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Das Comeback der goldenen 70er Jahre

19.08.2007  |  Manfred Gburek
Thema verfehlt, nachdem die Edelmetalle in der abgelaufenen Woche ein Desaster erlebt haben? Sicher nicht, deshalb hier der Reihe nach: In den vergangenen Tagen erhielt ich sehr viele Anfragen mit dem Tenor: Das Schlimmste ist doch wohl an den Aktienmärkten überstanden, oder? Meine Antwort war immer dieselbe: Das Schlimmste kommt noch. Und je mehr professionelle Gesundbeter von der ach so gesunden Korrektur schwadronieren, nach der es schon wieder aufwärts gehen werde, desto stärker wächst die Gewissheit, dass genau das nicht passieren wird. Die Gesundbeter haben ja die Funktion, die so genannte Distribution (Aktienverkäufe, vor allem die der Fonds und anderen institutionellen Anleger, auf möglichst hohem Kursniveau) bis zum Verlust ihrer eigenen Glaubwürdigkeit möglichst weit in die Länge zu ziehen.

Wer als privater Anleger engagiert bleibt, tröstet sich dann halt damit, zum Lager der vermeintlichen Profis zu gehören. So funktioniert die Börse schon seit Jahrhunderten. Am Ende liegt immer die Mehrheit der Anleger daneben. Zum Trost: Das sind nicht nur die privaten. Sind die Kurse ganz tief angekommen und schlägt der Abwärtszyklus schließlich ins Gegenteil um, beginnt alles wieder von vorn, nur unter umgekehrten Vorzeichen: Die ehemaligen Gesundbeter sprechen dann bei jeder Kurserholung von einer technischen Reaktion, während clevere Fondsmanager Aktienpositionen aufbauen. Diese Phase heißt Akkumulation (sozusagen das Gegenteil von Distribution).

Leider sind wir längst noch nicht so weit. Denn die zurzeit fallenden Aktienkurse, zuletzt vor allem auch die der Gold- und Silberminen, resultieren aus der allgemeinen Unsicherheit bezüglich der wirklichen Daten. Es fehlt zum einen an Informationen; zum anderen handelt es sich um eine Finanzkrise der besonderen Art, deren Hauptproblem ein Investmentbanker mir noch vor einigen Wochen ganz im Vertrauen so erläuterte: "Ich weiß nicht, wofür mein Job wirklich gut ist, aber meine Bank verdient durch mich viel Geld." Dann erwähnte er, sein Team denke sich ständig neue Zertifikate aus, die auf so vielen mathematischen Formeln basierten, dass er inzwischen selbst den Überblick verloren habe. Woanders, etwa irgendwo in der Karibik oder auf den Bermudas, residieren Hedgefonds, deren Manager zur selben Zeit im Prinzip nichts anderes taten, nämlich mithilfe der Mathematik konstruierte Finanzinstrumente hin und her bewegen. Solange dieses nutzlose, weil unproduktive Spiel mit dem Geld nicht auf ein Minimum zusammengeschrumpft ist, besteht immer wieder die Gefahr böser Überraschungen von Seiten der Finanzszene. Immerhin ist die Geldmenge von 1996 bis 2006 weltweit um 90% gestiegen, das addierte Bruttoinlandsprodukt aller Länder dagegen nur um 60%. Dieses Ungleichgewicht hat sich durch die jüngsten Geldspritzen noch verschlimmert, wobei wegen der US-Hypothekenkrise im Gegenzug allerdings auch Geld in erheblichem Umfang vernichtet wird.

Fatal an der Geldmengeninflation ist, dass sie - um eine zentrale These von Börsenguru Doug Casey zu zitieren - über kurz oder lang zur Preisinflation führt. Letztere ist im Bewusstsein von Anlegern wie auch Konsumenten fest verankert und lässt sich messen, sei es - wie in den vergangenen Jahren - als so genannte Asset Inflation anhand des Anstiegs der Aktienkurse fast überall oder der Immobilienpreise in England, Spanien und den USA, sei es als Preiserhöhung für Heizöl, Gas oder - wie zuletzt - für Milch. Dagegen wird die Geldmengeninflation von der breiten Öffentlichkeit kaum als Gefahrenherd wahrgenommen, eher im Gegenteil: Wenn Bernanke, Trichet & Co. die Geldspritze in die Hand nehmen, wird diese Tat in erster Linie als Rettung vor einem internationalen Finanzkollaps wahrgenommen.

Es wird interessant sein, zu beobachten, wo die nächste Preisinflation entsteht, wenn die aktuelle Vertrauenskrise vorbei ist. Bei den gängigen Aktien später, nachdem ihre Kurse um 30 bis 40% gefallen sind, wahrscheinlich, aber mit weniger favorisierten Branchen als in den Jahren 2003 bis 2007 und zum Teil mit anderen Schwerpunkten. Dazu nur einige Beispiele: Klimaschutz, Energieersparnis, Gesundheit, Altersvorsorge, Infrastruktur. Bei Immobilien ist eine Preisinflation kaum so schnell zu erwarten, und zwar allein schon deshalb, weil sie sich nicht von heute auf morgen liquidieren lassen (was jetzt viele Anleger auf schmerzhafte Weise erfahren), weil zu ihrer Finanzierung in der Regel Kredite eingesetzt werden (die jetzt keine Bank gern gibt) und weil ihr Image durch die amerikanische Hypothekenkrise beschädigt ist. Bei Anleihen erster Qualität, die zurzeit haussieren, wo die Preisinflation also gerade auf Hochtouren läuft, dürfte diese im nächsten Jahr nicht mehr so rasant weiter gehen. Bei Gold und Silber wird die Preisinflation mit Sicherheit für den Fall um sich greifen, dass Edelmetalle von breiten Anlegerkreisen als Inflationsschutz wiederentdeckt werden (wie zuletzt in den 70er Jahren). Und zwar dann, wenn die Realzinsen von Anleihen erster Qualität, nach Abzug der Preisinflationsrate von den Nominalzinsen, immer mehr ins Minus rutschen.

Wie viel Geduld den Edelmetallanlegern bis dahin noch abverlangt wird, lässt sich recht einfach beantworten: Wenig Geduld denen, die sich dank hoher Liquidität über alle Preisdellen (wie in der abgelaufenen Woche) freuen, die ihnen niedrige durchschnittliche Einstandspreise bescheren, und etwas mehr Geduld denen, die schon voll in allen erdenklichen Edelmetallanlagen (von Barren und Münzen bis zu Minenaktien und ETF) engagiert sind, bei jeder Preisdelle ganz nervös werden und jeden kurzfristigen Höhenflug der Preise schon als Beginn der ganz großen Hausse ansehen. Zu welcher Gruppe Sie sich auch zählen, Ihre mehr oder weniger große Geduld wird in den nächsten zwei, drei Jahren reichlich belohnt. Denn wir befinden uns erst etwa mitten im Mega-Aufwärtstrend der Edelmetalle, der 2001 begann. Dieser Trend hat eine Zeit- und eine Preiskomponente. Zeitlich gesehen, könnte die Mitte schon vorbei sein, preislich liegt sie noch vor uns. Oder um wieder auf die 70er Jahre zurückzukommen: Der damalige Megatrend dauerte ein Jahrzehnt, von 1970 bis Anfang 1980, mit einer für viele Anleger schmerzlichen Unterbrechung 1975/76. Die höchsten Gewinne steckten die Anleger ein, die 1970 ein- und 1974 ausstiegen, sowie diejenigen, die 1976 ein- und Anfang 1980 ausstiegen.

Die Entwicklung der Preise von Gold und Silber verläuft im jetzigen Zyklus zwar etwas, aber nicht entscheidend anders. Das heißt, dem Preisrückgang vom Sommer 2006 folgte keine Baisse, sondern eine Seitwärtsbewegung, die trotz des dieswöchigen Einbruchs bis heute anhält. Da die hier angestellten Überlegungen zu den Realzinsen für den nächsten Preissprung Ausschlag gebend sein dürften, sollten Sie jetzt neben den Edelmetallpreisen vor allem alle wichtigen Zinsindikatoren intensiv beobachten, wie die Renditen von Bundesanleihen und amerikanischen T-Bonds, die entsprechenden Futures (Terminkontrakte), die Yen-Zinsen incl. Yen im Vergleich zu anderen Währungen (wegen der Carry Trades, also der Zinsdifferenzgeschäfte) und natürlich die wichtigsten Leitzinsen, vor allem die der EZB und der Fed. Dazu alle - offiziellen (schön gerechneten) wie auch inoffiziellen (um Schönrechnungen bereinigten) - Inflationsraten. Am Ende wird Ihre Geduld reichlich belohnt.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist u.a. Moderator auf der "Edelmetall- & Rohstoffmesse" am 2.+3.11.2007 in München und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005) und das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007)







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