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Crash-Variationen

27.05.2007  |  Manfred Gburek
Was tut jemand, der früher ein wichtiges Amt inne hatte und danach in den Ruhestand verabschiedet wurde? Ein ehemaliger Vorstandsvorsitzender wird dann allzu oft - noch - Chef des Aufsichtsrats. Doch wie der Fall Siemens zeigt, gehen diese Zeiten zu Ende: Heinrich von Pierer musste seinen Chefposten als Oberaufseher des Elektrokonzerns vorzeitig räumen. Und was tut jemand, der - wie Alan Greenspan - als oberster Währungshüter zwar in Ehren gehen durfte, aber danach in ein Machtloch fiel? Er kompensiert den Machtverlust, wenigstens zum Teil, durch das Erheischen öffentlicher Aufmerksamkeit. Dieses Ritual kennen wir von ehemaligen deutschen Kanzlern, wie zuletzt von Helmut Kohl und Gerhard Schröder, die ihre Memoiren schrieben. Oder die, wie Kohl-Vorgänger Helmut Schmidt, bis ins hohe Alter die Welt in Sachen Ökonomie eines Besseren zu belehren versuchten.

Erst in diesem Zusammenhang wird klar, was es mit Greenspans jüngsten Warnungen vor einem von China ausgehenden Börsencrash auf sich hat: nichts von Bedeutung. Ohne die Weisheit des alten Herrn in Zweifel ziehen zu wollen: Fast alle Crash-Warnungen funktionieren nach dem so genannten Fünf-vor-zwölf-Ritual. Das heißt, wer sie abgibt, hat genau zwei Mal in 24 Stunden Recht. Ist es zum Zeitpunkt der Abgabe der Warnung zufällig gerade fünf vor zwölf, darf der oder die Betreffende sich als Crash-Guru feiern lassen. Prominente Beispiele: Elaine Garzarelli, Robert Prechter und Roland Leuschel - um nur drei zu nennen, die es wegen ihres großen intellektuellen Formats gar nicht nötig gehabt hätten, einen Crash vorherzusagen.

Greenspan ist natürlich ein Sonderfall. Das allein schon deshalb, weil er als Chef des amerikanischen Fed-Systems fast zwei Jahrzehnte lang ganz andere Aufgaben hatte, als vor einem Crash zu warnen. Oder anders herum, krass formuliert: Für ihn war der Crash vom 19. Oktober 1987 ein Glücksfall. Denn der geschah kurz nach Greenspans Amtseinführung und gab diesem die Gelegenheit, sich aus dem Stand zu profilieren. Er ergriff diese einmalige Gelegenheit beim Schopf, indem er die Geldschleusen weit öffnete. Die Folge: Der ganze Spuk mit einem Tagesminus von 22,6 Prozent im Dow Jones löste sich schnell in nichts auf, zumindest an der Wall Street. Woanders, etwa in Deutschland, hielt der Spuk noch einige Monate an. Warum, war offensichtlich: Wer Aktien an der deutschen Börse verkaufte, bekam den Gegenbetrag nach nur zwei Börsentagen auf dem Konto gutgeschrieben. Diese Regelung hinterließ bei deutschen Aktien zwangsläufig schlimmere Spuren als in anderen Ländern, wo zwischen Verkauf und Gutschrift fünf oder mehr Börsentage lagen - und zum größten Teil noch bis heute liegen.

Der letzte Punkt wird beim nächsten Crash, wann immer er kommen und wodurch auch immer er ausgelöst werden mag, wieder eine entscheidende Rolle spielen. Allein schon von daher ist der DAX beim Stand von zum Beispiel 7700 Punkten viel mehr gefährdet als der Dow Jones über 13 000 Punkten. Hinzu kommt das große Potenzial an Gewinnmitnahmen aufgrund seines starken Anstiegs in den vergangenen Jahren. Es erhöht sich noch durch die Anleger, die in Dollar abrechnen, sofern sie bei einem niedrigeren Euro im Vergleich zum Dollar eingestiegen sind.

Alles zu kompliziert? Dann machen wir es einfach: Der ehemalige Fed-Chef warnt neuerdings vor einem Crash, wie er es schon einmal tat: am 5. Dezember 1996 mit seiner Floskel vom irrationalen Überschwang ("irrational exuberance"). Danach vergingen über drei Jahre mit aufwärts gerichteten Aktienkursen, allerdings unterbrochen durch zwei heftige Abwärtsreaktionen (Asienkrise 1997 und LTCM-Hedgefonds-Krise 1998), bis sich die schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten und die Börsen vom Frühjahr 2000 bis zum Frühjahr 2003 tatsächlich zusammenkrachten. Das war der berüchtigte Salami-Crash. Ob wir uns heute, analog zur zweiten Hälfte der 90er Jahre, noch lange Zeit oder schon unmittelbar vor der nächsten Krise als Auslöser eines Börsenkrachs befinden, weiß kein Mensch. Tatsache ist indes, dass das Gefährdungspotenzial überreichlich vorhanden ist: Zinsanstieg (zehnjährige Rendite in Deutschland heute bei fast 4,4 Prozent), international Billionen schwere Spiele mit Derivaten, Abwälzen von Kreditrisiken in Systeme zur Altersversorgung, unkontrollierte Hedgefonds, durch hohes Fremdkapital finanzierte Firmenübernahmen, Abschmelzen von Wertpapier- und Immobilienbeständen aufgrund des demografischen Faktors, hohe Schulden des Staates, der Unternehmen und Privatpersonen in den USA, Platzen der amerikanischen und nun auch der spanischen Immobilienblase.

Welche Rolle spielt in diesem Szenario eigentlich das Gold? Dazu gibt es drei plausible Antworten: 1. Wenn der Crash auf sich warten lässt, werden alle Edelmetalle ihren Anstieg fortsetzen. 2. Wenn es zum Crash und damit zu einer umfangreichen Liquidationswelle kommt, wird Gold - noch mehr Silber und Platin - zunächst schon deshalb nach unten mitgerissen, weil die Preise der Edelmetalle in den vergangenen Jahren gestiegen sind, wenn auch nicht so stark wie die Aktienkurse. 3. Spekulativ am reizvollsten ist für Goldanleger die Phase danach, nämlich wenn die Zentralbanken die Geldschleusen ein weiteres Mal öffnen, um eine internationale Finanzkrise abzuwenden. Denn in diesem Fall dürfte Gold zum einen von der Geldschwemme als solcher profitieren, zum anderen von seiner Funktion als sicherer Hafen.

Fazit: Beziehen Sie alle drei Varianten in Ihre Überlegungen ein. Verkaufen Sie Ihre Aktien und Aktienfonds mit hohen Kursgewinnen, bevor es zu spät ist. Und beobachten Sie relevante Daten, wie Renditen, Edelmetallpreise, DAX, Dow Jones & Co. von nun an möglichst täglich.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



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