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"Halt die Presse", Teil 3

08.07.2007  |  Manfred Gburek
Die Geschichte ist schnell erzählt: 1. Franz Joseph Strauß, dem ruppigen Verteidigungsminister unter Konrad Adenauer, war es zu Beginn der 60er Jahre nicht gelungen, die Presse mundtot zu machen (bekannt als Spiegel-Affäre). Das Düsseldorfer Kabarett Kom(m)ödchen nannte daraufhin sein Programm "Halt die Presse".

2. Das Manager Magazin griff den Spruch in der Juni-Ausgabe 2007 auf und machte ihn zur Titelgeschichte. Tenor: Unternehmen und PR-Leute sorgen mithilfe der Medien dafür, dass die Wahrheit gedehnt wird (diese Redewendung stammt von Adenauer). Der erste Kanzler der Bundesrepublik zierte später, noch zu Lebzeiten, das 2-Mark-Stück. Anlass: 20 Jahre Grundgesetz. Bei Strauß kam ein Kompromiss heraus: Abbildung auf dem 2-Mark-Stück ja, aber erst posthum und nicht aus Anlass eines Grundgesetz-Jubiläums (das hätte der Spiegel-Affäre Hohn gesprochen), sondern - offiziell - weil die Bundesrepublik 40 Jahre alt geworden war.

3. Addiert man die Veröffentlichungen aller Medien innerhalb eines Jahres, dürfte das Ergebnis im günstigsten Fall so ausfallen: ein Drittel Unterhaltung, ein Drittel Wahrheitsdehnung incl. Schleichwerbung, ein Drittel Journalismus, der sich mehr oder weniger als solcher bezeichnen lässt. Fatal daran ist, dass das zweite und das dritte Drittel kaum zu unterscheiden sind. Um dazu gleich ein typisches Beispiel zu nennen: Wenn die Beilage einer Zeitung oder das Advertorial (von einem Sponsor finanzierter Sonderteil) eines Wirtschaftsmagazins Fonds oder Zertifikate zum Thema hat, können meistens nur Insider zwischen Dehnung und Wahrheit unterscheiden. "Eine Zensur findet nicht statt", dieser Satz in Artikel 5 des Grundgesetzes klingt, obwohl ursprünglich auf die Zensur durch Politiker gemünzt, in Anbetracht von Beilagen und Advertorials irgendwie komisch.

Die Ursprünge von Teil 3 der Geschichte reichen weit zurück. Hier konzentriere ich mich auf die Zeit von den 90er Jahren bis heute, weil sie in puncto Geldanlage und Presse besonders aufschlussreich ist. Das Jahr 1990 markierte durch die damalige Reform des deutschen Investmentrechts den entscheidenden Wendepunkt bei Fonds. Ausländische Investmentgesellschaften strömten auf den deutschen Markt, als gelte es, DWS, Deka & Co. im Handstreich aus dem Feld zu schlagen. Fidelity verschliss bei dieser Gelegenheit in wenigen Jahren gleich mehrere Geschäftsführer, ohne allerdings beim Absatz im Entferntesten an die deutschen Platzhirsche heranzukommen. Anderen Konkurrenten aus dem Ausland erging es nicht viel besser.

Damals unternahm Micropal, die Vorgängerfirma der Fondsabteilung von Standard & Poor"s, erste Versuche zur Fondsbewertung in Deutschland. Und damit das Ganze nicht als brotlose akademische Kunst endete, sprangen bei den Rechenübungen zur Performance mit oder ohne Sharpe-Ratio und Beta-Faktor so genannte Awards heraus, also Preise für alle möglichen Leistungen in der Anlagekunst. Die Preise mussten natürlich kommuniziert werden, und schwuppdiwupp boten sich dafür Wirtschaftsmagazine an, wie Finanztest und Capital, DM und Finanzen (inzwischen zu €uro vereinigt). Klar, dass dazu auch, Finanztest ausgenommen, die große Sause gehörte. Deren einziger Schönheitsfehler, wenn überhaupt, war der Dauersieger DWS, dessen Award-Empfangskommando von den Konkurrenten zunehmend mit saurer Miene verfolgt wurde. Doch da die Awards immer mehr Junge und die Leute von Standard & Poor"s mit Morningstar, Lipper und anderen Ratingfirmen harte Konkurrenten bekamen, waren bald alle Fondsmanager wieder versöhnt, weil praktisch jeder von ihnen irgendeine Auszeichnung erhielt. In dieser Zeit schossen Spezialblätter, deren einzige Aufgabe offenbar im Abgreifen der vielen Anzeigen mit Hinweisen auf herausragende Fondsleistungen bestand, wie Pilze aus dem Boden. Was danach kam, ahnen Sie sicher schon: Es galt, den Raum zwischen den Anzeigen mit redaktionellen Texten zu füllen. Und weil Finanzjournalisten um die Jahrtausendwende Hochkonjunktur hatten, ließ die Qualität der Berichterstattung immer häufiger zu wünschen übrig.

Heute ist es umgekehrt: Finanzjournalisten sind kaum gefragt, obwohl DAX, Dow Jones & Co. wieder etwa so hoch stehen wie Anfang 2000 und Aktienfonds ebenso. Gründe: Die Anzeigen verteilen sich auf eine größere Zahl von Zeitungen und Zeitschriften als vor fünf oder gar vor zehn Jahren, die nicht rechtzeitig auf Kostensenkung getrimmten Verlage müssen sparen, Online- machen Printobjekten zunehmend Konkurrenz, und der Medienkonsum hat sich - nicht zuletzt durch das Internet - gravierend verändert. Welcher Versuchung unterliegen also die Verlage in so einer Situation? Sie versuchen sich, außer durch weitere Kostensenkungen, mit Beilagen und Advertorials aus der Affäre zu ziehen. Dabei kommt ihnen der Boom der Zertifikate zugute, der das Preisboxen der Fonds ergänzt oder abgelöst hat. Nutzen für Anleger: null.

Fazit: 1. Ausgehend von der These, dass guter Journalismus in den Medien nur noch zu einem Drittel stattfindet, sollten Sie Beiträge nach diesem Kriterium (investigativ, sauber recherchiert, hoher Nutzwert) aussuchen. 2. Das ist erst nach einiger Übung zu schaffen, aber viel besser, als irgendwelchen Anlageberatern zu folgen, die Ihnen im Zweifel nur Fonds oder Zertifikate verkaufen wollen. 3. Lesens- und hörenswerte Beiträge sind über alle möglichen Medien verteilt. Positive Beispiele: Süddeutsche Zeitung, FAZ, Börsen-Zeitung, Handelsblatt, Wirtschaftswoche, Manager Magazin, G&M Gold & Money Intelligence, Rohstoffspiegel, Finanztest, Guter Rat, Wiso im ZDF, Plusminus in der ARD - und natürlich GoldSeiten.de.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist u.a. Moderator auf der "Edelmetall- & Rohstoffmesse" am 2.+3.11.2007 in München und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005) und das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007)



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