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Folker Hellmeyer: US-Inflation massiv geschönt

03.07.2007  |  Smart Investor
Smart Investor sprach mit Folker Hellmeyer, Chefanalyst Financial Markets der Bremer Landesbank, über Manipulationen bei der Inflationsberechnung Folker Hellmeyer (45) kommentiert regelmäßig für die ARD, auf n-tv, Bloomberg und auch im NDR das Geschehen an den Finanzmärkten. Bevor er 2002 zur Bremer Landesbank wechselte, war er unter anderem mehrere Jahre als Chefanalyst bei der Helaba und als Devisenhändler für die Deutsche Bank tätig.


Smart Investor: Warum wurden in den USA seit den 90er Jahren die Methoden zur Berechnung der offiziellen Inflation mehrfach verändert?

Hellmeyer: Grundsätzlich gibt es von Seiten der Politik seit Jahrzehnten den Versuch, Wirtschaftsdaten so zu beeinflussen, dass Wiederwahlen nicht gefährdet sind. Bei der Ermittlung der Verbraucherpreisinflation wurden die Berechnungsmethoden auf verschiedene Weise verändert. Dahinter steht eindeutig ein politischer Wille: Weist man die Inflation niedriger aus, so kann man dem Publikum auch höhere BIP-Wachstumsraten und schönere Produktivitätszuwächse vorgaukeln.


Smart Investor: Wie wurde die Berechnung manipuliert, und wie wirkt sich das im Ergebnis auf die Inflationsrate aus?

Hellmeyer: Mit den Mitteln der Hedonik, des Surrogatansatzes, der geometrischen Gewichtung und der Interventionsbereinigung wurde unter anderem der obige politische Zielkatalog verfolgt. Ohne diese neuen Berechnungsmethoden müsste die US-Regierung die Inflation nicht mit knapp 3%, sondern mit ca. 6% ausweisen.


Smart Investor: Sie beziehen sich auf die von John Williams auf www.shadowstats.com veröffentlichten Analysen. Sie halten seine Berechnungen für seriös?

Hellmeyer: Ich halte sie für absolut glaubwürdig und benutze sie gelegentlich auch für eigene Reporte. Nach 1992 änderte die US-Regierung die Berechnungsmethoden für den Verbraucherpreisindex mehrfach. Williams übernahm diese Manipulationen nicht und kommt so zu einem wesentlich höheren Preisanstieg.


Smart Investor: Bitte erklären Sie die Methoden etwas detaillierter.

Hellmeyer: Im Rahmen der Hedonik werden Qualitätsverbesserungen preislich berücksichtigt. Insbesondere bei technologischen Gütern, die zum großen Teil in sehr kurzer Zeitspanne von markanten Wertverlusten gekennzeichnet sind, kann der Preisindex sehr leicht manipuliert werden. Der Surrogatansatz wirkt wie folgt: Wenn die Rindfleischpreise um 30% steigen, die Preise für Putenfleisch aber nur um 2%, dann wird Rindfleisch aus der Berechnung herausgenommen und durch Putenfleisch ersetzt. Die geometrische Gewichtung verläuft ähnlich: Güter mit erhöhtem Preisanstieg werden anteilsmäßig geringer gewichtet als solche mit einem niedrigeren Preisanstieg.


Smart Investor: Mit welcher Begründung kann man denn so ein Vorgehen rechtfertigen?

Hellmeyer: Es wird unterstellt, die amerikanischen Verbraucher verhielten sich in Bezug auf den Preis rational und kaufen die teureren Güter weniger, fragen dafür aber die billigeren vermehrt nach. Das ist natürlich Unsinn, denn es ist ja gerade die im Verhältnis zu anderen Gütern höhere Nachfrage, die einige Preise schneller steigen lässt als andere. Darüber hinaus führt ein derartiger Ansatz zu einer qualitativen Minderung des Warenkorbs.


Smart Investor: Wie kann man sich die Interventionsbereinigung vorstellen?

Hellmeyer: Wenn die Statistiker davon überzeugt sind, dass ein Preisanstieg in einer bestimmten Güterklasse nur vorübergehend ist, dann wird dieser vollkommen ignoriert. So z.B. geschehen Anfang 2005: Energieprodukte sind im Monatsverlauf um mehr als 10% gestiegen. Man ging aber davon aus, dass es sich hier nur um eine kurzfristige Irritation handelt, und nahm stattdessen einen Preisrückgang von 1,1% an.


Smart Investor: Wie sieht es in Europa aus?

Hellmeyer: Im Vergleich zu den Amerikanern sind wir Europäer hier erst Grundschüler und noch keine Akademiker. Aber wir haben z.B. bereits den hedonischen Ansatz übernommen und gehen in der Tendenz ähnliche Wege. Auch unsere Politiker wollen ihre Wiederwahl nicht durch unpassende Wirtschaftsdaten gefährden.


Das Interview führte Daniel Haase. Quelle: "Smart Investor", Ausgabe 06/2007



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