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Was sagen Charts aus?

17.06.2007  |  Manfred Gburek
Am vergangenen Mittwoch rief mich der Anlageberater einer meiner Banken an, um mich zu warnen: Er habe meinen früheren Beitrag "Die Untertasse von Gold Fields" gelesen und stelle jetzt fest, dass der Kurs die 38- und die 200-Tage-Linie unterschritten habe. Das sei doch ein Verkaufssignal. Zugegeben, am Mittwoch notierte Gold Fields schwach. Doch an den beiden folgenden Tagen erholte sich der Aktienkurs wieder ein wenig und unterstrich damit nur ein Mal mehr die schon seit Monaten vor allem in Dollar bestehende Untertassen-Formation. Die Dollar-Notierung dürfte sich am Ende als entscheidend erweisen, denn Gold Fields wird sehr rege an der New York Stock Exchange gehandelt.

Als ich dies meinem Anlageberater erwiderte, kam er ins Grübeln und meinte nur, das ändere nicht viel an seinem aus der 38- und 200-Tage-Durchschnittslinie abgeleiteten Fazit. Von seiner Warte aus betrachtet, mag er sogar Recht haben. Aber wer kauft und verkauft Gold Fields, um mit diesem südafrikanischen Blue Chip Chart-Formationen auf der Basis gleitender Durchschnitte zu nutzen? Und vor allem: Welche Aussagekraft haben welche Charts in einem langfristigen Aufwärtstrend wie dem des Goldes und der Goldaktien?

Auch wenn zu solchen und ähnlichen Fragen schon viele Bücher geschrieben wurden, sind hier immer noch einige grundsätzliche Anmerkungen fällig: Charts, im engeren Sinn Kursformationen, spiegeln die Kursentwicklung bis zur Gegenwart wider und bilden damit das bisherige Verhalten der Anleger ab. Da dieses in bestimmten Situationen typische Merkmale aufweist, kommt es zu Verhaltensmustern. Diese heißen je nach Formation zum Beispiel Untertasse, Kopf-Schulter-Bewegung, Trendkanal, Dreieck, W- oder M-Formation, Wimpel, Diamant und so weiter. Sie werden begleitet von Schnittpunkten der Kurse mit allerlei gleitenden Kursdurchschnitten und grafisch erfassten Börsenumsätzen. Die Kurse selbst lassen sich als Linien, Balken, Kerzen oder als Kombination von Kreisen und Kreuzen darstellen (um nur die wichtigsten Varianten zu nennen). Und weil Charts in der Regel als Hilfsmittel zur technischen Aktienanalyse dienen, die Bewertung von Aktien aber vor allem auf der Fundamentalanalyse mit wiederum mehreren Varianten beruht, kommt kein Chartist an fundamentalen Daten vorbei.

Leider neigen allzu viele Chartisten dazu, die hier genannten Zusammenhänge zu vernachlässigen. Die Anhänger der reinen Lehre unter ihnen behaupten sogar, Kurse und damit Charts enthielten bereits alles, was Fundamentalisten berechnet und Groß- wie Kleinanleger in Aktienkäufe und -verkäufe umgesetzt haben. Viele Chartisten verfolgen an Bildschirmen oder auf ausgedruckten Seiten jede Kursbewegung auf den Millimeter genau und setzen entsprechende Limits. Andere tun quasi das Gegenteil, indem sie in möglichst viele Kursbewegungen eine der genannten Formationen hinein zu interpretieren versuchen, obwohl die rechte Schulter bei der Kopf-Schulter-Bewegung fehlt oder der Wimpel wie ein vom Wind zerzauster Putzlappen aussieht. Es gibt Chartisten, die sich auf Formationen über mehrere Jahre spezialisieren, und als Gegensatz zu ihnen solche, die mit Intraday-Bewegungen spekulieren.

Was sagt uns das alles?
  • 1. Dass Charts Verhaltensmuster der Vergangenheit abbilden.
  • 2. Dass sie Abschnitte innerhalb langfristiger Trends erfassen.
  • 3. Dass sie in vielfacher Weise dargestellt werden können.
  • 4. Dass allein schon die Art der Darstellung zwangsläufig zu unterschiedlichen Interpretationen führen muss.
  • 5. Dass es nicht schaden kann, neben der technischen auch die fundamentale Analyse einzusetzen.
  • 6. Dass man sich hüten sollte, auf den Millimeter genau zu achten oder Kurs-Formationen dort hinein zu interpretieren, wo sie gar nicht sind. Und
  • 7. Dass Charts zwar einen wichtigen, sich der wissenschaftlichen Analyse weitgehend entziehenden Teil der Hilfsmittel bilden, die zur Kunst der Geldanlage gehören, aber als Instrumente zur Kursprognose äußerst vorsichtig eingesetzt werden sollten.

Damit bin ich wieder beim Ausgangspunkt angekommen. Denn man kann Gold Fields - und darüber hinaus andere Blue Chips (etwa Newmont oder Goldcorp) wie auch sonstige Aktien aus dem Edelmetallsektor (etwa Gabriel oder Silver Wheaton, um nur zwei extreme Beispiele zu nennen) charttechnisch aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten. Entscheidend in allen Fällen ist indes, wie viele Jahre der langfristige Aufwärtstrend der Edelmetalle, vor allem von Gold und Silber, noch anhält. Nimmt er bald wieder Fahrt auf, etwa weil der zuletzt scharfe Einbruch der Anleihenkurse als Misstrauensvotum der Anleger gegen Geldwerte interpretiert wird, sind Gold, Silber und viele Edelmetallaktien - wenn man so will, aus fundamentalen Gründen - kaufenswert. Charts helfen dann wahrscheinlich eher bei der Auswahl einzelner Aktien als bei der Interpretation des Trends. Doch das ist ja schon eine ganze Menge wert.

P.S. Mein Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (ISBN: 978-3-00-021439-4) ist, wie in der letzten Woche angekündigt, nun endlich lieferbar. Es kann direkt über den Litera-Tour Verlag, jeder anderen Buchhandlung oder über den Buchshop erworben werden.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



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