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Blick in die Zukunft

16.09.2007  |  Manfred Gburek
Es wird allerhöchste Zeit, dass Sie sich so intensiv wie möglich mit den Finanzmärkten beschäftigen. Wenn es dazu noch eines Anlasses bedurft hätte: Kein Signal wäre deutlicher gewesen als der jüngste Anstieg des Goldpreises, der von Hortungskäufen zwar begleitet, aber nicht ausgelöst wurde. Auslöser war, wie an dieser Stelle schon mehrfach betont, die Wiederentdeckung des Edelmetalls durch Großanleger als ultimativer sicherer Hafen - erst zusätzlich zu Staatsanleihen, nun jedoch immer mehr für sich allein.

Gehen wir den Dingen auf den Grund. Da ist erst einmal der in der abgelaufenen Woche erreichte neue Euro-Höchststand zum Dollar. Messen Sie ihm nicht die Bedeutung zu, die er in den Medien hat. Denn der auch in Euro (und anderen Währungen) gestiegene Goldpreis signalisiert eindeutig: Alle Papierwährungen verlieren an Wert, das heißt, vor allem an Kaufkraft. Bemerkenswerter erscheint schon, dass Bundeskanzlerin Merkel Fed-Chef Bernanke empfing. Dass die umstrittenen Ratingagenturen - dazu später - aus diesem Anlass ein Thema waren, mag zwar Frankreichs Staatschef Sarkozy, der sie am liebsten abschaffen möchte, gefallen haben; aber mehr als Absichtserklärungen können dabei aufgrund der verworrenen Lage nicht herausgekommen sein.

Wenden wir uns also den viel wichtigeren Aspekten unter der Oberfläche zu. Da gibt es zunächst die jüngste Aussage von EZB-Präsident Trichet, hier zitiert nach Spiegel Online: "Wir sind noch nicht am Ende. Das Misstrauen ist überall." Wenn das kein Persilschein für die nächste Liquiditätsspritze ist! Da mögen die ebenfalls dem EZB-Führungsgremium angehörenden Deutschen, Weber und Stark, mit ihren Aussagen zur nächsten Zinserhöhung noch so sehr dagegenhalten ("Aufgeschoben ist nicht aufgehoben") - das ist garantiert mit Trichet abgestimmt und gehört zur Psychologie, die immer wichtiger wird. Denn falls sich in Bankenkreisen der Eindruck verstärken sollte, dass die EZB unbegrenzt für Liquidität sorgen werde, dürfte das "globale Finanzkasino" (Börsen-Zeitung) die nächste Spielrunde eröffnen. Also müssen die als Hardliner bekannten Deutschen einem solchen Eindruck entgegenwirken. Clever gemacht!

Die viel gescholtenen Ratingagenturen bilden ein von US-Methoden dominiertes Oligopol unter der Führung von Moody"s, Standard & Poor"s und Fitch. Ihre viel diskutierte Kontrolle durch staatliche oder halbstaatliche Institutionen ist ein Witz. Warum, liegt auf der Hand: Bereits der größte Fall von Bilanzbetrug, der Enron-Skandal im Jahr 2001, führte zu gravierenden Zweifeln an den Bewertungsmethoden der Agenturen, die dem undurchsichtigen US-Energiekonzern Enron noch kurz zuvor gute Ratings beschert hatten. Doch die Aufregung über Moody"s & Co. legte sich schnell wieder, weil es keine Bewertungsalternativen gab. Blättert man in der Ratinggeschichte zurück, zeigt sich ein Abgrund von stümperhaften europäischen (auch deutschen) Versuchen, den Amerikanern Paroli zu bieten, die bis in die 80er Jahre zurückgehen.

Tatsache ist: Die Tätigkeit der Agenturen birgt zwar jede Menge an Interessenkonflikten, weil sie sich von den Unternehmen bezahlen lassen, die sie bewerten. Aber zu ihrer Kontrolle ist bisher nur ein seit gut zwei Jahren bestehender, rechtlich unverbindlicher Verhaltenskodex herausgekommen. Dass irgendwelche staatlich gesteuerten Institutionen sich mit Erfolg in die extrem komplizierten Bewertungsmethoden der Agenturen einmischen, ist ausgeschlossen. Fazit für Sie als Anleger: Ziehen Sie Ratings nur als eines von mehreren Bonitätskriterien heran.

Das gilt spätestens seit dem US-Hypothekenskandal auch für Bilanzen. Schuld daran sind die sog. Conduits, aus den Bilanzen ausgelagerte Zweckgesellschaften, über die IKB und Sachsen LB gestolpert sind. Das Auslagern ist sogar nach § 290 HGB kinderleicht: Man gründet eine Stiftung, an der die Bank, die nur als Beraterin fungiert, nicht beteiligt ist. Doch auch die HGB-Alternative, kurz IFRS genannt (International Financial Reporting Standards), erweist sich in Bezug auf Conduits als Flop: Wer will, kann diese nach IFRS 27 auslagern. Fazit für Sie als Anleger: Trauen Sie bis auf Weiteres keiner Bankbilanz. Erst die offizielle Einführung von Basel II (risikogerechte Unterlegung von Krediten durch Eigenkapital) im nächsten Jahr wird zu etwas mehr Transparenz führen. Und noch ein Fazit: Machen Sie sich darauf gefasst, dass die nächste Bilanzsaison in den ersten Monaten 2008 zu kräftigen Bewegungen an allen Börsen bzw. Märkten führen wird, also bei Aktien, Anleihen, Devisen, Rohstoffen, Edelmetallen, Immobilien usw. Während dieser Phase dürften die Edelmetalle neue Höchstpreise im jetzigen Aufwärtszyklus markieren.

Werfen wir noch einen Blick in die weitere Zukunft, denn auch die wird es in sich haben. Grund: Die negativen Folgen der längst unter dem Namen Subprime bekannten US-Hypothekenkrise werden sich bis Ende 2008 auswirken. Denn bis dahin müssen die Eigentümer von Wohnhäusern in den USA ihre niedrigen Hypothekenzinsen noch nach oben anpassen; das ist systembedingt, weil sie variabel finanziert haben. Fatal: Diese Anpassung wird mit sinkenden Häuserpreisen einhergehen und dadurch erst recht viele Hauseigentümer in die Pleite treiben. Die negativen Auswirkungen auf den Konsum der Amerikaner sind damit programmiert - und auf viele Bereiche der deutschen Exportwirtschaft ebenfalls. Die Finanzkrise, die bisher die Aktienkurse nach unten gezogen hat, wird sich also auf die Realwirtschaft auswirken, deren Rezession danach wieder auf die Finanzwirtschaft usw. Das Ende der Abwärtsspirale ist wohl erst 2009 zu erwarten.

Diese Aussagen zeugen weniger von Pessimismus als von Realismus. Dass in solchen Phasen an den Märkten nur das geht, was als sicher gilt, lässt sich anhand der Finanzgeschichte nachweisen. Folglich spricht fast alles für eine - je nach persönlicher Situation mal so, mal so gewichtete - Mischung aus Edelmetallen, Tages- bzw. Festgeld bei soliden Banken und Staatsanleihen mit höchstens drei Jahren Restlaufzeit.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist u.a. Moderator auf der "Edelmetall- & Rohstoffmesse" am 2.+3.11.2007 in München und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005) und das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007)


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