Dollar, Inflation und Stagnation
15.06.2007 | Klaus Singer
In den vergangenen Tagen zeigte sich eine besondere Sensibilität der Finanzmärkte für die Entwicklung des Währungspaares Euro/Dollar. Als klar war, dass die Marke von 1,34 bricht, setzte eine heftige Korrektur bei Aktien ein, gepaart mit einem drastischen Abverkauf bei den TBonds. Als 1,33 kurzzeitig unterboten wurde, drohte eine Verschärfung der Korrektur. Diese Gefahr scheint aktuell zunächst gebannt. Gut möglich, dass auch der große Verfallstag am jetzigen Freitag hier ein Rolle spielt.
Im Chart sind die weiteren Treppenstufen schön zu erkennen: Nach 1,33 liegt bei gut 1,29 die nächste Unterstützung, darunter dann 1,25, dann 1,20. Zur Erinnerung: Das Allzeit-Hoch beim Euro/Dollar liegt knapp 1,37. Die Dollar-bärischen Stimmen werden leiser, die seinen Bruch und dann den Kollaps des Greenback sehen.
In den vergangenen Jahren war immer wieder deutlich geworden, dass die Finanzmärkte einen schwachen Dollar vorziehen. Das ist ja auch scheinbar die eleganteste Lösung: Das Ausland kauft mehr oder weniger bereitwillig amerikanische Staatsschulden, um die Abwärtsbewegung des Dollar im Interesse ihrer Exportwirtschaft zu bremsen. Importierte Inflationseffekte halten sich in Grenzen, weil die Weltmarktpreise der meisten Waren dank Globalisierung stagnieren oder sogar sinken. Und das Zinsniveau am langen Ende bleibt so ebenfalls niedrig.
Dieser Zusammenhang scheint jetzt gestört. Je mehr sich das Währungspaar Euro/Dollar von seinem Allzeithoch entfernt, je stärker scheinen Bedenken aufzukommen. In der Tat erscheint eine nachhaltige Aufwärtsbewegung des Währungspaares immer weniger wahrscheinlich. Welche Gründe lassen sich anführen?
Aktuell wird wieder einmal das Inflationsgespenst herumgeschickt, gepaart mit güterwirtschaftlicher Stagnation und hohen Leitzinsen - "Stagflation". In der Tat ist zu erwarten, dass die Preise für Nahrungsmittel künftig nachhaltig steigen werden. Eine immer größere Weltbevölkerung muss angesichts von durch Klimawandel tendenziell unproduktiverer Landwirtschaft satt werden. Zudem wird das für die Nahrungsmittel-Gewinnung verfügbare Areal durch den zunehmenden Anbau von für die Energiegewinnung genutzten Pflanzen eingeschränkt. Auch die Energiekosten dürften hoch bleiben.
Lange Jahre hat das niedrige Kostenniveau in China und anderswo dafür gesorgt, dass ein immer größerer Teil des westlichen Warenbedarfs von dort aus befriedigt wird. Ein künstlich schwach gehaltene eigene Währung machte das Angebot zusätzlich preislich attraktiv. Diese Abhängigkeit lässt sich nicht so einfach zurückdrehen und verleiht den Produzentenländern Preismacht. Dadurch dürfte einerseits dern globalisierungsbedingte Druck auf die Preise nachlassen, auf der anderen Seite ist aber der Nachfrage-Effekt zu berücksichtigen: Steigenden Preisen bei Nahrungsmitteln und Energie kann der Verbraucher nicht so einfach entkommen. Da diese Produkte zur Lebensgrundlage gehören, haben die Anbieter hier die Macht, steigende Preise auch durchzusetzen. Wenn aber ein immer bedeutender Teil des privaten Einkommens für Energie und Nahrungsmittel ausgegeben werden muss, dann fehlt die Nachfrage woanders, bei den hoch profitablen Industrieprodukten,
In der Konsequenz bleiben die deflationären Tendenzen bei der wirtschaftlich bedeutendsten Warengruppe der modernen Wirtschaft, der Elektronik, erhalten, im nicht zur Kernrate gehörenden Warengruppen-Bereich hingegen dürften die Preise weiter steigen. Eine tiefer werdende Kluft zwischen weiter niedriger Kernrate und Gesamt-Preisindex tut sich auf.
Die Inflationssorgen erhalten somit neue Nahrung, diesmal aber aus einer Ecke, die negative Auswirkung auf zukünftige Wachstumsdynamik hat. Stagflation ist in der Tat ein nicht unrealistisches Szenario. Daraus wird keine Hyperinflation, aber die Botschaft ist klar, das Zinsniveau wird hoch bleiben. Liegt der Fokus der Fed auf den Preisen, tut die hieraus resultierende rigide Zinspolitik ein übriges, um das Wachstum zusätzlich zu dämpfen.
Nachdem bisher die Erwartung bald sinkender US-Zinsen den Dollar gegen Euro schwächte, tritt mit deren Revision der umgekehrte Effekt ein: Der Dollar erhält Auftrieb, zumal der jüngste Zinsschritt der EZB eingearbeitet ist. Die Stunde der Wahrheit ist am 28. Juni, wenn das Ergebnis der nächsten Zinssitzung der Fed bekannt gegeben wird.
Das Währungspaar Euro/Dollar lässt sich auch durch den Quotient der Währungspaare Euro/Yen und Dollar/Yen ausdrücken. Beide steigen seit kurzem wieder mit etwa gleichen Raten an, wodurch Euro/Dollar seitwärts tendiert. Werden hier neue Carry-Trades geschrieben oder werden in Japan investierte Gelder heimgeholt oder exportieren die Japaner selbst Kapital?
Durch den zuletzt gesehenen Bond-Crash haben die langfristigen US- und Euro Zinsen ein Niveau erreicht, das zu Käufen reizt. Der von hier auf Aktien ausgehende Performancedruck ist erheblich, das dürfte die Korrektur mitverursacht oder zumindest verschärft haben.
Je weniger wahrscheinlich ein Dollar-Kollaps ist, je komfortabler ist die Situation der Zentralbanken der Produzentenländer. Der Bedarf an Wechselkurspflege nimmt ab, Ein fester Dollar hat zudem den Reiz, dass die internationale Kaufkraft des Dollar-Raums steigt, was den Lieferländern zu Extraprofiten verhilft. Sollte der Dollar auf lange Sicht fester werden, birgt das die große Gefahr, dass das Niveau der langfristigen Zinsen hoch bleibt, wenn nämlich das Ausland als TBond-Käufer ausfällt oder sogar zum Netto-Verkäufer wird. Das dürfte u.a. das Krisenpotenzial der amerikanischen Immobilienblase vergrößern. Schuldenmachen wird teurer und dagegen hilft (zeitweise) Inflation. Damit schließt sich der Kreis.
Zu den Aktienmärkten: Die Erholung nach der Korrektur von Anfang Juni läuft mustergültig. Jetzt ist eine wichtige Zone erreicht, bei deren Überwinden die Jahreshochs (und zeitweilig mehr) kein Thema sind. Nachdem ich im Gefolge der so nicht erwarteten Rallye einige Zeit die Bärenmütze mit der Narrenkappe vertauscht hatte, hängen nun beide Utensilien im Schrank. Übergeordnet steigen allerdings die Risiken für eine bullische Positionierung. Arbeitshypothese ist weiterhin der Ablauf des Jahres 2000. Damals zog sich die Gipfelbildung bis in den August/September hin.
© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de
Im Chart sind die weiteren Treppenstufen schön zu erkennen: Nach 1,33 liegt bei gut 1,29 die nächste Unterstützung, darunter dann 1,25, dann 1,20. Zur Erinnerung: Das Allzeit-Hoch beim Euro/Dollar liegt knapp 1,37. Die Dollar-bärischen Stimmen werden leiser, die seinen Bruch und dann den Kollaps des Greenback sehen.
In den vergangenen Jahren war immer wieder deutlich geworden, dass die Finanzmärkte einen schwachen Dollar vorziehen. Das ist ja auch scheinbar die eleganteste Lösung: Das Ausland kauft mehr oder weniger bereitwillig amerikanische Staatsschulden, um die Abwärtsbewegung des Dollar im Interesse ihrer Exportwirtschaft zu bremsen. Importierte Inflationseffekte halten sich in Grenzen, weil die Weltmarktpreise der meisten Waren dank Globalisierung stagnieren oder sogar sinken. Und das Zinsniveau am langen Ende bleibt so ebenfalls niedrig.
Dieser Zusammenhang scheint jetzt gestört. Je mehr sich das Währungspaar Euro/Dollar von seinem Allzeithoch entfernt, je stärker scheinen Bedenken aufzukommen. In der Tat erscheint eine nachhaltige Aufwärtsbewegung des Währungspaares immer weniger wahrscheinlich. Welche Gründe lassen sich anführen?
Aktuell wird wieder einmal das Inflationsgespenst herumgeschickt, gepaart mit güterwirtschaftlicher Stagnation und hohen Leitzinsen - "Stagflation". In der Tat ist zu erwarten, dass die Preise für Nahrungsmittel künftig nachhaltig steigen werden. Eine immer größere Weltbevölkerung muss angesichts von durch Klimawandel tendenziell unproduktiverer Landwirtschaft satt werden. Zudem wird das für die Nahrungsmittel-Gewinnung verfügbare Areal durch den zunehmenden Anbau von für die Energiegewinnung genutzten Pflanzen eingeschränkt. Auch die Energiekosten dürften hoch bleiben.
Lange Jahre hat das niedrige Kostenniveau in China und anderswo dafür gesorgt, dass ein immer größerer Teil des westlichen Warenbedarfs von dort aus befriedigt wird. Ein künstlich schwach gehaltene eigene Währung machte das Angebot zusätzlich preislich attraktiv. Diese Abhängigkeit lässt sich nicht so einfach zurückdrehen und verleiht den Produzentenländern Preismacht. Dadurch dürfte einerseits dern globalisierungsbedingte Druck auf die Preise nachlassen, auf der anderen Seite ist aber der Nachfrage-Effekt zu berücksichtigen: Steigenden Preisen bei Nahrungsmitteln und Energie kann der Verbraucher nicht so einfach entkommen. Da diese Produkte zur Lebensgrundlage gehören, haben die Anbieter hier die Macht, steigende Preise auch durchzusetzen. Wenn aber ein immer bedeutender Teil des privaten Einkommens für Energie und Nahrungsmittel ausgegeben werden muss, dann fehlt die Nachfrage woanders, bei den hoch profitablen Industrieprodukten,
In der Konsequenz bleiben die deflationären Tendenzen bei der wirtschaftlich bedeutendsten Warengruppe der modernen Wirtschaft, der Elektronik, erhalten, im nicht zur Kernrate gehörenden Warengruppen-Bereich hingegen dürften die Preise weiter steigen. Eine tiefer werdende Kluft zwischen weiter niedriger Kernrate und Gesamt-Preisindex tut sich auf.
Die Inflationssorgen erhalten somit neue Nahrung, diesmal aber aus einer Ecke, die negative Auswirkung auf zukünftige Wachstumsdynamik hat. Stagflation ist in der Tat ein nicht unrealistisches Szenario. Daraus wird keine Hyperinflation, aber die Botschaft ist klar, das Zinsniveau wird hoch bleiben. Liegt der Fokus der Fed auf den Preisen, tut die hieraus resultierende rigide Zinspolitik ein übriges, um das Wachstum zusätzlich zu dämpfen.
Nachdem bisher die Erwartung bald sinkender US-Zinsen den Dollar gegen Euro schwächte, tritt mit deren Revision der umgekehrte Effekt ein: Der Dollar erhält Auftrieb, zumal der jüngste Zinsschritt der EZB eingearbeitet ist. Die Stunde der Wahrheit ist am 28. Juni, wenn das Ergebnis der nächsten Zinssitzung der Fed bekannt gegeben wird.
Das Währungspaar Euro/Dollar lässt sich auch durch den Quotient der Währungspaare Euro/Yen und Dollar/Yen ausdrücken. Beide steigen seit kurzem wieder mit etwa gleichen Raten an, wodurch Euro/Dollar seitwärts tendiert. Werden hier neue Carry-Trades geschrieben oder werden in Japan investierte Gelder heimgeholt oder exportieren die Japaner selbst Kapital?
Durch den zuletzt gesehenen Bond-Crash haben die langfristigen US- und Euro Zinsen ein Niveau erreicht, das zu Käufen reizt. Der von hier auf Aktien ausgehende Performancedruck ist erheblich, das dürfte die Korrektur mitverursacht oder zumindest verschärft haben.
Je weniger wahrscheinlich ein Dollar-Kollaps ist, je komfortabler ist die Situation der Zentralbanken der Produzentenländer. Der Bedarf an Wechselkurspflege nimmt ab, Ein fester Dollar hat zudem den Reiz, dass die internationale Kaufkraft des Dollar-Raums steigt, was den Lieferländern zu Extraprofiten verhilft. Sollte der Dollar auf lange Sicht fester werden, birgt das die große Gefahr, dass das Niveau der langfristigen Zinsen hoch bleibt, wenn nämlich das Ausland als TBond-Käufer ausfällt oder sogar zum Netto-Verkäufer wird. Das dürfte u.a. das Krisenpotenzial der amerikanischen Immobilienblase vergrößern. Schuldenmachen wird teurer und dagegen hilft (zeitweise) Inflation. Damit schließt sich der Kreis.
Zu den Aktienmärkten: Die Erholung nach der Korrektur von Anfang Juni läuft mustergültig. Jetzt ist eine wichtige Zone erreicht, bei deren Überwinden die Jahreshochs (und zeitweilig mehr) kein Thema sind. Nachdem ich im Gefolge der so nicht erwarteten Rallye einige Zeit die Bärenmütze mit der Narrenkappe vertauscht hatte, hängen nun beide Utensilien im Schrank. Übergeordnet steigen allerdings die Risiken für eine bullische Positionierung. Arbeitshypothese ist weiterhin der Ablauf des Jahres 2000. Damals zog sich die Gipfelbildung bis in den August/September hin.
© Klaus G. Singer
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