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1939 und die Verträge

08.08.2003  |  Dr. Bruno Bandulet
- Seite 2 -
Bei Wilhelm G. Grewe, einem der engsten Mitarbeiter Adenauers (er leitete von 1953 bis 1955 die Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes), kann man nachlesen, daß der Überleitungsvertrag von der Regierung Adenauer nur mit Widerwillen unterschrieben wurde. Das Urteil Grewes:

"Der Überleitungsvertrag stellt nun einmal den Ersatz für jene friedensvertraglichen Bestimmungen dar, wie sie nach totalen Kriegen und entsprechenden totalen Niederlagen heute üblich sind. Auch der Abschluß eines Bündnisses mit den ehemaligen Gegnern kann die bitteren Konsequenzen der Niederlage nicht völlig beseitigen. Es hat keinen Zweck, darüber hinwegzureden."
(Wilhelm Grewe, Deutsche Außenpolitik der Nachkriegszeit, Stuttgart 1960, Seite 68)

Grewe, der später Botschafter in Washington und bei der Nato wurde, würde sich heute wundern, daß gewisse Bestimmungen des unbeliebten, aber damals seiner Meinung nach unvermeidlichen Überleitungsvertrages ein halbes Jahrhundert später immer noch in Kraft sind, darunter der bereits zitierte Artikel 7 (1), der sich auf die Gerichtsurteile der Alliierten bezieht.

Aber das erfährt die deutsche Öffentlichkeit nicht einmal auf den offiziellen Seiten von Fischers Außenministerium. Dort findet man zwar den Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12. September 1990, nicht aber die zusätzliche Vereinbarung zum Deutschlandvertrag und zum Überleitungsvertrag vom 27./28. September 1990.

Nur in dieser "Vereinbarung" kann man nachlesen, daß Art. 7 (Absatz 1) des Überleitungsvertrages von 1954 in Kraft bleibt - wie übrigens auch eine ganze Reihe anderer Artikel. Diese "Vereinbarung" vom September 1990 beruht auf einer Note, die am 27. und 28. September zwischen der deutschen, amerikanischen, britischen und französischen Regierung gewechselt wurde. Sie trat am 28. September 1990 in Kraft.

Offizielle Bezeichnung: "Vereinbarung vom 27./28. September 1990 zu dem Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten sowie zu dem Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen."

Den vollständigen Text finden Sie in: Zwei-plus-Vier-Vertrag - mit einer Einführung von Professor Dr. Klaus Stern und Dr. Bruno Schmidt-Bleibtreu, München 1991, Seite 227ff.

(Übrigens besagt der Zwei-plus-Vier-Vertrag in Art. 2, "daß von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird". Handlungen, die geeignet sind, die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind demnach "verfassungswidrig und strafbar". Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum es die Regierung Schröder peinlich vermieden hat, den amerikanischen Angriff auf den Irak als "Angriffskrieg" zu qualifizieren. Hätte sie es getan, dann hätte sie selbst zusammen mit der US-Regierung den Zwei-plus-Vier-Vertrag verletzt. Denn der Irakkrieg wurde eben auch "auf deutschem Boden", nämlich auf US-Stützpunkten in Deutschland vorbereitet.)

In dem erwähnten Art. 7 (1) fällt uns eine andere, mysteriöse Stelle auf: erwähnt werden nicht nur frühere Urteile und Entscheidungen der Siegermächte, sondern auch solche, "die später gefällt werden". Da dies auch 1990 in dem Notenwechsel noch einmal vereinbart wurde, bezieht sich "später" logischerweise auch auf die Zeit nach 1990 - und dies ohne zeitliche Begrenzung. Bleibt die Frage, welche Urteile und Entscheidungen in Zukunft damit gemeint sein könnten.

Muß man aus all dem schlußfolgern, daß die Geschichtsversion à la Nürnberg auch für die deutschen Kultusministerien und damit für die Schulbücher rechtlich verbindlich ist? Nicht unbedingt. Der Würzburger Rechtsanwalt Dr. Hannes Kaschkat, mit dem der DeutschlandBrief sprach, meint, daß a) normalerweise nur der Urteilstenor einer Gerichtsentscheidung Rechtskraft hat und daß b) Art. 7 (1) vor allem so auszulegen ist, daß Deutschland kein Gesetz erlassen darf, das frühere alliierte Urteile aufhebt.

Aber es könnte ja sein, daß bei denjenigen Autoren, die ganz eng der Nürnberger Geschichtsversion folgen, ein Fall von unbewußtem Gehorsam vorliegt.


© Dr. Bruno Bandulet

Quelle: 2-teilige Reihe au dem "Deutschland Brief", 06-07/2003



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