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Grüße aus dem internationalen Spielsalon

07.10.2007  |  Manfred Gburek
Der Stichtag 30. September liegt hinter uns, jetzt können die Banker mitsamt ihren Kunden nur noch hoffen und beten. Warum, belegen die folgenden Fakten:

1. Führende Investmentbanken haben nach Hochrechnungen von Analysten der renommierten Researchfirma Thomson Financial Kredite für Zusammenschlüsse von Unternehmen in Höhe von fast 350 Mrd. Dollar ausgelegt. Diese Kredite waren einmal zum möglichst schnellen Weiterverkauf bestimmt. Das ist wegen der US-Hypothekenkrise erst zu einem Bruchteil gelungen; der Großteil steckt noch in den so genannten Conduits (Zweckgesellschaften), deren Bestände zum 30. September zu bewerten waren. Bei deren Einstellung in die Bilanzen der Banken würden diese neues Eigenkapital benötigen. Wer den Gedankengang bis hierher verfolgt, sagt sich vielleicht: Geschieht ihnen recht. Ein Trugschluss! Denn nun müssen die Banken a) ihr Eigenkapital aufstocken und/oder b) den Kredithahn woanders zudrehen. Ohne b) werden sie nicht auskommen, das heißt, Bankkunden sollten sich auf intensive Kreditgespräche vorbereiten.

2. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (Funktion: Bank für die Notenbanken) hat ausgerechnet, dass täglich im Devisenhandel durchschnittlich gut 3,2 Billionen Dollar (nach aktuellem Stand entsprechend knapp 2,3 Billionen Euro) umgesetzt werden. Addiert man dazu den täglichen Umsatz von Devisen- und Zinsderivaten in Höhe von 2,1 Billionen Dollar (fast 1,5 Billionen Euro), ergibt sich die Summe von 3,8 Billionen Euro. Das entspricht einem Anstieg von 71% in nur drei Jahren. Er ist im Wesentlichen auf vier Faktoren zurückzuführen: Globalisierung, Entdeckung der Devisen als eigenständige Anlageklasse, Zunahme der Carry Trades (Währungsspekulationen, z.B. Dollar gegen Yen oder Euro gegen Dollar) - und weltweit grassierende Spielwut.

3,8 Billionen Euro, das sind rund 5,3% des international von Vermögensverwaltern betreuten Geldes in Höhe von rund 71 Billionen Euro (basierend auf Berechnungen der Unternehmensberatung Boston Consulting und dem aktuellen Euro/Dollar-Verhältnis). Oder anders formuliert: Devisenhändler haben die Möglichkeit, an nur 19 Tagen so viel Geld zu drehen, wie Anleger weltweit besitzen. Und auf ein ganzes Jahr bezogen: 73 Billionen Euro, also schon etwas mehr als das 71-Billionen-Vermögen, für das mehrere Generationen in vielen Ländern Jahrzehnte lang hart gearbeitet haben. Das ist ein krasses Missverhältnis. Es spiegelt nicht nur die Folgen der Globalisierung und der Devisen als Anlageklasse wider, sondern vermittelt auch einen Eindruck davon, in welchem Ausmaß der internationale Spielsalon die Herrschaft über das Geld der Welt erobert hat.

Theoretisch sind zwei Konsequenzen aus 1. und 2. möglich: Alle (nicht nur die Banker) müssen den Gürtel enger schnallen, und es kommt zu einer halbwegs kontrollierten Deflation. Oder das Spiel geht weiter, und irgendwann in den nächsten Jahren wird sich weder eine Deflation noch eine Inflation kontrollieren lassen. Für die erste Alternative spricht zwar die Vernunft, aber die Notenbanken haben mit ihrer jüngsten Geldschwemme längst bewiesen, was sie von einer durch die US-Hypothekenkrise möglicherweise ausgehenden Deflation halten: nichts. Also spricht in der Praxis fast alles für die zweite Alternative, und das bedeutet: Da die Chefs der großen Investmentbanken nur ihre schlimmsten Fehler korrigieren, aber im Bewusstsein der Geldschwemme nicht mehr vom Spiel mit dem Geld lassen, kommt es auf einmal wieder zu wilden Ausbrüchen der Aktienkurse nach oben und demnächst wahrscheinlich auch zu Übertreibungen an anderen Märkten, sei es bei den Notierungen für Weizen und sonstige Agrarrohstoffe, sei es bei den Immobilienpreisen von Moskau bis Ho Chi Minh Stadt, sei es bei den Edelmetallen.

Jede Übertreibung wird unweigerlich Korrekturen nach sich ziehen, von denen die nächste schon absehbar ist: Die Kurse der Bankaktien werden wegen des unter 1. genannten Dilemmas ein weiteres Mal einbrechen. Ob und in welchem Ausmaß sie die Kurse anderer Aktien mit nach unten ziehen werden, lässt sich nicht vorhersagen. Denn jede drohende Krise dürfte schon im Vorfeld mit einer neuen Geldschwemme bekämpft werden. Alternativen dazu gibt es zurzeit noch nicht. Allenfalls streiten sich Notenbanker und Volkswirte über das Ausmaß der gerade noch tolerierbaren Geldschwemme und wie man sie gegebenenfalls wieder eindämmen kann. Sie kennen allerdings schon die Antwort: Theoretisch ist die Eindämmung vorstellbar, in der Praxis nicht. Denn alle Politiker dieser Welt haben aus wahltaktischen Gründen etwas dagegen, und sie werden sich im Zweifel immer gegen alle Notenbanker dieser Welt durchsetzen.

Fazit für Anleger: Wer im Timing geübt ist, kann die sich abzeichnenden Wellenbewegungen an den Aktienmärkten zu nutzen versuchen. Dagegen sollten Langfristanleger ihre Aktien bei zwischenzeitlichen Kursspitzen verkaufen. Für die meisten Anleger bietet sich nach wie vor die konsequente Ausrichtung auf Edelmetalle unter Bevorzugung von Anlagemünzen und Barren aus Gold an, weil nur von ihnen zu erwarten ist, dass sie nach den Turbulenzen der kommenden Jahre nominal mit Gewinn abschneiden und real ihre Kaufkraft erhalten werden.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist am 2.+3.11.2007 Moderator auf der "Internationalen Edelmetall- & Rohstoffmesse" in München und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005) und das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007)





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