Brennende Börsenfragen, kühle Antworten
29.07.2007 | Manfred Gburek
Kommt es jetzt zum Crash?
Wenn man darunter einen starken Zusammenbruch der Aktienkurse in kürzester Zeit versteht (wie im Oktober 1987), eher nicht. Die Kursschwäche in der abgelaufenen Woche dürfte den Beginn einer Aktienbaisse markieren, die allerdings, was Ausmaß und Dauer betrifft, letztlich noch viel schlimmer sein kann als der Crash von 1987. Oder die, falls die Notenbanken unter Führung der Fed in den USA die Geldschleusen weit öffnen, in hektische Kursbewegungen übergehen wird.
Werden Edelmetallaktien, physisches Gold und Silber von der Aktienbaisse betroffen sein?
Solange Anleger, die sie besitzen, in Liquiditätsnöten sind und alles verkaufen müssen, um genug Geld auf dem Konto zu haben, können auch Edelmetalle in jeder Form vorübergehend darunter leiden. In welchem Umfang und wie lange, hängt einerseits vom Anteil der Edelmetallengagements solcher Anleger im Vergleich zu ihren Aktien, Anleihen, Immobilien usw. ab (geringer Anteil), andererseits davon, wie sehr Anleger mit viel Geld auf dem Konto Edelmetalle wegen deren Funktion als sicherer Hafen bei Preis- bzw. Kursdellen zu Käufen nutzen.
Dazu vermitteln die Grafiken einiger Goldaktien vom Beginn der 30er Jahre einen interessanten Anschauungsunterricht (unter anderem abgebildet in den Büchern "Gold Guide" von Bruno Bandulet und "Das Buch der Geldanlage" von Ferdinand Lips, die man mit etwas Glück antiquarisch bei Amazon bekommen kann): Als die Aktienbaisse im Oktober 1929 begann, fielen auch einige Goldaktien, andere dagegen stiegen bereits. Bis 1934 erzielten dann alle per Saldo Kursgewinne zwischen etwa 200 und über 400%. Falls die Geschichte sich ähnlich wiederholt, böten Kursdellen von Edelmetallaktien in nächster Zeit also Kauf- bzw. Nachkaufgelegenheiten.
Droht eine neue Weltwirtschaftskrise?
Diese Frage lässt sich nicht seriös beantworten, weil einer solchen Krise, wie 1929/30, bestimmte falsche Entscheidungen von Regierungen und Notenbanken vorangehen müssten, zurzeit jedoch kaum Indizien dafür zu erkennen sind. Der GAU träte beispielsweise ein, wenn ein Teil der riesigen Dollarbestände, die China, Japan, Saudi-Arabien und andere Exportländer angehäuft haben, plötzlich auf den Markt käme. Oder wenn die Yen-Carry Trades (Finanzierung von allem Möglichen mit zinsgünstigen Yen-Krediten) über Nacht platzen würden.
Wo lauert die größte Gefahr?
Nach wie vor in der US-Hypothekenkrise und dem ganzen Drumherum (notleidende Kredite, Derivate, Hedgefonds, Leverage, Spreads). Um den Zusammenhang möglichst einfach zu erklären: 2005 und 2006 wurden Kredite schlechter Schuldner (Subprime) von insgesamt 914 Mrd. Dollar verbrieft, also handelbar gemacht. Das ging so: Die Kredite gewährenden Banken reichten die überwiegend durch Immobilien besicherten Hypothekendarlehen an Refinanzierer weiter, die sie zu Paketen zusammenschnürten und an Großbanken verkauften. Diese machten daraus Mixturen aus Derivaten (abgeleiteten Finanzprodukten), die im Vergleich zu gängigen Anleihen einen Spread hatten, das heißt, wegen des größeren Risikos eine höhere Verzinsung boten.
Solange die Ausfallquoten bei den Hypothekendarlehen dank hoher Immobilienpreise und immer weiter mit Krediten belastbarer Schuldner gering waren, rissen sich Hedgefonds, Versicherer, Pensionsfonds und Banken um die derivativen Wundertüten. Doch im Zuge immer höherer Schulden der US-Haushalte und schließlich auch rückläufiger Immobilienpreise begannen die Spreads als Ausgleich für höhere Risiken zu steigen, und zwar nicht nur für die auf Hypotheken basierenden Derivate, sondern auch für vergleichbare Anleihen von Unternehmen minderer Bonität. Die Folge: Vorher mit Leverage (hoher Fremdkapitaleinsatz) in die Höhe getriebene Aktienkurse beginnen nun zu sinken; ihnen folgen die Kurse anderer Aktien, Ende offen.
Wie lange kann sich die Aktienbaisse hinziehen?
Länger als die Immobilienkrise, und die hat erst in diesem Jahr so richtig begonnen. Fed-Chef Ben Bernanke deutete vor kurzem an, er rechne nicht so schnell mit einer Wende am Hypothekenmarkt. Darin sieht er eine große Gefahr für die US-Wirtschaft. Um dazu eine Zahl sprechen zu lassen: Im Sonnenstaat Kalifornien nahm die Zahl faul gewordener Hypothekendarlehen zum 30. Juni dieses Jahres innerhalb Jahresfrist um 158 Prozent zu.
Welche Rolle spielen die Hedgefonds?
Eine absolut undurchsichtige, weil sie sich zu einem großen Teil in Steueroasen der Kontrolle entziehen. Das bringt zusätzliche Verunsicherung an den Börsen mit sich. Hedgefonds setzen in hohem Maß Derivate ein, über die bereits im Monatsbericht der Bundesbank vom Januar 2003 zu lesen war: "Neben der hohen Konzentration gibt auch der Mangel an Transparenz im außerbörslichen Derivatemarkt Anlass zu Besorgnis. Die Rechnungslegung vieler Marktteilnehmer hat mit der Innovation an den Finanzmärkten nicht Schritt gehalten." Ich kann Ihnen den ganzen Beitrag nur dringend zur Lektüre empfehlen (www.bundesbank.de). Außerdem für Nostalgiker das Buch "IOS - Senkrechtstart und Absturz einer Erfolgsidee" von Manfred Birkholz und Wolf Saller (antiquarisch bei Amazon). Warum? Weil sich schon die 1970 pleite gegangene Investmentgesellschaft IOS mit ihrem Firmensitz in der Steueroase Panama weitgehend der Kontrolle entzog.
Wie schütze ich mich vor dem Schlimmsten?
Indem Sie grundsätzlich meinem vor zwei Wochen an dieser Stelle gegebenen Rat folgen: "Halten Sie Ihr frei verfügbares Vermögen halb in Liquidität und halb in Gold." Zur Liquidität können neben Tages- und Festgeld bei einem dem zuständigen Einlagensicherungsfonds angehörenden Institut auch Bundesanleihen und -obligationen mit Laufzeiten bis zu drei Jahren gehören (www.deutsche-finanzagentur.de), zum Gold - bei geschicktem Timing - auch Gold- und Silberaktien. Im Übrigen sollten Sie Ihre Kredite so weit wie eben möglich abbauen.
Sind Immobilien jetzt kaufenswert?
Für den eigenen Wohnbedarf ja; bei der Suche können Sie sich allerdings getrost bis 2008 Zeit lassen. Zur Vermietung oder als indirekte Anlage (offene oder geschlossene Fonds, Immobilienaktien, Reits) eher nein.
Kommt die Inflation zurück?
Zieht man die Tricks in Betracht, die in den USA zur optischen Senkung der Inflationsrate angewandt werde, ist sie bereits da. Wahrscheinlich wird sie 2009 weltweit einen neuen Schub bekommen. Denn nachdem sie in den vergangenen Jahren verschiedene Anlagen erfasst hat, wie Immobilien in England und Spanien oder Aktien weltweit (Asset Inflation), dürfte sie im Zuge der Krisenbewältigung durch erneutes Öffnen der Geldschleusen auf die Verbraucherpreise überspringen. Spätestens dann werden auch die Edelmetallpreise durchstarten.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist u.a. Moderator auf der "Edelmetall- & Rohstoffmesse" am 2.+3.11.2007 in München und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005) und das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007)
Wenn man darunter einen starken Zusammenbruch der Aktienkurse in kürzester Zeit versteht (wie im Oktober 1987), eher nicht. Die Kursschwäche in der abgelaufenen Woche dürfte den Beginn einer Aktienbaisse markieren, die allerdings, was Ausmaß und Dauer betrifft, letztlich noch viel schlimmer sein kann als der Crash von 1987. Oder die, falls die Notenbanken unter Führung der Fed in den USA die Geldschleusen weit öffnen, in hektische Kursbewegungen übergehen wird.
Werden Edelmetallaktien, physisches Gold und Silber von der Aktienbaisse betroffen sein?
Solange Anleger, die sie besitzen, in Liquiditätsnöten sind und alles verkaufen müssen, um genug Geld auf dem Konto zu haben, können auch Edelmetalle in jeder Form vorübergehend darunter leiden. In welchem Umfang und wie lange, hängt einerseits vom Anteil der Edelmetallengagements solcher Anleger im Vergleich zu ihren Aktien, Anleihen, Immobilien usw. ab (geringer Anteil), andererseits davon, wie sehr Anleger mit viel Geld auf dem Konto Edelmetalle wegen deren Funktion als sicherer Hafen bei Preis- bzw. Kursdellen zu Käufen nutzen.
Dazu vermitteln die Grafiken einiger Goldaktien vom Beginn der 30er Jahre einen interessanten Anschauungsunterricht (unter anderem abgebildet in den Büchern "Gold Guide" von Bruno Bandulet und "Das Buch der Geldanlage" von Ferdinand Lips, die man mit etwas Glück antiquarisch bei Amazon bekommen kann): Als die Aktienbaisse im Oktober 1929 begann, fielen auch einige Goldaktien, andere dagegen stiegen bereits. Bis 1934 erzielten dann alle per Saldo Kursgewinne zwischen etwa 200 und über 400%. Falls die Geschichte sich ähnlich wiederholt, böten Kursdellen von Edelmetallaktien in nächster Zeit also Kauf- bzw. Nachkaufgelegenheiten.
Droht eine neue Weltwirtschaftskrise?
Diese Frage lässt sich nicht seriös beantworten, weil einer solchen Krise, wie 1929/30, bestimmte falsche Entscheidungen von Regierungen und Notenbanken vorangehen müssten, zurzeit jedoch kaum Indizien dafür zu erkennen sind. Der GAU träte beispielsweise ein, wenn ein Teil der riesigen Dollarbestände, die China, Japan, Saudi-Arabien und andere Exportländer angehäuft haben, plötzlich auf den Markt käme. Oder wenn die Yen-Carry Trades (Finanzierung von allem Möglichen mit zinsgünstigen Yen-Krediten) über Nacht platzen würden.
Wo lauert die größte Gefahr?
Nach wie vor in der US-Hypothekenkrise und dem ganzen Drumherum (notleidende Kredite, Derivate, Hedgefonds, Leverage, Spreads). Um den Zusammenhang möglichst einfach zu erklären: 2005 und 2006 wurden Kredite schlechter Schuldner (Subprime) von insgesamt 914 Mrd. Dollar verbrieft, also handelbar gemacht. Das ging so: Die Kredite gewährenden Banken reichten die überwiegend durch Immobilien besicherten Hypothekendarlehen an Refinanzierer weiter, die sie zu Paketen zusammenschnürten und an Großbanken verkauften. Diese machten daraus Mixturen aus Derivaten (abgeleiteten Finanzprodukten), die im Vergleich zu gängigen Anleihen einen Spread hatten, das heißt, wegen des größeren Risikos eine höhere Verzinsung boten.
Solange die Ausfallquoten bei den Hypothekendarlehen dank hoher Immobilienpreise und immer weiter mit Krediten belastbarer Schuldner gering waren, rissen sich Hedgefonds, Versicherer, Pensionsfonds und Banken um die derivativen Wundertüten. Doch im Zuge immer höherer Schulden der US-Haushalte und schließlich auch rückläufiger Immobilienpreise begannen die Spreads als Ausgleich für höhere Risiken zu steigen, und zwar nicht nur für die auf Hypotheken basierenden Derivate, sondern auch für vergleichbare Anleihen von Unternehmen minderer Bonität. Die Folge: Vorher mit Leverage (hoher Fremdkapitaleinsatz) in die Höhe getriebene Aktienkurse beginnen nun zu sinken; ihnen folgen die Kurse anderer Aktien, Ende offen.
Wie lange kann sich die Aktienbaisse hinziehen?
Länger als die Immobilienkrise, und die hat erst in diesem Jahr so richtig begonnen. Fed-Chef Ben Bernanke deutete vor kurzem an, er rechne nicht so schnell mit einer Wende am Hypothekenmarkt. Darin sieht er eine große Gefahr für die US-Wirtschaft. Um dazu eine Zahl sprechen zu lassen: Im Sonnenstaat Kalifornien nahm die Zahl faul gewordener Hypothekendarlehen zum 30. Juni dieses Jahres innerhalb Jahresfrist um 158 Prozent zu.
Welche Rolle spielen die Hedgefonds?
Eine absolut undurchsichtige, weil sie sich zu einem großen Teil in Steueroasen der Kontrolle entziehen. Das bringt zusätzliche Verunsicherung an den Börsen mit sich. Hedgefonds setzen in hohem Maß Derivate ein, über die bereits im Monatsbericht der Bundesbank vom Januar 2003 zu lesen war: "Neben der hohen Konzentration gibt auch der Mangel an Transparenz im außerbörslichen Derivatemarkt Anlass zu Besorgnis. Die Rechnungslegung vieler Marktteilnehmer hat mit der Innovation an den Finanzmärkten nicht Schritt gehalten." Ich kann Ihnen den ganzen Beitrag nur dringend zur Lektüre empfehlen (www.bundesbank.de). Außerdem für Nostalgiker das Buch "IOS - Senkrechtstart und Absturz einer Erfolgsidee" von Manfred Birkholz und Wolf Saller (antiquarisch bei Amazon). Warum? Weil sich schon die 1970 pleite gegangene Investmentgesellschaft IOS mit ihrem Firmensitz in der Steueroase Panama weitgehend der Kontrolle entzog.
Wie schütze ich mich vor dem Schlimmsten?
Indem Sie grundsätzlich meinem vor zwei Wochen an dieser Stelle gegebenen Rat folgen: "Halten Sie Ihr frei verfügbares Vermögen halb in Liquidität und halb in Gold." Zur Liquidität können neben Tages- und Festgeld bei einem dem zuständigen Einlagensicherungsfonds angehörenden Institut auch Bundesanleihen und -obligationen mit Laufzeiten bis zu drei Jahren gehören (www.deutsche-finanzagentur.de), zum Gold - bei geschicktem Timing - auch Gold- und Silberaktien. Im Übrigen sollten Sie Ihre Kredite so weit wie eben möglich abbauen.
Sind Immobilien jetzt kaufenswert?
Für den eigenen Wohnbedarf ja; bei der Suche können Sie sich allerdings getrost bis 2008 Zeit lassen. Zur Vermietung oder als indirekte Anlage (offene oder geschlossene Fonds, Immobilienaktien, Reits) eher nein.
Kommt die Inflation zurück?
Zieht man die Tricks in Betracht, die in den USA zur optischen Senkung der Inflationsrate angewandt werde, ist sie bereits da. Wahrscheinlich wird sie 2009 weltweit einen neuen Schub bekommen. Denn nachdem sie in den vergangenen Jahren verschiedene Anlagen erfasst hat, wie Immobilien in England und Spanien oder Aktien weltweit (Asset Inflation), dürfte sie im Zuge der Krisenbewältigung durch erneutes Öffnen der Geldschleusen auf die Verbraucherpreise überspringen. Spätestens dann werden auch die Edelmetallpreise durchstarten.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist u.a. Moderator auf der "Edelmetall- & Rohstoffmesse" am 2.+3.11.2007 in München und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005) und das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007)