Wie das Fiat-Geldsystem uns in den Sozialismus treibt
26.02.2021 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Quelle: Degussa, eigene Berechnungen.
Im Zuge einer Geldpolitik, die die Marktzinsen herunterdrückt, kann aber noch etwas geschehen. Nehmen wir an, die Marktakteure erwarten, dass es künftig Inflation geben wird, so dass D fortan nicht 1 Euro, sondern 2 Euro pro Jahr sein wird. (Zu denken wäre an dieser Stelle an eine erwartete Verdopplung der Güterpreise, so dass sich der reale, also inflationsbereinigte Zahlungsstrom nicht verändert.)
In diesem Fall verschiebt sich die ursprüngliche blaue Linie nach oben, dargestellt durch die rote Linie. Wenn also der künftige inflationierte Zahlungsstrom nicht begleitet ist von einem Anstieg des Diskontierungszinses (weil die Zentralbank einen Zinsanstieg verhindert), dann fällt die Inflationierung der Vermögenspreise noch stärker aus.
Sozialismus durch die Hintertür
Damit offenbart sich ein großes Problem: Die künstlich abgesenkten Zinsen treiben die (Vermögens-)Güterpreise in die Höhe, und die inflationierten Güterpreise bilden die (nominale) Grundlage, auf der sich die Verschuldung aufbaut. Das lässt sich anhand eines einfachen Beispiels verdeutlichen. Nehmen wir an, ein Unternehmen weist auf der Aktivseite liquide Mittel in Höhe von 100 Euro aus. Da es einen Kredit von 50 Euro aufgenommen hat, beträgt sein Eigenkapital 50 Euro.
Nun nimmt die Firma einen zusätzlichen Kredit in Höhe von 50 Euro auf, um eine Unternehmensbeteiligung in Höhe von 150 Euro zu kaufen. Nach dem Kauf steigen die Marktzinsen an, und der Marktwert der Unternehmensbeteiligung fällt auf, sagen wir, 80 Euro. Die Folge wäre, dass das Unternehmen überschuldet ist, das Eigenkapital wäre fort (es stünde auf der Aktivseite).
Das Beispiel soll verdeutlichen: Sind die Vermögenspreise zinsbedingt stark inflationiert worden, und sind die Marktakteure hoch verschuldet, würde ein Ansteigen der Zinsen sehr wahrscheinlich Pleitewellen und Kreditausfälle in großem Stile nach sich ziehen. Viele Schuldner würden sprichwörtlich Haus und Hof verlieren. Denn sie erleiden nicht nur den Verlust ihres Eigenkapitals, wenn die “Preisblase” platzt und die Schulden das wertgeminderte Vermögen übersteigen. Sie bleiben auch auf ihren Schulden sitzen.
In solch einer Überschuldungskrise wäre mit einer gewaltigen Vermögensumverteilung zu rechnen: Die Kreditgeber - soweit in den Kreditverträgen Sicherheiten vereinbart wurden - können sich nämlich bedienen aus den Vermögensgegenständen, die die Verschuldeten bislang ihr Eigen nannten.
Es liegt auf der Hand, dass es vor allem die Banken sein würden, an die die Konkursmasse (Häuser, Grundstücke, Unternehmen(-santeile) übergeht. Allerdingswäre zu vermuten, dass im Zuge einer großangelegten Pleitewelle das ohnehin dünne Eigenkapital der Banken ebenfalls aufgezehrt wird.
Um die Banken zu retten, würde der Staat vermutlich dafür sorgen, dass die Verbindlichkeiten der Banken in Eigenkapital umgewandelt werden (“Debt for Equity Swap”); die Gläubiger der Banken also zur Ader gelassen würden. Oder aber der Staat rettet die Banken, indem er ihnen neues Eigenkapital beschafft. Dazu könnte er neue Anleihen ausgeben, die von der Zentralbank gekauft werden, und das dadurch neu geschaffene Geld wird als Eigenkapital in die Banken eingezahlt. Der Staat hätte auf diese Weise den Bankensektor verstaatlicht, und er wäre nun derjenige, der über die Konkursmasse verfügen kann.
Das Platzen der Preisblase, die im Fiat-Geldsystem aufgebaut wurde, könnte folglich zu einem wahren “Umsturz der Eigentumsverhältnisse” führen: einer Enteignung des Privatbesitzes quasi durch die Hintertür. Es würde die Volkswirtschaften quasi direkt in den Sozialismus katapultieren. Eine finstere Aussicht. Denn der Sozialismus - er steht für die Verstaatlichung der Produktionsmittel - ist erwiesenermaßen unmöglich, ist zum Scheitern verurteilt.
Der materielle Wohlstand der Volkswirtschaften würde gewaltig absinken. Vorbei wäre es mit der individuellen Freiheit (beziehungsweise mit dem, was davon heute noch übrig ist). Zwang und Gewalt hielten Einzug in das tägliche Leben der Menschen. Einigen wenigen würde es sehr gut gehen, der Mehrheit der Bevölkerung würde es aber sehr schlecht gehen.
Vorsicht Geldentwertung
Es wird von der politischen Kräfteverteilung abhängen, welche Folgen das Fiat-Geldsystem letztlich haben wird: das Inflationieren um jeden Preis oder aber das Platzenlassen der Schulden- und Preisblase. Das Bestreben, die gewaltige Verschuldungspyramide, die das Fiat-Geldsystem hervorgebracht hat, vor dem Einsturz zu bewahren, würde es in jedem Falle erfordern, die Geldmenge immer weiter auszudehnen und die Kaufkraft des Geldes herabzusetzen.
Die Geprellten werden in diesem Szenario die Geldhalter sein und auch alle, die Zahlungsforderungen in dem entwerteten Geld besitzen. Gewinner werden diejenigen sein, die “Sachwerte” besitzen, und denen es möglich ist, ihre Kreditverbindlichkeiten mit entwertetem Geld zurückzuzahlen. Allerdings wäre auch in diesem Szenario zu erwarten, dass die sozialistischen Kräfte gewaltig Rückenwind erhalten.
Eine Entwertung des Geldes wird viele Menschen in große Bedrängnis bringen: Sie werden ihren Lebensstandard nicht halten können. Nahrung, Miete, Transport, Krankenversicherung etc. werden zusehends teurer, immer weniger bezahlbar.