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Geldpolitik für die "große Transformation"

05.12.2020  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die Zentralbanken spielen eine entscheidende Rolle, die Volkswirtschaften weg von der Marktwirtschaft und hin zu einer zusehends staatsgesteuerten Wirtschaft zu führen.

Wer in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 prognostiziert hatte, die internationale Kreditpyramide würde kollabieren und alles mit sich in die Tiefe reißen, wurde eines Besseren belehrt. Das System überlebte. Die gleiche Lektion lernen nun diejenigen, die den "großen Crash" im Zuge der politisch diktierten Lockdown-Krise befürchteten: Das System ist wieder einmal nicht untergegangen. Dafür gibt es eine Erklärung: Die Korrekturkräfte, die das ungedeckte Geldsystem aus den Angel heben könnten, sind längst ausgeschaltet. Die Zentralbanken wissen sehr genau, wo und wie sie manipulieren müssen: beim Marktzins und bei der von der Öffentlichkeit erwarteten Geldmengenvermehrung.

Die Zentralbankräte kontrollieren mehr denn je die Marktzinsen, nicht nur die Kurzfristzinsen, sondern auch die Langfristzinsen. Alle wichtigen Zinsen unterliegen dem Zinsdiktat der Geldbehörden: Zinsen für Staatsanleihen, Bankschuldpapiere, Unternehmens- und Hypothekaranleihen. Das reicht aus, um alle anderen Zinsen - wie die für Firmen- und Konsumkredite - niedrig zu halten beziehungsweise vor einem Ansteigen zu hindern. Die Zentralbanken halten das Geldmonopol, daher haben sie die Macht, die Marktzinsen auf jedes politisch gewünschte Niveau zu schleusen und dort zu fixieren. Ein politisch unerwünschter Anstieg der Marktzinsen ist mittlerweile unmöglich gemacht worden.

Die Zentralbanken versorgen zudem alle systemrelevanten Schuldner - allen voran Staaten, Banken und Großunternehmen - mit jeder benötigten Kredit- und Geldmenge, bereitgestellt zu Null- oder auch zu Negativzinsen. Die Zentralbanken stellen auf diese Weise sicher, dass jede Kreditnachfrage auf ein entsprechendes Kreditangebot trifft. Das vertreibt auf den Kreditmärkten die Zahlungsausfallsorgen. Die künstlich gesenkten und niedrig gehaltenen Marktzinsen gaukeln vor allem aber eine Scheinprosperität vor, die in der Realität keine Entsprechung hat. Volkswirtschaftliche Fehlentwicklungen wie Überkonsum, Fehlinvestitionen, Kapitalverzehr und Misswirtschaft werden unter den Teppich gekehrt.

Die Minizinsen katapultieren die Preise für Vermögensbestände - allen voran Aktien und Immobilien - in die Höhe. Steigende Aktienkurse senken die Kapitalkosten der Unternehmen und ermuntern sie zu Investitionen, von denen sie ansonsten mit guten Gründen die Finger lassen würden. Die Verteuerung der Immobilienpreise setzt einen Bauboom in Gang, an dem Bauherren, Bauunternehmen und Banken bei unvoreingenommener Sicht der Dinge gar nicht teilnehmen wollten. Die ökonomischen Verwerfungen bleiben nicht national beschränkt, sondern sie zeigen sich weltweit: Sie wirken sich auf Handel, Produktion und Beschäftigung und Verteilung von Einkommen und Vermögen weltweit aus.

"Es gibt keine grausamere Tyrannei als die, welche unter dem Deckmantel der Gesetze und mit dem Schein der Gerechtigkeit ausgeübt wird."
Baron de Montesquieu (1689-1755)

Die Durchsetzung künstlich gesenkter Zinsen erfordert die Ausweitung der Geldmenge: Um die Zinsen niedrig zu halten, müssen die Zentralbanken Schuldpapiere in großem Stil aufkaufen und die Käufe mit neuem, aus dem Nichts geschaffenen Geld bezahlen. Dabei kommt den Geldbehörden allerdings der "Erwartungseffekt" zur Hilfe: Wenn Investoren damit rechnen, dass die Zentralbank Schulden kaufen wird, um den Zins niedrig zu halten, werden sie nicht auf steigende Marktzinsen spekulieren. Und bleibt die Verkaufswelle in den Anleihemärkten aus, steigen auch die Zinsen nicht. Die Zentralbank braucht dann gar nicht so viele Anleihen zu kaufen und die Geldmenge so stark zu erhöhen.

Doch das ist ein riskantes Spiel. Verlieren die Menschen das Vertrauen in das Geld, weil sie befürchten, die Zentralbank werde die Geldmenge immer weiter und immer stärker ausweiten, geht die Geldnachfrage zurück. Menschen beginnen ihr bislang gespartes Geld auszugeben - für beispielsweise Vermögensgüter wie Aktien, Häuser, Uhren, Edelmetalle, Kunst. Die Preise dieser Güter steigen, und das lässt die Bereitschaft der Menschen, Geld zu halten, zusätzlich schwinden. Wer nun aber meint, die mitunter gewaltigen Geldmengenvermehrungen der Zentralbanken in den Krisen 2008/2009 oder 2020 hätten das Vertrauen der Menschen in das ungedeckte Geld geschädigt, der irrt.

Beispielsweise steigt die Geldmenge M1 in den USA aktuell um 45 Prozent gegenüber dem Vorjahr, im Euroraum um etwa 13 Prozent, in China um gut 9 Prozent - Tendenz steigend, und das bei stark geschrumpfter Güterproduktion. Gleichzeit hat in allen großen Währungsräumen der Welt die Geldhaltung in Relation zur Wirtschaftsleistung historische Rekordstände erreicht. Das zeigt: US-Dollar, Euro und Co genießen nach wie vor großes Vertrauen. Von einer "Flucht aus dem Geld" ist zumindest bislang nichts zu erkennen. Doch ein böses Erwachen wird wohl noch kommen. Eine zunehmende Preisinflation ist nur eine Frage der Zeit.

Aber auch das läutet nicht zwangsläufig das Ende des ungedeckten Geldes ein. Denn um die Wirtschaft und Gesellschaft, die es geformt hat, vor dem Kollaps zu bewahren, ist man nämlich bereits dabei, das Wenige, was noch von den freien Märkte übrig geblieben ist, auch noch abzuschaffen und statt dessen eine Art Lenkungs- und Befehlswirtschaft zu errichten: Der Staat bestimmt durch Vorgaben, Preiseingriffe und -kontrollen darüber, welche Firmen wann und unter welchen Bedingungen produzieren und welche Güter die Konsumenten in welcher Menge verbrauchen. Dafür stehen die "Große Transformation", der "Great Reset", die "neue Weltordnung", die neo-sozialistische Eiferer in die Tat umzusetzen suchen.

Die Zentralbanken bringen neues Geld in Umlauf, um die wahren Kosten des Umbaus von Wirtschaft und Gesellschaft zu verdunkeln. Die Duldung der breiten Bevölkerung wird erkauft, indem sie stärker denn je an der Geldmengenvermehrung beteiligt wird - in der Lockdown-Krise etwa durch Auszahlung von neu geschaffenem Geld in Form von Lohnfortzahlungen, bald wohl auch in Form von bedingungslosen Grundeinkommen. Unter diesen Bedingungen ist ein großer "Crash" zwar nicht unmöglich. Aber er ist doch viel weniger wahrscheinlich als der Weg in einen neuen Kollektivismus, in eine größenwahnsinne Weltelitenherrschaft - der begünstigt wird, wenn die Preisinflation an Fahrt aufnimmt.

Dass es gegen diese Entwicklung in der breiten Öffentlichkeit nur recht geringen Widerstand gibt, deutet an, wie weit sie bereits vorangeschritten ist, welche Legitimität sie bereits für sich in Anspruch nehmen kann. Die Worte von Baron de Montesquieu (1689-1755) erfassen es trefflich: "Es gibt keine grausamere Tyrannei als die, welche unter dem Deckmantel der Gesetze und mit dem Schein der Gerechtigkeit ausgeübt wird."


Der Außenwert des US-Dollar erreicht eine kritische Marke

Der US-Dollar ist - allen Unkenrufen zum Trotz - nach wie vor die bedeutendste Währung der Welt. Bislang kann keine andere Währung dem Greenback das Wasser reichen. Allerdings hat der Euro gegenüber dem US-Dollar seit Jahresanfang von 1,12 auf 1,21 aufgewertet - und damit einen langfristigen Abwärtstrend durchbrochen (siehe Graphik (a)). Ein mögliches Indiz, dass sich im Devisenmarkt große Veränderungen anbahnen.

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Quelle: Refinitiv; Graphik Degussa.


Seit Mitte 2011 hat der US-Dollar gegenüber allen anderen Währungen der Welt aufgewertet. Er scheint jüngst jedoch in der Gunst der Anleger insgesamt etwas verloren zu haben (siehe Graphik (b)). Die Unsicherheit über den Ausgang der Präsidentschaftswahl (die nach wie vor nicht entschieden ist, das sei hier betont) mag dabei eine wichtige Rolle spielen. Eine kräftige Abschwächung des US-Dollar-Außenwertes könnte Turbulenzen im internationalen Finanzmarkt auslösen - und würde den Edelmetallpreisen zusätzlichen Rückenwind bescheren.

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Quelle: Refinitiv; Graphik Degussa. Steigt (fällt) die Linie, wertet der US-Dollar auf (ab).


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


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