Anlagehorizont entscheidet über Primär-, Sekundär- oder Tertiärtrend-Handel
25.03.2003 | Dr. Uwe Bergold
Die wichtigste Frage, die sich jeder Investor vor einem Börsenengagement stellen sollte, bezieht sich auf das Zeitfenster und somit auf den Trend, den er handeln will:
Erst wenn der zu handelnde Trend (primär, sekundär, tertiär) festgelegt wurde, macht es Sinn, mit der Analyse zu beginnen. Aufgrund des Chance-Risiko-Verhältnisses sollte daraufhin nur in Richtung des übergeordneten Trends gehandelt werden.
Deshalb diagnostiziert man z.B. bei einem mittelfristigen Anlagehorizont zuerst die Richtung des übergeordneten langfristigen Primärtrends - Monatschart. Anschließend prognostiziert man nur die mittelfristigen Kursbewegungen (Sekundärtrend - Wochenchart), die in Primärtrendrichtung verlaufen. Sekundärbewegungen entgegen des übergeordneten Zyklus werden nicht betrachtet. Das Investment-Timing erfolgt dann zum Abschluss im untergeordneten Zeitfenster (Tertiärtrend - Tageschart).
Abb. 11: Individueller Investment-Prozess
Individaulpsychologische Problematik beim Handeln eines Trends
Ein Anleger, der sich sehr langfristig mit 7 bis 9 Prozent Rendite p.a. begnügt, wählt die "Buy-and-Hold-Strategy" und "handelt" - einmaliger Ein- und Ausstieg - den Basistrend. Er unternimmt keinen Versuch, den Markt zu schlagen.
Anleger - meist professionelle Großinvestoren - die sich mit dieser sehr langfristigen Durchschnittsrendite nicht begnügen und den Markt schlagen wollen, handeln die Primärtrends. Sie versuchen, die Korrekturen des Basistrends zu umgehen, ja sogar von ihnen zu profitieren.
Mittelfristige Investoren, denen auch die Rendite des Primärtrends zu niedrig ist, traden die Sekundärtrends und versuchen somit die Basis- und Primär-trendkorrekturen für sich gewinnbringend auszunutzen. Großinvestoren nutzen diese mittelfristigen Kursbewegungen, um sich zu positionieren.
Spekulative Anleger, denen sogar die Rendite der Sekundärtrends noch zu wenig ist, versuchen beim Handeln der Tertiärtrends, Korrekturen im Basis-, Primär- und Sekundärtrend für sich, angetrieben von noch höheren Gewinnerwartungen, auszunutzen. Für Großinvestoren stellen diese kurzfristigen Trends lediglich ein uninteressantes "Marktrauschen" dar, das nur zur Befriedigung des Spekulationstriebs des "breiten Börsenpublikums" dient.
Somit lässt sich von der Tradingfrequenz auf die "Gier" jedes einzelnen Investors schließen. Je kürzer das Handelszeitfenster - je höher die Tradingfrequenz - am Markt wird, desto spekulativer und somit gieriger wird die "Marktmasse". Die meisten Anleger unterliegen in solchen Phasen einer unrealistischen Selbstüberschätzung, den Markt signifikant schlagen zu können. Sie gehen davon aus: Je niedriger der Anlagehorizont ist, desto höher sind die zu erwartenden Gewinne. Dieses Phänomen ist immer am Schluss einer exzessiven Hausse zu beobachten.
Auch im Frühjahr 2000 machte ich mit vielen "Intraday-Händlern" Bekanntschaft, die ihren Beruf kündigten, um an der Börse schnell reich zu werden. Da in solchen Marktphasen fast immer ein Top erreicht wird, kommt es natürlich ganz anders als von den meisten Marktteilnehmern erwartet. Die Kurse beginnen zu fallen und die Anlagedauer wird ungewollt immer länger. Aufgrund des "Einstandspreisdenkens" - Aktie wird nur über dem Einstandspreis verkauft - der meist unerfahrenen Anleger, steigt mit der Kursverlusthöhe zwangsweise der Anlagehorizont.
Für das individuelle Emotionsmanagement ist es unabdingbar, den Anlagehorizont (Trendart) während seines Investments - aus Gier oder Angst - nicht zu verändern.
1.1.1. Primäre Trends unterteilen sich in drei Phasen
Langfristige Primärtrends haben - aufgrund von professionellen "Smart-Investor-Aktivitäten" - drei verschiedene Phasen:
Akkumulationsphase
Der Markt hat eine längere Abwärtsbewegung hinter sich, welche die vorangegangene fundamentale Übertreibungen vollständig beseitigt und sogar zu einer tendenziellen Unterbewertung der Aktien geführt hat. Die Mehrzahl der Marktteilnehmer glaubt weiter - unterstützt durch die negative Nachrichtenlage - an die Baisse. Es herrscht eine "soziale Aversion" zum deflationierten Aktienmarkt. Diese Phase nutzen die wenigen professionellen Großinvestoren zum Aufbauen von neuen Positionen zu niedrigen Kursen - Akkumulation der Smart Investoren.
Abb. 12: Beispiel einer Akkumulationsphase bei der Goldminen-Aktie GOLD FIELDS
Seit 1999 sind bei vielen Goldminen "verdeckte" Aktionen - mit zunehmenden Volumen - erkennbar, die auf ein Akkumulieren von Großinvestoren schließen lassen. Abb. 12 zeigt ein Beispiel dieser Aktionen anhand der Aktie GOLD FIELDS. Nach einer langjährigen Baisse mit ausgetrockneten Umsätzen, fallen die Kurse seit 1999 - trotz massiv ansteigendem Volumen - nicht mehr. Plötzlich aufkommende Nachfrage stoppt den Kursverfall. Seit Frühjahr 2001 ist sogar ein Nachfrage-überhang mit noch höheren Umsätzen erkennbar. Für das "breite Publikum" ist Gold oder Goldminen auch im Frühjahr 2002 noch kein Thema. Die vorherrschend negative Stimmung für Gold wird von der fehlenden oder sogar negativen Berichterstattung der Massenmedien unterstützt. Ich bin auf diesen Zustand - verdeckte Akkumulation von Großinvestoren - im Frühjahr 2001 aufmerksam geworden und empfehle seitdem den Aufbau von Positionen im Goldminen-Bereich
Public Phase
Nachdem die Akkumulationsphase korrigiert wurde - viele Marktteilnehmer rechneten nur mit einer Bear-Market-Rallye im übergeordneten Abwärtstrend - beginnt die zweite Aufwärtsbewegung als "Phase der öffentlichen Beteiligung" (Public Phase). Die Verbesserung der Fundamentaldaten setzen sich allmählich in der öffentlichen Wahrnehmung durch. Der sich hieraus ergebende Stimmungs-wechsel führt zu anhaltender und stabiler Nachfrage was zu steigenden Kursen führt. Anleger kaufen, die sich traditionell für Aktien interessieren und bereits eine gewisse Erfahrung haben. Die Meldungen von Seiten der Unternehmen werden besser und am Markt setzt sich schließlich die Überzeugung durch, dass der Aufschwung von Dauer ist.
Abb. 13: Beispiel einer Public Phase beim DJIA von 1990 bis 1998
Von 1990 bis 1998 konnte man beim Dow Jones Industrial Average (Abb. 13) solch eine Public Phase feststellen. Man konnte deutliche Gewinne mit geringem Risiko erzielen. Die erste ernsthafte Korrektur nach 1990 trat erst wieder 1998 auf. In solchen Phasen reduzieren "Smart Investoren" ihre Cash-Positionen sehr deutlich - konvergenter Volumenanstieg zum Kursanstieg - um maximal an dieser Entwicklung zu partizipieren. Erst mit dem Einbruch im dritten Quartal 1998 - bei gleichzeitig 50 Prozent Volumenanstieg - wurden kritische Investoren darauf aufmerksam gemacht, dass sich die langjährige Hausse mit hoher Wahrscheinlichkeit dem Ende zu neigt. Ein weiteres Anzeichen für den Übergang in die letzte Aufwärtsphase war die "Aktivierung" von immer mehr unerfahrenen Investoren, die - ermuntert durch die Massenmedien - als Abnahmepositionen für "Smart Investoren" aufgebaut wurden. In solchen Endphasen von Primärtrends werden mit allen Mitteln Gegenpositionen - "Naive Marktteilnehmer als Nachfrager" - geschaffen, um die langjährigen Gewinne der Großinvestoren durch Abnehmer zu sichern. Man spricht auch von einer "sozialen Infektion" am Ende der übergeordnet langfristigen Hausse.
Distributionsphase
Nach der konsolidierten Public Phase startet die Distributionsphase, als dritte und letzte Aufwärtsbewegung eines langfristigen Primärtrends. Die Medien berichten zunehmend optimistisch über die weitere Kursentwicklung. Investmenthäuser geben die meisten Kaufempfehlungen heraus, eine Vielzahl von Finanzinnovationen (z.B. Aktienanleihen) werden auf den Markt gebracht und fast täglich entstehen neue Börseninformationsdienste - Extreme Fehlallokation der Ressourcen. Die fundamentalen Wirtschaftsnachrichten sind besser denn je und spekulative Käufe - von Klein- und Großaktionären (z.B. Hedge Fonds) - nehmen dramatisch zu. Der Großteil der Finance Community ist nach wie vor der Ansicht, dass die Haupttrendrichtung weiter nach oben zeigt.
Die stark zunehmenden Börsenumsätze und die immer kürzer werdenden Handelsfrequenzen (z.B. Intrady-Trading) deuten auf die irrationale Gier der Marktteilnehmer hin - "soziale Infektion". Naive Anleger, die bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht am Aufschwung partizipiert haben, fangen an - ermuntert durch das soziale Umfeld - Kaufpositionen einzugehen. Es kann zu einer richtigen Kaufpanik - siehe "Hausmädchen-Hausse" im Frühjahr 2000 (von mir in der Fachhochschulzeitung Weiden publiziert) - kommen. Trotz massiver fundamentaler Überbewertung (Marktpreis >> Fair Value), beherrscht Euphorie und Kontrollillusion die Börsenstimmung des "breiten Publikums".
Auf der einen Seite kaufen - im "Gefühl der kollektiven Sicherheit" - "Hausmädchen", weil sie Angst haben, die Hausse zu verpassen. Auf der anderen Seite verkaufen ("distributieren") Großinvestoren, die in der Nähe des Tiefpunktes (Anfang des Primärtrends) Aktien "akkumulierten". Die Massenmedien fungieren als "Beschleuniger" dieser "sozialen Infektion" - Kleinanleger werden in der Distributionsphase somit zum "Kanonenfutter" und zur Gegenposition der professionellen Smart Investoren.
Abb. 14: Beispiel einer Distributionsphase beim DJIA von 1999 bis 2002
Abb.14 zeigt den Dow Jones Industrial Average, der sich seit 1999 in einer Distributionsphase befindet. Der US-Aktienmarkt hat im Rahmen der Millennium-Euphorie-Phase ein Bewertungsniveau erreicht, das der wirtschaftlichen Realität weit vorausgeeilt ist. Dies ist fundamental am historisch hohen Kurs-Gewinn-Verhältnis und technisch an der historisch großen Entfernung von einem langfristigen Gleitenden Durchschnitt (GD = "Innerer Wert der Technischen Analyse") erkennbar.
Von 1990 bis 1998 - "Phase der öffentlichen Beteiligung" - stiegen die Kurse mit gleichmäßigem Anstieg des Volumens. Der konvergent ansteigende Nachfrage-überhang sorgte für den ununterbrochenen Anstieg der Kurse. Seit 1999 ist ein sprunghafter Umsatzanstieg zu erkennen, der sich jedoch nicht mehr in steigenden Kursen, sondern beginnend in einem Seitwärtsmarkt seit viertem Quartal 2000 in fallenden Kursen niederschlägt. Hieraus konnte ich im September 2000 eine klare Diagnose eines Angebotüberhangs stellen (von mir in der Fachhochschulzeitung Weiden publiziert), der Großinvestoren eindeutig als Verkäufer identifiziert, weil Kleininvestoren weiterhin - ermuntert durch die Medien - auf der Käuferseite sind.
Die ersten Korrekturen in solchen Marktphasen interpretieren viele der nicht erfahrenen Investoren - in völliger Fehleinschätzung realwirtschaftlicher Daten - als erneute Kaufgelegenheit, da es ihnen in den Medien so geraten wird. Erst wenn die schlechter werdenden Fundamentaldaten publiziert werden, schlägt die Euphorie in Zweifel und Angst um. Oft führen dann externe Schocks zu plötzlicher Verkaufspanik und Kapitulation: Die Masse der Anleger bewegt sich wie eine Herde Lemminge, die bekanntlich dann in den Abgrund springen, wenn der Vordermann springt.
Abb. 15: Drei-Phasen-Modell eines Primärtrends ("Massenpsychogramm")
© Uwe Bergold
Quelle: Auszug aus dem Buch "Flow statt Frust"
"Welchen Anlagehorizont habe ich?"
Erst wenn der zu handelnde Trend (primär, sekundär, tertiär) festgelegt wurde, macht es Sinn, mit der Analyse zu beginnen. Aufgrund des Chance-Risiko-Verhältnisses sollte daraufhin nur in Richtung des übergeordneten Trends gehandelt werden.
Deshalb diagnostiziert man z.B. bei einem mittelfristigen Anlagehorizont zuerst die Richtung des übergeordneten langfristigen Primärtrends - Monatschart. Anschließend prognostiziert man nur die mittelfristigen Kursbewegungen (Sekundärtrend - Wochenchart), die in Primärtrendrichtung verlaufen. Sekundärbewegungen entgegen des übergeordneten Zyklus werden nicht betrachtet. Das Investment-Timing erfolgt dann zum Abschluss im untergeordneten Zeitfenster (Tertiärtrend - Tageschart).
Abb. 11: Individueller Investment-Prozess
Individaulpsychologische Problematik beim Handeln eines Trends
Somit lässt sich von der Tradingfrequenz auf die "Gier" jedes einzelnen Investors schließen. Je kürzer das Handelszeitfenster - je höher die Tradingfrequenz - am Markt wird, desto spekulativer und somit gieriger wird die "Marktmasse". Die meisten Anleger unterliegen in solchen Phasen einer unrealistischen Selbstüberschätzung, den Markt signifikant schlagen zu können. Sie gehen davon aus: Je niedriger der Anlagehorizont ist, desto höher sind die zu erwartenden Gewinne. Dieses Phänomen ist immer am Schluss einer exzessiven Hausse zu beobachten.
Auch im Frühjahr 2000 machte ich mit vielen "Intraday-Händlern" Bekanntschaft, die ihren Beruf kündigten, um an der Börse schnell reich zu werden. Da in solchen Marktphasen fast immer ein Top erreicht wird, kommt es natürlich ganz anders als von den meisten Marktteilnehmern erwartet. Die Kurse beginnen zu fallen und die Anlagedauer wird ungewollt immer länger. Aufgrund des "Einstandspreisdenkens" - Aktie wird nur über dem Einstandspreis verkauft - der meist unerfahrenen Anleger, steigt mit der Kursverlusthöhe zwangsweise der Anlagehorizont.
Für das individuelle Emotionsmanagement ist es unabdingbar, den Anlagehorizont (Trendart) während seines Investments - aus Gier oder Angst - nicht zu verändern.
1.1.1. Primäre Trends unterteilen sich in drei Phasen
Langfristige Primärtrends haben - aufgrund von professionellen "Smart-Investor-Aktivitäten" - drei verschiedene Phasen:
Der Markt hat eine längere Abwärtsbewegung hinter sich, welche die vorangegangene fundamentale Übertreibungen vollständig beseitigt und sogar zu einer tendenziellen Unterbewertung der Aktien geführt hat. Die Mehrzahl der Marktteilnehmer glaubt weiter - unterstützt durch die negative Nachrichtenlage - an die Baisse. Es herrscht eine "soziale Aversion" zum deflationierten Aktienmarkt. Diese Phase nutzen die wenigen professionellen Großinvestoren zum Aufbauen von neuen Positionen zu niedrigen Kursen - Akkumulation der Smart Investoren.
Abb. 12: Beispiel einer Akkumulationsphase bei der Goldminen-Aktie GOLD FIELDS
Seit 1999 sind bei vielen Goldminen "verdeckte" Aktionen - mit zunehmenden Volumen - erkennbar, die auf ein Akkumulieren von Großinvestoren schließen lassen. Abb. 12 zeigt ein Beispiel dieser Aktionen anhand der Aktie GOLD FIELDS. Nach einer langjährigen Baisse mit ausgetrockneten Umsätzen, fallen die Kurse seit 1999 - trotz massiv ansteigendem Volumen - nicht mehr. Plötzlich aufkommende Nachfrage stoppt den Kursverfall. Seit Frühjahr 2001 ist sogar ein Nachfrage-überhang mit noch höheren Umsätzen erkennbar. Für das "breite Publikum" ist Gold oder Goldminen auch im Frühjahr 2002 noch kein Thema. Die vorherrschend negative Stimmung für Gold wird von der fehlenden oder sogar negativen Berichterstattung der Massenmedien unterstützt. Ich bin auf diesen Zustand - verdeckte Akkumulation von Großinvestoren - im Frühjahr 2001 aufmerksam geworden und empfehle seitdem den Aufbau von Positionen im Goldminen-Bereich
Nachdem die Akkumulationsphase korrigiert wurde - viele Marktteilnehmer rechneten nur mit einer Bear-Market-Rallye im übergeordneten Abwärtstrend - beginnt die zweite Aufwärtsbewegung als "Phase der öffentlichen Beteiligung" (Public Phase). Die Verbesserung der Fundamentaldaten setzen sich allmählich in der öffentlichen Wahrnehmung durch. Der sich hieraus ergebende Stimmungs-wechsel führt zu anhaltender und stabiler Nachfrage was zu steigenden Kursen führt. Anleger kaufen, die sich traditionell für Aktien interessieren und bereits eine gewisse Erfahrung haben. Die Meldungen von Seiten der Unternehmen werden besser und am Markt setzt sich schließlich die Überzeugung durch, dass der Aufschwung von Dauer ist.
Abb. 13: Beispiel einer Public Phase beim DJIA von 1990 bis 1998
Von 1990 bis 1998 konnte man beim Dow Jones Industrial Average (Abb. 13) solch eine Public Phase feststellen. Man konnte deutliche Gewinne mit geringem Risiko erzielen. Die erste ernsthafte Korrektur nach 1990 trat erst wieder 1998 auf. In solchen Phasen reduzieren "Smart Investoren" ihre Cash-Positionen sehr deutlich - konvergenter Volumenanstieg zum Kursanstieg - um maximal an dieser Entwicklung zu partizipieren. Erst mit dem Einbruch im dritten Quartal 1998 - bei gleichzeitig 50 Prozent Volumenanstieg - wurden kritische Investoren darauf aufmerksam gemacht, dass sich die langjährige Hausse mit hoher Wahrscheinlichkeit dem Ende zu neigt. Ein weiteres Anzeichen für den Übergang in die letzte Aufwärtsphase war die "Aktivierung" von immer mehr unerfahrenen Investoren, die - ermuntert durch die Massenmedien - als Abnahmepositionen für "Smart Investoren" aufgebaut wurden. In solchen Endphasen von Primärtrends werden mit allen Mitteln Gegenpositionen - "Naive Marktteilnehmer als Nachfrager" - geschaffen, um die langjährigen Gewinne der Großinvestoren durch Abnehmer zu sichern. Man spricht auch von einer "sozialen Infektion" am Ende der übergeordnet langfristigen Hausse.
Nach der konsolidierten Public Phase startet die Distributionsphase, als dritte und letzte Aufwärtsbewegung eines langfristigen Primärtrends. Die Medien berichten zunehmend optimistisch über die weitere Kursentwicklung. Investmenthäuser geben die meisten Kaufempfehlungen heraus, eine Vielzahl von Finanzinnovationen (z.B. Aktienanleihen) werden auf den Markt gebracht und fast täglich entstehen neue Börseninformationsdienste - Extreme Fehlallokation der Ressourcen. Die fundamentalen Wirtschaftsnachrichten sind besser denn je und spekulative Käufe - von Klein- und Großaktionären (z.B. Hedge Fonds) - nehmen dramatisch zu. Der Großteil der Finance Community ist nach wie vor der Ansicht, dass die Haupttrendrichtung weiter nach oben zeigt.
Die stark zunehmenden Börsenumsätze und die immer kürzer werdenden Handelsfrequenzen (z.B. Intrady-Trading) deuten auf die irrationale Gier der Marktteilnehmer hin - "soziale Infektion". Naive Anleger, die bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht am Aufschwung partizipiert haben, fangen an - ermuntert durch das soziale Umfeld - Kaufpositionen einzugehen. Es kann zu einer richtigen Kaufpanik - siehe "Hausmädchen-Hausse" im Frühjahr 2000 (von mir in der Fachhochschulzeitung Weiden publiziert) - kommen. Trotz massiver fundamentaler Überbewertung (Marktpreis >> Fair Value), beherrscht Euphorie und Kontrollillusion die Börsenstimmung des "breiten Publikums".
"Investitionen in spekulative Titel sind in der Boomphase eine soziale Handlung"
- Robert Shiller -
- Robert Shiller -
Auf der einen Seite kaufen - im "Gefühl der kollektiven Sicherheit" - "Hausmädchen", weil sie Angst haben, die Hausse zu verpassen. Auf der anderen Seite verkaufen ("distributieren") Großinvestoren, die in der Nähe des Tiefpunktes (Anfang des Primärtrends) Aktien "akkumulierten". Die Massenmedien fungieren als "Beschleuniger" dieser "sozialen Infektion" - Kleinanleger werden in der Distributionsphase somit zum "Kanonenfutter" und zur Gegenposition der professionellen Smart Investoren.
Abb. 14: Beispiel einer Distributionsphase beim DJIA von 1999 bis 2002
Abb.14 zeigt den Dow Jones Industrial Average, der sich seit 1999 in einer Distributionsphase befindet. Der US-Aktienmarkt hat im Rahmen der Millennium-Euphorie-Phase ein Bewertungsniveau erreicht, das der wirtschaftlichen Realität weit vorausgeeilt ist. Dies ist fundamental am historisch hohen Kurs-Gewinn-Verhältnis und technisch an der historisch großen Entfernung von einem langfristigen Gleitenden Durchschnitt (GD = "Innerer Wert der Technischen Analyse") erkennbar.
Von 1990 bis 1998 - "Phase der öffentlichen Beteiligung" - stiegen die Kurse mit gleichmäßigem Anstieg des Volumens. Der konvergent ansteigende Nachfrage-überhang sorgte für den ununterbrochenen Anstieg der Kurse. Seit 1999 ist ein sprunghafter Umsatzanstieg zu erkennen, der sich jedoch nicht mehr in steigenden Kursen, sondern beginnend in einem Seitwärtsmarkt seit viertem Quartal 2000 in fallenden Kursen niederschlägt. Hieraus konnte ich im September 2000 eine klare Diagnose eines Angebotüberhangs stellen (von mir in der Fachhochschulzeitung Weiden publiziert), der Großinvestoren eindeutig als Verkäufer identifiziert, weil Kleininvestoren weiterhin - ermuntert durch die Medien - auf der Käuferseite sind.
Die ersten Korrekturen in solchen Marktphasen interpretieren viele der nicht erfahrenen Investoren - in völliger Fehleinschätzung realwirtschaftlicher Daten - als erneute Kaufgelegenheit, da es ihnen in den Medien so geraten wird. Erst wenn die schlechter werdenden Fundamentaldaten publiziert werden, schlägt die Euphorie in Zweifel und Angst um. Oft führen dann externe Schocks zu plötzlicher Verkaufspanik und Kapitulation: Die Masse der Anleger bewegt sich wie eine Herde Lemminge, die bekanntlich dann in den Abgrund springen, wenn der Vordermann springt.
Abb. 15: Drei-Phasen-Modell eines Primärtrends ("Massenpsychogramm")
© Uwe Bergold
Quelle: Auszug aus dem Buch "Flow statt Frust"