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Wie vorübergehend ist vorübergehend?

22.07.2021  |  Peter Schiff
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Noch glauben die Märkte, dass die Fed wachsam ist und wie notwendig handeln wird. Das erkennt man daran, wie Trader auf die höher als erwarteten Inflationsdaten damit reagieren, Gold zu verkaufen und Dollar sowie US-Staatsanleihen zu kaufen. Derartige Handlungen erscheinen kontraintuitiv. Höhere Inflation soll gut für Gold und schlecht für Dollar und Anleihen mit niedrigen Renditen sein. Doch Trader glauben, dass die höhere Inflation die Fed dazu zwingen wird, die Geldpolitik rasch und drastisch zu straffen. Sie interpretieren die Situation vollkommen falsch.

Die Wahrheit ist, dass die Fed wahrscheinlich keine ernsthaften Schritte unternehmen wird, um die Inflation zu kontrollieren. Um als ernsthaftes Gegengewicht zur etablierten Inflation zu agieren, müssen Zinsen "restriktiv" sein. Das bedeutet üblicherweise, dass sie über der Inflationsrate liegen, auf einem Niveau, das zum Sparen ermutigt und Kreditvergabe einschränkt und damit die Wirtschaft abkühlt, die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes verlangsamt, die Nachfrage eindämmt und Inflation reduziert. Zinsen, die unter der Inflationsrate bleiben, tun gar nichts davon. Tatsächlich ermutigen sie Kreditaufnahme und Ausgaben und können zu weiterer Inflation führen.

Würde die Inflation also auf einem Niveau von 4% oder 5% bleiben, dann wäre zu erwarten, dass die Fed die Zinsen auf mindestens 5% oder höher bringen würde. Das ist nicht einmal annähernd realistisch. Vor etwa 9 Jahren startete die Fed eine Quest, sich des politischen Akkommodierens zu entledigen, das man angewandt hatte, um die Finanzkrise 2008 zu bekämpfen.

Ihr Ziel war es, die QE-Käufe über 85 Milliarden Dollar im Monat, die man seit 2009 tätigte, zu reduzieren, die Zinsen zurück auf Niveau von vor der Krise zu setzen (die meisten nahmen an, diese Zahl würde sich auf etwa 4% oder 5% belaufen) und die Anleihemenge in ihrer Bilanz um mindestens 50% zu reduzieren. Im Nachhinein stellte sich diese Kampagne als langsame Kernschmelze heraus, deren Ziele niemals erreicht wurden.

Trotz des bestehenden Marktunbehagens wurden die monatliche QE-Käufe innerhalb eines Jahres von 85 Milliarden Dollar auf null reduziert. Ein Jahr später wurden die Zinsen endlich von 0% auf 25 Basispunkte erhöht. Diese Entwicklung beschaffte dem Markt noch mehr Unbehagen und die Fed war gezwungen, zusätzliche Zinserhöhungen ein weiteres Jahr aufzuschieben. Danach wurden die Zinsen langsam erhöht. Glücklicherweise bot der wirtschaftliche Optimismus, der von den Steuersenkungen der Trump-Regierung angetrieben wurde, der Fed ausreichend Deckung, um die Zinsen letztlich nahe 2% zu bringen.

Doch selbst das stellte sich als zu viel für die Märkte heraus, die Ende 2018 mit einem scharfen Selloff reagierten und die Fed dazu zwangen, weitere Zinserhöhungen auszusetzen. Die letzte Phase des Plans, die Bilanzreduktion, musste abgebrochen werden, nachdem man weniger als 25% der geplanten Reduzierungen erreicht hatte.

Unter derzeitigen Umständen würde eine Reduktion der QE und eine Rückkehr zu 2% mindestens zwei Jahre dauern, und diese Geschwindigkeit wird bereits als sehr aggressiv angesehen. Was, wenn sich die Inflation die ganze Zeit über bei 5% oder mehr befindet? Härtere Maßnahmen werden notwendig sein.

Powell versicherte dem Kongress, dass die Fed Werkzeuge habe, um eine Wiederholung der 1970er Jahre zu verhindern, selbst wenn sich die Inflation als weniger vorübergehend herausstellt, als aktuell prognostiziert wird. Er vergaß jedoch zu erwähnen, dass die Fed dieselben Werkzeuge in den 1970er Jahren besaß, jedoch aus demselben Grund nicht verwendete, aus dem Powell sie auch heute nicht verwendet: der Unwille, der Wirtschaft zu schaden.

Doch wenn sich das Inflationsproblem nicht von selbst löst, so versichert uns Powell, dass die Fed diese Werkzeuge verwenden wird, trotz wirtschaftlichem Schaden. Doch je länger die Fed wartet, desto größer werden die Assetblasen, desto mehr Kredite werden Regierungen, Unternehmen und Verbraucher aufnehmen und desto größer werden die Kosten ausfallen, wenn die Zinsen letztlich steigen. Wenn die Verwendung der inflationsbekämpfenden Werkzeuge in Zukunft mehr kosten würde, warum sollten wir dann glauben, dass die Fed sie später verwenden wird, wenn sie dies jetzt noch nicht tut?

Weil die Fed in den 1970er Jahren zu lange wartete, war ihr Heilmittel Anfang der 1980er Jahre tatsächlich brutal. Doch als Paul Volcker die Zinsen auf 20% erhöhte, um die Inflation zu reduzieren, besaß unsere Wirtschaft noch ein ausreichendes Fundament, um den Stress zu handhaben (auch wenn wir uns als Resultat einer ernsthaften Rezession gegenübersahen). Wir haben diese Stärke nicht länger.

Anfang der 1980er Jahre waren unsere Schuldenniveaus nur einen Bruchteil so groß wie heute und die Aktien-, Anleihe- und Immobilienmärkte waren jahrelang nach unten tendiert. Nun sind diese Märkte seit mehr als ein Dutzend Jahre in die Höhe geschossen und könnten mit der kleinsten Bewegung kollabieren. Wir sind wie Astronauten, die den Großteil der letzten 15 Jahre in der Schwerelosigkeit, dem Nullzinsumfeld, verbracht haben. Unsere Knochen und Muskeln sind verkümmert und wir können innerhalb einer Umgebung mit echter Gravitationskraft nicht länger auf eigenen Beinen stehen.

Die Fed bittet die Nation, zu glauben, dass die aktuelle Inflationsepisode nur ein vorübergehendes Nach-COVID-Phänomen ist. Dieses hochriskante Spiel macht nur Sinn, wenn die Fed realisiert hat, dass das Inflationsfeuer bereits zu stark ist, um es ohne eine Zerstörung der Wirtschaft zu löschen. Das echte Inflationsspiel fand 2008 statt. Jetzt geht es nur darum, das Unausweichliche so lange wie möglich aufzuschieben. Dieser Bluff wird alles andere als vorübergehend sein.


© Peter Schiff
www.europac.net



Dieser Artikel erschien am 20. Juli 2021 auf www.europac.com und wurde exklusiv für GoldSeiten übersetzt.


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