"Was auch immer notwendig ist"
11.09.2022 | Claudio Grass
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Im besten Fall sind sie zwei Seiten derselben Medaille: nationale Sozialisten vs. internationale Sozialisten. Beide sind unmenschliche, psychopathische und von Natur aus böse Ideologien, und so zu tun, als sei die eine besser als die andere, ist so, als würde man behaupten, die Pest sei besser als Cholera.Das heutige Schreckgespenst ist Giorgia Meloni. Ihre Partei, die "Brüder Italiens", erhielt 2008 nur 4% der Stimmen. Aber jetzt, lediglich vier Jahre später und nachdem "Super Mario" das Land in noch mehr Trümmern hinterlassen hat, als er es vorgefunden hat, liegt sie in den Umfragen vorn, und Meloni wird wohl im September die erste Ministerpräsidentin Italiens werden, zumindest sieht es zu diesem Zeitpunkt so aus.
Um ehrlich zu sein, sind die Brüder sicherlich "furchterregender" als die Lega, zumindest aus historischer Sicht. Während die Partei heute behauptet, reformiert zu sein - eine Aussage, die mit Blick auf ihr politisches Programm zutreffend zu sein scheint -, ist ihre Vergangenheit alles andere als ruhmreich. Meloni selbst wurde in vielen Interviews mit den neofaschistischen Wurzeln ihrer Partei und ihrer eigenen Beteiligung am Jugendflügel der Italienischen Sozialen Bewegung (MSI) konfrontiert.
Für alle rationalen Beobachter, und das sind nicht viele, besteht die wirkliche Bedrohung derzeit nicht in der Aussicht auf einen weiblichen Mussolini an der Spitze Italiens. Dies ist lediglich sensationslüsterner Unsinn, der durch die derzeit verfügbaren Hinweise nicht gestützt wird. Wenn überhaupt, dann ist die Brüderpartei in ihrem derzeitigen Kern einfach nur altmodisch nationalistisch - es ist nur so, dass sich das politische "Maß" in den letzten zehn Jahren so sehr nach links verschoben hat, dass solche beschreibenden Worte ihre Bedeutung verloren haben.
Die wahre Bedrohung ist die Rückkehr des kollektivistischen Populismus, der krassesten und niedrigsten Form der Politik, die an die niedersten menschlichen Instinkte appelliert. Ob "links" oder "rechts", diese Art von Populismus ist immer giftig für die Gesellschaft, er entfacht den Mob und ist absolut tödlich für die freie Rede, die offene Debatte und die Umsetzung von Ideen. Er leugnet die Bedeutung des Einzelnen und seines eigenen Verstandes und konzentriert sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, kulturell und intellektuell, um ein Gefühl der "Einheit" und "Zugehörigkeit" zu fördern, das auf den schlimmsten Instinkten der Menschheit beruht.
Zu allem Übel zerstört er auch noch jede Wirtschaft, die er erreicht. Eine kurzsichtige und dem Pöbel gefällige Politik, ein "starker Staat" und die völlige Missachtung unangenehmer Wahrheiten sorgen dafür, dass jede Wirtschaft, ganz zu schweigen von einer leidgeprüften wie die italienische, unter dieser Art von politischer Herrschaft nur weiter verfallen kann.
Und Meloni klingt, als sei sie bereit, das Schiff gegen diesen Eisberg zu steuern. Zum einen lautet ihr geplanter Wahlslogan "Italien und das italienische Volk zuerst". Und obwohl sie eine lautstarke Euroskeptikerin ist und weniger Bürokratie und Einfluss aus Brüssel gefordert hat, wird sie wohl kaum die Hunderte von Milliarden Euro aus dem EU-Konjunkturprogramm ablehnen, während ihre Agenda auch mehr familienorientierte staatliche Leistungen und mehr staatliche Unterstützung für Sektoren vorsieht, die sie als "wettbewerbsfähiger" betrachtet.
Und natürlich wird sie als weitere Berufspolitikerin, die keine Referenzen und keine Erfahrung in den Bereichen Wirtschaft, öffentliche Finanzen oder auch nur in einfacher Mathematik hat, auch ohne populistische Tendenzen noch mehr Schulden machen, um sich eine zweite Amtszeit zu sichern, indem sie Gelder an Gruppen verteilt, die als "wir" gelten, und "die anderen" bestraft.
Eine düstere Zukunft, nicht nur für Italien, nicht nur für Europa, sondern für den Westen insgesamt
Im Moment wird der Nachrichtenzyklus über die Situation Italiens vor allem von trauerndem Wehklagen über den "Verlust" von Draghi und von schrillen Weltuntergangsschreien über die bevorstehende Niederlage der Demokratie unter dem Stiefel des Faschismus beherrscht. Und das alles ohne einen Hauch von Ironie, wenn man bedenkt, dass der "Messias", der so schmerzlich vermisst wird, nie demokratisch gewählt wurde. Und es ist nicht nur die Ironie, die fehlt. Es gibt auch keine Rechenschaftspflicht und keinen ehrlichen Versuch, nachzuvollziehen, wie genau Italien wieder in die gleiche Ecke geraten ist.
Unabhängig davon, ob Meloni das Amt übernimmt oder nicht, muss es eine ernsthafte Diskussion und eine aufrichtige Untersuchung dessen geben, was falsch gelaufen ist. Zum einen scheint niemand in der Mainstream-Presse oder in irgendeiner Machtposition in der Lage zu sein, die einfache Tatsache zuzugeben, dass eine nicht gewählte Technokratie das Gleiche ist wie eine wohlwollende Diktatur.
Es spielt wirklich keine Rolle, was die Absichten oder "besonderen Fähigkeiten" eines Herrschers sind: Sie können freundlich, großzügig, gnädig und absolut kompetent sein oder sie können ungebildete, blutrünstige, bigotte Soziopathen sein, aber in dem Moment, in dem sie anfangen, den Menschen zu sagen, was sie zu tun haben und ihr Geld ohne ihre Zustimmung auszugeben, werden sie moralisch gleichwertig.
Leider wird diese grundlegende Tatsache nicht nur nicht einmal erkannt, sondern diese politische Richtung wird zur Norm für Europa, da immer mehr Entscheidungen von ernannten und vom Steuerzahler finanzierten Bürokraten getroffen werden, weit entfernt von denen, die direkt davon betroffen sind. Und während die Wirtschaft zumindest oberflächlich betrachtet stabil zu sein scheint, gehen die meisten Menschen ihren Angelegenheiten nach und haben kein Bedürfnis, irgendjemanden für irgendetwas zu beschuldigen oder sich gar zu fragen, wer verantwortlich sein könnte.
Aber wenn sich der Wind dreht, wie in den letzten Monaten, und wenn es immer schwieriger wird, das Essen auf den Tisch zu bringen, gibt es ein starkes Bedürfnis, die Schuld dafür zuzuweisen. Wenn die öffentliche Unzufriedenheit und der Zorn weiter schwelen, kocht es sehr leicht über, wenn die Menschen erkennen, dass sie nie ein Mitspracherecht hatten und nie gewählt haben, von denen geführt zu werden, die für ihre missliche Lage verantwortlich sind.
Es war dieselbe Wut, die wir vor zehn Jahren auf dem Höhepunkt der euroskeptischen Welle erlebt haben, nur dass sie diesmal viel schlimmer sein dürfte. Damals waren es nur ein leichter wirtschaftlicher Abschwung, eine gewisse Verbitterung über die EU-Rettungsmaßnahmen für chronisch finanziell unverantwortliche Länder wie Griechenland und einige Bedenken hinsichtlich der Massenmigration. Heute haben Populisten einen weitaus fruchtbareren Boden, auf dem sie gedeihen können.
Die Wirtschaft befindet sich in einem wesentlich schlechteren Zustand, und nach der COVID-Qual haben die meisten Menschen gesehen, zu welchen Extremen ihr Staat bereit ist, und welche Art von Unterdrückungs- und Zwangsmaßnahmen er durchzusetzen bereit ist. Die Wut ist groß, aber auch die Angst: um die Zukunft, um die eigene Familie und um den eigenen Lebensunterhalt.
Dennoch gibt es einen Silberstreif am Horizont: Diesmal ist eine der Hauptsorgen und einer der Auslöser für den öffentlichen Zorn die Inflation. Im Gegensatz zu früheren Krisen steht dieses Mal das Geld, die Währung selbst, im Mittelpunkt des Interesses. Es bleibt zu hoffen, dass dies die öffentliche Diskussion wieder in den Vordergrund rückt und die Aufmerksamkeit der Bürger auf die eigentliche Ursache all ihrer Probleme lenkt. Verdorbenes Geld kann nur zu verdorbenen Gesellschaften führen, die von verdorbenen Machthabern regiert werden.
Daher wird es interessant sein zu sehen, wie die verschiedenen Kulturen in Europa auf den "großen Reset" reagieren werden. Sie können sich für eine "Französische Revolution 2.0" in Form einer "Zentralverwaltungswirtschaft" im Namen des Kollektivismus entscheiden. Das kann in Form von Kommunismus, Sozialismus oder Faschismus auf nationaler oder internationaler Ebene geschehen, basierend auf dem Imperialismus, wie wir ihn schon in der Vergangenheit hatten.
Oder, und das hoffe ich, die Menschen werden endlich verstehen, dass die Politik niemals die Lösung, sondern das Problem ist. Dann können sie den Wettbewerb der Meinungen annehmen und verstehen, dass der Mensch frei geboren und kein Mittel zum Zweck ist, und sie können sich für die Dezentralisierung und die Prinzipien der Subsidiarität entscheiden. Ich persönlich bin nach wie vor der festen Überzeugung, dass die Zukunft eher in Myriaden von Kantonen als in ein paar großen Imperien liegt.
© Claudio Grass
www.claudiograss.ch
Teil 1 dieses Artikels wurde am 02.08.2022 auf www.claudiograss.ch und Teil 2 am 04.08.2022 auf www.claudiograss.ch veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.