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Die superraffinierte Deutsche Bank

24.06.2007  |  Manfred Gburek
Manchmal reizt es mich, Werbetexte zu entschlüsseln, deren Bedeutung sich nicht auf Anhieb erschließt. So ging es mir heute mit "db x-trackers - Einfach den Index kaufen - SHORTDAX ETF - Der einzige Fonds, der vom fallenden DAX profitiert" in der FAZ vom 22. Juni, Seite 17. Dazu gleich zwei Mal das Logo der Deutschen Bank mit dem unvermeidlichen Spruch "Leistung aus Leidenschaft", ergänzt um lange Fußnoten in Kleinstschrift, wie "Im Börsenhandel zzgl. üblicher Transaktionskosten und weiterer Vergütungen".

Der Kern der Botschaft: Die Deutsche Bank hält es für möglich, dass der DAX fallen wird, und bietet das dazu passende Produkt an. Da dieses aber offenbar so kompliziert ist, dass es auf Anhieb niemand versteht, folgen Hinweise auf Verkaufsprospekte ("erhalten Sie kostenlos bei Ihrem Berater in den Investment & FinanzCentern der Deutschen Bank", alternativ direkt in der Frankfurter Zentrale). Nun könnte man ketzerisch fragen: Wenn die Deutsche Bank Kunden und Interessenten von fallenden Kursen profitieren lassen will, warum rät sie ihnen dann nicht gleich, deutsche Standardwerte und die auf sie spezialisierten Fonds der Tochter DWS ganz, wenigstens aber zum Teil, zu verkaufen? Oder noch frecher, warum startet sie nicht einen Aufruf an die Kunden der Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken, ihre entsprechenden Deka- und Union-Fonds zu verkaufen?

Die Antwort fällt mehrschichtig aus: 1. Verkaufen die Kunden alles, und der DAX fällt, haben sie zwar in ihrem Sinn optimal gehandelt; aber die Deutsche Bank müsste ihnen sofort alternative Anlagen anbieten, um nicht zu riskieren, dass die Kunden ihr untreu werden. 2. Verkaufen die Kunden alles, und der DAX steigt, besteht die Gefahr, dass sie ihr Depot bei der Deutschen Bank vor lauter Zorn auflösen. 3. Verkaufen die Kunden aber nur einen Teil ihrer Standardwerte und/oder der entsprechenden Aktienfonds, könnten sie (wie früher André Kostolany selig) reagieren und sich über den verkauften Teil ebenso freuen, falls der DAX anschließend fällt, wie über den behaltenen Teil, falls der DAX steigt. 4. Da die Kostolanys unter den deutschen Anlegern jedoch nur eine verschwindende Minderheit bilden dürften, ist wohl eher zu erwarten, dass sie mit "Hätte ich doch" reagieren: Hätte ich doch alles verkauft (DAX abwärts) oder alternativ alles behalten (DAX aufwärts).

Wahrscheinlich ahnen Sie jetzt schon, was folgt: Die Anleger - das gilt nicht nur für die Kunden der Deutschen Bank - behalten ihre Aktien und Aktienfonds auch auf die Gefahr hin, dass der DAX fällt. Haben sie genug Geld zur Seite gelegt, dürfte ihr so genannter Berater (in Wahrheit längst ein Verkäufer), wie einst in den 60er Jahren der vom Staubsauger- zum Fondsverkäufer mutierte Vertreter der Fondsgesellschaft IOS, ihnen bei jedem größeren Kurseinbruch zum Nachkaufen raten. Den Kundeneinwand, warum er nicht rechtzeitig zum Verkauf geraten habe, beantwortet er mit dem bewährten Argument, dass Aktien langfristig jeden noch so tiefen Kurseinbruch irgendwann wieder ausbügeln. Wer nicht genug Geld zur Seite gelegt hat, hat halt Pech gehabt.

Die Deutsche Bank geht nun superraffiniert vor, indem sie mit ihrem SHORTDAX ETF solch peinlichen Dialogen vorzubeugen versucht. Das heißt, vereinfacht ausgedrückt: Sie überträgt die Hedgefonds-Strategie "Long-short Equity" (Geld durch steigende wie auch durch fallende Aktienkurse verdienen) de facto auf das traditionelle Fondsgeschäft. Hinterher kann ihr niemand mit dem Argument kommen, sie habe die Anleger nicht rechtzeitig auf die Gefahr des DAX-Rückgangs hingewiesen.

Viele von Ihnen könnten nun fragen, was denn so schlimm daran sei, wenn die größte hiesige Bank einen Fonds lanciert, mit dem man nach dem enormen DAX-Anstieg zwischen 2003 und 2007 à la baisse spekulieren kann. Aus Bankensicht nichts. Und aus Kundensicht? Gehen wir dazu einfach mal das Kundenverhalten analog zu den oben genannten Punkten 1. bis 4. durch: 1. Der totale Aktienverkauf ist schon genug Spekulation à la baisse. 2. In diesem Fall drohen durch den neuen Fonds Verluste. 3. und 4. Der neue Fonds ist überflüssig; denn man hätte, statt ihn zu kaufen, ja gleich mehr Aktien oder Aktienfonds verkaufen können.

Fazit: Die ohnehin riesige Palette der Spezialitätenfonds wird um ein Produkt erweitert, dem andere folgen werden, weil die Deutsche Bank schon oft Vorreiter einer neuen Fondswelle war und deshalb mit großer Sicherheit auch dieses Mal ist. Eines steht wohl bereits fest: Auf die Berater der Banken, Sparkassen und sonstigen Finanzdienstleister kommt unter diesen Umständen wieder einmal Schwerstarbeit zu; denn Spezialitätenfonds, die von fallenden Kursen profitieren, sind den daran nicht gewöhnten deutschen Anlegern noch schwieriger zu erklären als auf steigende Kurse spekulierende Beitrittsländer- oder Nachhaltigkeitsfonds. Ob die Schwerstarbeit von Erfolg gekrönt sein wird, ist offenbar zweifelhaft. Ein Indiz dafür findet sich in einem weiteren Werbetext der heutigen FAZ, Seite 38, dieses Mal in einer Anzeige des Manager Magazins: "Das große Unvermögen - Mieser Service, hohe Gebühren, dürftige Beratung - 6.000 Kunden bewerten ihre Hausbank".


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist u.a. Moderator auf der "Edelmetall- & Rohstoffmesse" am 2.+3.11.2007 in München und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005) und das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007)






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