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Was Sie über den Goldpreistrend wissen sollten

04.12.2020  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Eine Frage des Zins(-Trends)

Ein weiterer, wichtiger Faktor soll an dieser Stelle zur Sprache kommen: der Zins. Abb. 3 zeigt beispielhaft die Entwicklung der 10-jährigen Rendite für US-Staatsanleihen, sowohl nominal wie auch real (d. h. Nominalrendite abzüglich der künftig erwarteten Inflation). Zu erkennen ist, dass die Renditen im betrachteten Zeitraum im Trend gefallen sind. Auffällig ist zudem, dass die realen Renditen 2011/2013 negativ waren; und die realen Renditen sind auch seit Anfang 2020 wieder negativ. Die Bedeutung des Zinses für den Goldpreis liegt auf der Hand.

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Quelle: Refinitiv; Graphik Degussa. (1) Ermittelt aus inflationsindexierten Anleihen.


Je höher (tiefer) der Zins ist, desto teurer (günstiger) ist die Goldhaltung, und desto geringer (höher) fällt die Goldnachfrage aus und damit auch tendenziell der Goldpreis. Gold erwirtschaftet bekanntlich keine Zinserträge. Wenn der Zins hoch ist, entgehen dem Goldhalter Erträge - die er andernfalls mit dem Halten von zinstragenden Wertpapieren erzielen könnte; und wenn der Zins gering ist, sind die Kosten der Goldhaltung (also die entgangenen Zinserträge) gering. Deshalb besteht zwischen dem (realen) Zins und dem Goldpreis ein negativer Zusammenhang.

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Quelle: Refinitiv; Graphik Degussa. (1) Ermittelt aus inflationsindexierten Anleihen.


Abb. 4 zeigt die 10-jährige reale Rendite der US-Staatsanleihen und den Goldpreis. Auffällig eng ist der Verbund dieser Zeitreihen: Steigende (fallende) Realzinsen gingen einher mit einem fallen (steigenden) Goldpreis. Es ist denkbar, dass die Zentralbanken die Zinsen noch (viel) weiter in den Negativbereich absenken - und damit den Goldpreis weiter in die Höhe treiben. Doch selbst wenn der Realzins nicht noch tiefer in den Negativbereich fällt, hieße das nicht, dass der Goldpreis nicht weiter steigen könnte. Denn der in Abb. 4 gezeigt Zusammenhang ist ja nur ein "Ein-Faktor-Modell".

Er suggeriert (leider), dass "nur" der Zins den Goldpreis bestimmt. Das aber ist nicht richtig. Denn, wie voranstehend gezeigt, der Goldpreis wird auch - und vermutlich ganz wesentlich - durch die Entwicklung der (weltweiten) Geldmenge (und auch noch von weiteren Faktoren) beeinflusst. Selbst wenn also der Trend sinkender Realzinsen irgendwann zum Stillstand käme, ließe dass nicht den Schluss zu, der Goldpreis könne nicht weiter steigen. Ein Realzins, der dauerhaft auf oder unter der Nulllinie verharrt, wird vermutlich sogar den Goldpreis verstärkt in die Höhe treiben. Der Grund liegt im Erwartungseffekt.


Eine Frage der Erwartungen

Ohne einen positiven Realzins ist eine moderne, arbeitsteilig organisierte Marktwirtschaft nicht durchführbar. Im Extremfall hören Sparen und Investieren hier ganz auf. Die Menschen fallen zurück in eine primitive Subsistenzwirtschaft. Allerdings ist schon der Weg in Richtung "Zinsabschaffung" problematisch - wie es sich bereits in vielen Volkswirtschaften zeigt. Die von den Zentralbanken künstlich gesenkten Zinsen führen zu Preis- und Produktionsverzerrungen auf breiter Front. Je länger die Zinsen künstlich niedrig gehalten wurden, desto schwieriger wird es, sie wieder auf "normale" Niveaus zurückzuführen.

Dass weltweit die Zentralbanken im Zuge von Null- beziehungsweise Negativzinsen die Geldmengen immer stärker ausweiten beziehungsweise noch stärker ausweiten werden, ist kein Zufall: Die Geldmengenvermehrung wird von den Regierenden und Regierten als das vergleichsweise kleinste Übel angesehen, um den Problemen, für die das Heruntermanipulieren des Zinses gesorgt hat, zu entkommen. Anleger, die zur Auffassung gelangen, dass die Geldmengenvermehrung fortgeführt wird, dass sie sogar noch an Fahrt aufnehmen wird, haben daher gute Gründe, einen exponentiellen Anstieg des Goldpreises zu erwarten - der sich sogar noch beschleunigen kann.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


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