800,5 47,3% 
 EZB766,9 
 Japan765,2 1,5% 
 China600,3 1,9% 
 Spanien523,4 21,9% 
 Portugal517,2 51,0% 
 Taiwan423,6 2,7% 
 Rußland388,2 7,4% 
 Indien357,7 4,8% 

Quelle: International Financial Statistics des IWF, Stand Dezember 2003, sowie World Gold Council. Bei der Berechnung des Goldanteils an den Devisenreserven wurde ein Goldpreis von $ 386,25 zu Grunde gelegt. Zu IWF und EZB: Dort läßt sich die Prozentangabe auf Grund der Bilanzen nicht ausrechnen.

Hinweis G&M: Die chinesischen Goldreserven werden nicht vollständig an den Internationalen Währungsfonds gemeldet und dürften nach unseren Informationen doppelt so hoch liegen. Alle offiziellen Goldreserven der Welt wurden im Dezember 2003 mit 31 964,3 Tonnen angegeben. Davon entfielen auf die Notenbanken der Euro-Zone und auf die EZB 12 294,5 Tonnen.

G&M vermutet, daß Tanigaki die USA zunächst nur warnen wollte. Er wollte darauf hinweisen, daß Japan Handlungsalternativen besitzt, und er wollte die Amerikaner auffordern, keinen Druck in Richtung Yen-Aufwertung auszuüben.

Das ändert freilich nichts daran, daß Japan und China ein grundsätzliches Problem haben: ihre Devisenreserven sind extrem dollarlastig. Sie sind nicht wertbeständig, weil sie von Washington nach Belieben abgewertet werden können. Und sie sind nicht einmal sicher, weil sie im Falle eines Konfliktes (das betrifft vor allem China) jederzeit einseitig gesperrt werden können.

Die Asiaten sind sich des Problems vollkommen bewußt, aber noch halten sie sich an die stillschweigende Vereinbarung mit den USA. Die Gegenleistung dafür, daß sie in großen Mengen nach Amerika exportieren dürfen, besteht nämlich darin, daß sie Papiere des US-Schatzamtes aufkaufen, damit die amerikanischen Defizite finanzieren und dafür sorgen, daß die US-Zinsen niedrig bleiben und das Kartenhaus des amerikanischen Finanzsystems nicht einstürzt. Ein Arrangement, hinter dem sich nichts anderes verbirgt als ein realer Gütertransfer aus Asien in die USA - ein Gütertransfer, der wesentlich dabei hilft, den Lebensstandard der amerikanischen Massen aufrechtzuerhalten.

Fragt sich nur, wie lange das so bleibt. Voraussehbar ist, daß die Asiaten einen eigenen großen Kapitalmarkt aufbauen, die Vorteile ihres riesigen Binnenmarktes voll ausschöpfen, ihre Exportabhängigkeit reduzieren und ihre enormen Ersparnisse in der Region investieren werden anstatt sie den USA zur Verfügung zu stellen. Dieses Szenario wird in den nächsten Jahren unweigerlich zur Realität werden. Dann stellt sich endgültig auch die Frage nach der Zusammensetzung der asiatischen Devisenreserven. Und dann kommt auch das Thema der viel zu geringen asiatischen Goldreserven aufs Tapet. Wer glaubt, die jetzigen Verhältnisse seien von Dauer, irrt sich gewaltig.


© Dr. Bruno Bandulet
Quelle: aus "Gold & Money Intelligence", Ausgabe März 2004



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