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Antony P. Mueller: Warum versagt die Politik?

09.01.2022
- Seite 2 -
Danach dauert es eine weitere Zeit, bis die geeigneten politischen Mittel die notwendige politische Unterstützung erhalten. Nach der Umsetzung der Maßnahmen vergeht eine weitere Zeitspanne, bis der Mitteleinsatz seine Wirkung zeigt. Die Zeit zwischen der Artikulation eines Problems und der Auswirkung ist oft so lang, dass sich die Natur des Problems und sein Kontext in der Zwischenzeit grundlegend geändert haben. Es überrascht nicht, dass die Ergebnisse staatlicher Interventionen einschließlich der Geldpolitik nicht nur vom ursprünglichen Ziel abweichen, sondern das Gegenteil der Absichten hervorrufen können.


Pfründe

Staatliche Eingriffe machen das Streben nach Privilegien attraktiv und ziehen so Personen an, die darauf aus sind, Pfründe durch die Regierungspolitik zu erlangen. In einer Demokratie besteht ein ständiger Druck, die Sondervergünstigungen auszuweiten, um Unterstützung und Stimmen zu erhalten. Die Schaffung von Privilegien zugunsten einer Sondergruppe erhöht den Eifer anderer Gruppen, ebenso nach Pfründen zu suchen. Mit der Zeit wird die Unterscheidung zwischen Korruption und einem anständigen und legalen Verhalten verwischt.

Je mehr sich eine Regierung der Schaffung von Pfründen widmet, desto mehr wird das Land ein Opfer von Klientelismus, Bestechlichkeit und der Fehlallokation von Ressourcen.


Koalitionsklüngel

Der in der Theorie der öffentlichen Wahlhandlungen (Public chic) thematisierte "Koalitionsklüngel" (Logrolling) bezeichnet den Austausch von Gefälligkeiten unter den politischen Fraktionen, um ein bevorzugtes Projekt durch Unterstützung der Interessen anderer Gruppe zu erreichen. Dieses Verhalten führt zu einer stetigen Ausweitung der staatlichen Aktivitäten. Durch diesen Prozess der wechselseitigen Gegenleistungen unterstützen die Parlamentarier die Gesetzesvorlagen anderer Fraktionen als Ausgleich für die politische Unterstützung der eigenen Projekte. Dieses Verhalten führt zu dem Phänomen der "Gesetzesinflation", der Lawine der nutzlosen, widersprüchlichen und schädlichen Gesetze.


Gemeinwohlillusion

Das sogenannte "Gemeinwohl" ist kein klar definiertes Konzept. Ähnliche Begriffe wie der des „öffentlichen Gutes“, das durch Nicht-Ausschließbarkeit und Nicht-Rivalität definiert wird, verfehlen ebenfalls den Punkt, weil nicht das Gut "allgemein" ist, sondern seine Bereitstellung. Ein Gut wird dadurch zu einem öffentlichen Gut, wenn seine kollektive Herstellung als effizienter angesehen wird als die private oder individuelle Herstellung dieses Gutes. Dies ist aber bei allen Wirtschaftsgütern der Fall, denn der Markt selbst ist ein System zur Bereitstellung privater Güter durch kooperative Bemühungen.

Die Marktwirtschaft ist ein kollektiver Anbieter von Gütern, da sie Wettbewerb mit Kooperation verbindet. Jedes der sogenannten "öffentlichen Güter", die der Staat liefert, kann desgleichen der private Sektor produzieren und dazu noch billiger und besser. Im Gegensatz zur öffentlichen Hand umfasst die Kooperation in einer Marktwirtschaft auch Wettbewerb und damit nicht nur Wirtschaftlichkeit, sondern auch Anreize für Innovationen.


Regulatorische Machtergreifung

Der Begriff der regulatorischen Machtübernahme (Regulatory capture) bezeichnet ein Versagen der Regierung, bei dem die Regulierungsbehörde nicht mehr die ursprüngliche Absicht verfolgt, das "öffentliche Interesse" zu fördern, sondern dem zu regulierenden Gruppeninteresse zum Opfer fällt, zu deren Regulierung die Agentur eingerichtet wurde. Durch die Inanspruchnahme der Administration durch private Interessen wird die Agentur zu einem Instrument, um die besonderen Interessen der zur Regulierung anvisierten Gruppe voranzutreiben.

Zu diesem Zweck werden die Interessengruppen gemäß ihren besonderen Anliegen Sonderregelungen fordern, um den Staatsapparat als Instrument zur Förderung der eigenen Interessen zu benutzen.


Kurzsichtigkeit

Der politische Zeithorizont ist die nächste Wahl. In dem Bestreben, dass die Vorteile politischen Handelns schnell ihren spezifischen Interessenten zugutekommen, wird der Politiker kurzfristige Projekte bevorzugen, auch wenn diese nur vorübergehende Vorteile bringen und langfristig mehr kosten als ein alternatives Projekt, in dem die Kosten zuerst anfallen und die Vorteile erst später kommen. Da die Bereitstellung öffentlicher Güter durch den Staat die Verbindung zwischen dem Kostenträger und dem unmittelbar Begünstigten trennt, ist die zeitliche Präferenz für die vom Staat scheinbar unentgeltliche Nachfrage nach Gütern zwangsläufig höher als im Marktsystem.


Rationale Ignoranz

Es ist rational, wenn sich der einzelne Wähler in einer Massendemokratie über die politischen Fragen nicht gründlich informiert, weil der Wert der Stimme des Einzelnen so gering ist, dass sie für das Ergebnis keinen Ausschlag gibt. Der rationale Wähler wird für diejenigen Kandidaten stimmen, die die meisten Vorteile versprechen. Angesichts des geringen Gewichts einer Einzelstimme in einer Massendemokratie wird der rationale Wähler nicht viel Zeit und Mühe aufwenden, um zu untersuchen, ob diese Versprechen realistisch sind oder mit seinen anderen Wünschen nicht kollidieren. Daher haben die politischen Kampagnen nicht Information und Aufklärung zum Ziel, sondern Desinformation und Verwirrung.

Was zählt, ist am Ende mehr Stimmen zu bekommen. Nicht die Solidität des Programms ist wichtig, sondern die Begeisterung, die ein Kandidat bei seinen Anhängern erzeugen kann und wie gut er seine Gegner niedermachen, denunzieren und erniedrigen kann. Infolgedessen rufen Wahlkampagnen Hass, Polarisierung und Vergeltungslüste hervor.

Textbeitrag aufgrund von Auszügen aus “Kapitalismus, Sozialismus und Anarchie. Chancen einer Gesellschaftsordnung jenseits von Staat und Politik” (KDP 2021)


© Antony P. Mueller


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