Von reichen Leuten und armen Notenbankern
01.07.2007 | Manfred Gburek
Seitwärtsbewegungen sind nicht gerade das, wovon Börsianer träumen. Die aktuelle mittelfristige beim Gold und, wenngleich unter etwas stärkeren Schwankungen, eigentlich auch beim Silber gehen folglich vielen Anlegern auf die Nerven. Ihnen rufe ich den Eingangssatz meines hier veröffentlichten Beitrags vom 11. Mai in Erinnerung: "Wer Geld in Edelmetallen angelegt hat, wird zurzeit auf eine harte Geduldsprobe gestellt." Bleiben Sie weiter geduldig, denn Ihre Geduld wird sich auszahlen!
Warum? Außer den sattsam bekannten Gründen (Goldnachfrage höher als Goldangebot, internationale Geldschwemme, Misstrauen in Papierwährungen, latente Gefahr für Aktien, dto. für US-Immobilien, Derivateblase u.a.) rückt einer wieder mehr in den Vordergrund, der den Anstieg der Edelmetallpreise seit 2001 begleitet und der in den nächsten Monaten, ja Jahren sogar Ausschlag gebend sein könnte: Der wahre Edelmetallanteil in großen diversifizierten Portfolios der so genannten Ultra High Net Worth Individuals (UHNWI, Modebegriff für Superreiche) ist mit weniger als 5% nach wie vor superniedrig. Ursache Nr. 1: der seit 2003 im Vergleich zu den Edelmetallpreisen stärkere Anstieg der Aktienkurse. Ursache Nr. 2: die Spekulation mit Immobilien (man denke nur an die irren Preise in London). Ursache Nr. 3: der Erfolg von Hedgefonds, Private Equity, Zertifikaten und Exchange Traded Funds (ETF). Ursache Nr. 4: das Faible der Superreichen für Kunst. Ursache Nr. 5: extrem niedrige Gewinnspannen der Banken beim direkten Edelmetallhandel.
Vier von diesen fünf Ursachen haben zwar nichts direkt mit den Edelmetallen, speziell Gold, zu tun, wirken sich aber indirekt auf deren Preise aus. Denn falls die Nachfrage aus großen diversifizierten Portfolios mehr auf ein Penthouse in London, einen Hedgefonds mit riesigem Fremdkapitalhebel oder ein Gemälde von Picasso gerichtet ist, kann sie nicht gleichzeitig dem Gold zugute kommen. Insofern hat die Seitwärtsbewegung des Goldes sogar etwas Positives, das heißt, auf der Nachfrageseite muss es - zusätzlich zur dominanten Schmuckindustrie - Kräfte geben, die um 650 Dollar je Unze pendelnde Notierungen für Kaufpreise halten. Dass es sich hierbei um UHNWI handelt, ist wegen der großen Diskretion in diesen Kreisen und den sie betreuenden Banken nur schwer zu belegen. Gleichwohl sprechen einige Indizien dafür. An erster Stelle: Die Verluste mit Anleihen, die gerade auch die Superreichen in diesem Jahr erlitten haben. Wobei diese sich, wie in einzelnen Fällen von ihnen zu hören ist, nun fragen: Wenn schon Anleihen kein sicherer Hafen mehr sind, welche Anlage ist es dann? Eine plausible Antwort heißt: Gold.
In diesem Kontext ist die ganzheitliche Betrachtung wichtig, die auch alternative Überlegungen einbezieht. Eine davon lautet: Kommt es, ausgehend von einer immer schwächer werdenden US-Konjunktur, auch zur wirtschaftlichen Abkühlung in Europa, müsste die zwischenzeitlich auf fast 4,7% hochgeschossene Rendite zehnjähriger Bundesanleihen analog zur Rendite amerikanischer T-Bonds wieder fallen. Ergebnis: Kursgewinne mit Anleihen, und nach einer gewissen Übergangszeit würden Anleihen wieder die Funktion des sicheren Hafens haben.
Wie realistisch ist diese Überlegung? Wenden wir uns zur Beantwortung kurz von den UHNWI ab und den Systemen der Altersversorgung zu, denen summa summarum noch viel mehr Geld zur Verfügung steht. Sie verwalten es zu einem großen Teil, indem sie Anleihen kaufen und lange Zeit halten. Typisches Beispiel: die deutschen Lebensversicherer. Haben deren Portfolioverwalter sich etwa geärgert, als die Rendite der Bundesanleihen auf 4,7% hochschoss? Nein, im Gegenteil, sie haben gejubelt und den Champagner in Strömen fließen lassen. Warum, liegt auf der Hand: Dank Renditeanstieg können sie Ende dieses Jahres, wenn sie die Überschussdeklarationen für 2008 bekannt geben, ihren Kunden nach Jahren der Zinsdürre endlich wieder mehr Geld versprechen. Und was machen sie mit den Verlusten aus Anleihen? Die ziehen sie einfach bis zu deren Endfälligkeit zum Nominalwert durch.
Hier muss man sich die Frage stellen, wer überhaupt noch ernsthaft ein Interesse an fallenden Zinsen hat. Gewiss die hoch fremdfinanzierten Hedgefonds und Private Equity-Firmen; letztere fahren ihre Schulden allerdings zum Teil schon erheblich zurück. Gewiss auch alle hoch verschuldeten Unternehmen; doch sie sind im Vergleich zu den gut finanzierten in der Minderheit. Der Vergleich ist auch auf Konsumenten übertragbar. Die US-Notenbank Fed hat für den Fall, dass die Konjunktur sich drüben erheblich abzuschwächen droht, natürlich ebenfalls Interesse an fallenden Zinsen; doch dieser Fall lässt auf sich warten. Und für die US-Regierung kommt es in Anbetracht der gigantischen Staatsverschuldung auf ein Mehr oder Weniger an kurzfristigen Leitzinssätzen offenbar nicht mehr an.
Je länger die Zinsen hüben wie drüben oben bleiben, desto mehr spiegelt sich in ihnen etwas wider, was viel mit Geldpsychologie zu tun hat: die Erwartung steigender Inflationsraten. Verbreitet sich diese Erwartung immer weiter, ist sie, wie vor allem die 70er Jahre gezeigt haben, nicht mit fallenden Zinsen aus der Welt zu schaffen, mit weiter steigenden schon gar nicht. Kurzum, die Notenbanker sitzen in der Falle. Das, was sie jetzt am wenigsten brauchen können, ist ein steigender Goldpreis, der die Erwartung höherer Inflationsraten nicht nur verstärken, sondern geradezu heraufbeschwören würde. Am liebsten würden sie ihn mit allen Mitteln drücken. Doch die Tatsache, dass er seitwärts tendiert, spricht dagegen, dass sie solche Mittel überhaupt noch besitzen. So spannend können Seitwärtsbewegungen sein.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist u.a. Moderator auf der "Edelmetall- & Rohstoffmesse" am 2.+3.11.2007 in München und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005) und das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007)
Warum? Außer den sattsam bekannten Gründen (Goldnachfrage höher als Goldangebot, internationale Geldschwemme, Misstrauen in Papierwährungen, latente Gefahr für Aktien, dto. für US-Immobilien, Derivateblase u.a.) rückt einer wieder mehr in den Vordergrund, der den Anstieg der Edelmetallpreise seit 2001 begleitet und der in den nächsten Monaten, ja Jahren sogar Ausschlag gebend sein könnte: Der wahre Edelmetallanteil in großen diversifizierten Portfolios der so genannten Ultra High Net Worth Individuals (UHNWI, Modebegriff für Superreiche) ist mit weniger als 5% nach wie vor superniedrig. Ursache Nr. 1: der seit 2003 im Vergleich zu den Edelmetallpreisen stärkere Anstieg der Aktienkurse. Ursache Nr. 2: die Spekulation mit Immobilien (man denke nur an die irren Preise in London). Ursache Nr. 3: der Erfolg von Hedgefonds, Private Equity, Zertifikaten und Exchange Traded Funds (ETF). Ursache Nr. 4: das Faible der Superreichen für Kunst. Ursache Nr. 5: extrem niedrige Gewinnspannen der Banken beim direkten Edelmetallhandel.
Vier von diesen fünf Ursachen haben zwar nichts direkt mit den Edelmetallen, speziell Gold, zu tun, wirken sich aber indirekt auf deren Preise aus. Denn falls die Nachfrage aus großen diversifizierten Portfolios mehr auf ein Penthouse in London, einen Hedgefonds mit riesigem Fremdkapitalhebel oder ein Gemälde von Picasso gerichtet ist, kann sie nicht gleichzeitig dem Gold zugute kommen. Insofern hat die Seitwärtsbewegung des Goldes sogar etwas Positives, das heißt, auf der Nachfrageseite muss es - zusätzlich zur dominanten Schmuckindustrie - Kräfte geben, die um 650 Dollar je Unze pendelnde Notierungen für Kaufpreise halten. Dass es sich hierbei um UHNWI handelt, ist wegen der großen Diskretion in diesen Kreisen und den sie betreuenden Banken nur schwer zu belegen. Gleichwohl sprechen einige Indizien dafür. An erster Stelle: Die Verluste mit Anleihen, die gerade auch die Superreichen in diesem Jahr erlitten haben. Wobei diese sich, wie in einzelnen Fällen von ihnen zu hören ist, nun fragen: Wenn schon Anleihen kein sicherer Hafen mehr sind, welche Anlage ist es dann? Eine plausible Antwort heißt: Gold.
In diesem Kontext ist die ganzheitliche Betrachtung wichtig, die auch alternative Überlegungen einbezieht. Eine davon lautet: Kommt es, ausgehend von einer immer schwächer werdenden US-Konjunktur, auch zur wirtschaftlichen Abkühlung in Europa, müsste die zwischenzeitlich auf fast 4,7% hochgeschossene Rendite zehnjähriger Bundesanleihen analog zur Rendite amerikanischer T-Bonds wieder fallen. Ergebnis: Kursgewinne mit Anleihen, und nach einer gewissen Übergangszeit würden Anleihen wieder die Funktion des sicheren Hafens haben.
Wie realistisch ist diese Überlegung? Wenden wir uns zur Beantwortung kurz von den UHNWI ab und den Systemen der Altersversorgung zu, denen summa summarum noch viel mehr Geld zur Verfügung steht. Sie verwalten es zu einem großen Teil, indem sie Anleihen kaufen und lange Zeit halten. Typisches Beispiel: die deutschen Lebensversicherer. Haben deren Portfolioverwalter sich etwa geärgert, als die Rendite der Bundesanleihen auf 4,7% hochschoss? Nein, im Gegenteil, sie haben gejubelt und den Champagner in Strömen fließen lassen. Warum, liegt auf der Hand: Dank Renditeanstieg können sie Ende dieses Jahres, wenn sie die Überschussdeklarationen für 2008 bekannt geben, ihren Kunden nach Jahren der Zinsdürre endlich wieder mehr Geld versprechen. Und was machen sie mit den Verlusten aus Anleihen? Die ziehen sie einfach bis zu deren Endfälligkeit zum Nominalwert durch.
Hier muss man sich die Frage stellen, wer überhaupt noch ernsthaft ein Interesse an fallenden Zinsen hat. Gewiss die hoch fremdfinanzierten Hedgefonds und Private Equity-Firmen; letztere fahren ihre Schulden allerdings zum Teil schon erheblich zurück. Gewiss auch alle hoch verschuldeten Unternehmen; doch sie sind im Vergleich zu den gut finanzierten in der Minderheit. Der Vergleich ist auch auf Konsumenten übertragbar. Die US-Notenbank Fed hat für den Fall, dass die Konjunktur sich drüben erheblich abzuschwächen droht, natürlich ebenfalls Interesse an fallenden Zinsen; doch dieser Fall lässt auf sich warten. Und für die US-Regierung kommt es in Anbetracht der gigantischen Staatsverschuldung auf ein Mehr oder Weniger an kurzfristigen Leitzinssätzen offenbar nicht mehr an.
Je länger die Zinsen hüben wie drüben oben bleiben, desto mehr spiegelt sich in ihnen etwas wider, was viel mit Geldpsychologie zu tun hat: die Erwartung steigender Inflationsraten. Verbreitet sich diese Erwartung immer weiter, ist sie, wie vor allem die 70er Jahre gezeigt haben, nicht mit fallenden Zinsen aus der Welt zu schaffen, mit weiter steigenden schon gar nicht. Kurzum, die Notenbanker sitzen in der Falle. Das, was sie jetzt am wenigsten brauchen können, ist ein steigender Goldpreis, der die Erwartung höherer Inflationsraten nicht nur verstärken, sondern geradezu heraufbeschwören würde. Am liebsten würden sie ihn mit allen Mitteln drücken. Doch die Tatsache, dass er seitwärts tendiert, spricht dagegen, dass sie solche Mittel überhaupt noch besitzen. So spannend können Seitwärtsbewegungen sein.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist u.a. Moderator auf der "Edelmetall- & Rohstoffmesse" am 2.+3.11.2007 in München und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005) und das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007)