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Essen oder heizen: Europäer mit bisher undenkbaren Dilemmas konfrontiert

02.10.2022  |  Claudio Grass
Während die Bürger Europas und des Vereinigten Königreichs zunehmend Schwierigkeiten haben, über die Runden zu kommen, nachdem die Inflation auf Rekordniveaus gestiegen ist, und sich der Winter langsam nähert, besteht die ernsthafte Gefahr, dass die Lebenshaltungskostenkrise außer Kontrolle geraten wird. Steigende Stromkosten in Kombination mit galoppierenden Preisen für Lebensmittel und andere essentielle Güter und Dienstleistungen werden sehr wahrscheinlich das auslöschen, was von der "Mittelschicht" noch übrig ist.

Haushalte, denen es einst gut erging, und die sogar einige Ersparnisse auf der hohen Kante hatten, standen bereits während des Sommers unter ernsthaftem finanziellen Druck; und leider steht uns das Schlimmste noch bevor. In dem, was als die "Essen oder heizen"-Krise bezeichnet wird, können wir nun in den kommenden Monaten eine weitere Verschärfung erwarten. Dies ist eine Entwicklung, die gravierende und weitreichende Auswirkungen, auch über die Wirtschaft hinaus, haben wird.

Diejenigen, die ein intaktes Gedächtnis und die Aufmerksamkeitsspanne eines durchschnittlichen Erwachsenen besitzen, werden sich nur zu gut an die Versicherungen der Politiker und Zentralbankbeamten am Ende des letzten Jahres erinnern, dass die Inflation "vorübergehend" sei und dass jeder, der das Gegenteil behauptet, ein politisch motivierter Panikmacher sei. Wie heute, und seit mehreren Monaten, mehr als deutlich ist, waren all diese Aussagen vollkommen falsch; ein "Fehler", der entweder aufgrund absoluter Ignoranz und professioneller Inkompetenz begangen wurde oder aufgrund böser Absichten und beruflicher Verlogenheit.

Das Endergebnis bleibt letztlich dasselbe. Die Öffentlichkeit wurde fehlgeleitet. Sie alle glaubten an die selbstgefälligen Botschaften darüber, wie die Handlungen der zentralen Planer aller Sparten "COVID besiegt" und "eine Rezession vermieden" sowie uns alle "zurück auf den Weg hin zu Wirtschaftswachstum und Wohlstand" gebracht hätten. Also vertrauten sie ihren Regierenden und nur sehr wenige ahnten, was auf sie zukommen würde; und noch weniger Menschen trafen erfolgreich Vorkehrungen. Tatsächlich ist den meisten Bürgern auch heute noch nicht bewusst, dass es diese Handlungen waren, die sie in die unhaltbare finanzielle Position gebracht haben, in der sie sich jetzt wiederfinden.

Sobald die Verbraucherpreise anfingen, ernsthaft und konsistent zu steigen, wussten die meisten Haushalte daher nicht, wie sie reagieren sollten und wer die Schuld daran trug. Die meisten Regierungen reagierten genauso. Sie lenkten die öffentliche Wut um, deuteten mit dem Finger auf Russland und gaben Vladimir Putin die Verantwortung für die außer Kontrolle geratenen Anstiege der Lebensmittelpreise und die steigenden Stromkosten.

Und was "praktische" Lösungen für das Problem angeht; nachdem der europäische Benchmark-Gaspreis in den vergangenen 12 Monaten um 550% nach oben explodierte, dachten sich die zentralen Planer eine Reihe absurder Maßnahmen aus, die von hirnverbrannt bis skurril reichten. Von der Einführung von Temperaturbegrenzungen für öffentliche Gebäude und Schwimmbäder, bis hin zur Ermutigung männlicher Mitarbeiter, in den Sommermonaten auf eine Krawatte während der Arbeitszeit zu verzichten.

Der kontraproduktivste aller Ansätze war natürlich einer, den die meisten europäischen Staaten verfolgten: Nämlich Bargeld an die Bürger auszugeben, damit diese ihre Rechnungen bezahlen können. In anderen Worten, die Politiker haben einfach versucht, ihre Bewertungen oben zu halten, indem sie ein Problem verschlimmerten; und das dürfte für viele langjährige Beobachter des politischen Geschehens nicht sonderlich überraschend sein.

Das Problem blieb stur bestehen und verschlimmerte sich letztlich. Im August erreichte die Inflation innerhalb der Eurozone mit bei 9,1% ein weiteres Rekordhoch ohne Aussichten auf Verbesserung und die Prognosen wurden zunehmend selbstsicherer in ihren Vermutungen, dass sie die 10% in den kommenden Monaten überschreiten würde.

Im Vereinigten Königreich ist die Situation noch schlimmer, wobei Goldman Sachs warnt, dass die Inflation bis Januar 22% übersteigen könne. Und am beunruhigendsten ist, dass all diese Rekordpreisanstiege nur die Spitze des Eisberges sind. Sie werden mittels extrem verfälschter und inakkurater Formeln errechnet, die äußert verzerrt sind, um die Realinflation, den finanziellen Schmerz, den die Menschen tatsächlich in ihren Alltag spüren, zu unterschätzen. Die Realität ist deutlich schlimmer.

In Deutschland, wo die Inflation im August auf ein 40-Jahres-Hoch von 8,8% stieg, leben nun fast 3 Millionen Kinder in Armut, eine Zahl, die seit letztem Frühling stark gestiegen ist, wie das Kinderhilfswerk "Die Arche" berichtet. Dessen Gründer, Bernd Siggelkow, meinte in Bezug auf das Machtzentrum Europas: "Immer mehr Menschen kommen zu uns und bitten um Unterstützung. Es scheint, dass niemand etwas tun wird, bis ein Kind in Deutschland an Hunger stirbt."

In Italien stellen mehr und mehr Bars und Restaurants ihre Gas- und Stromrechnungen öffentlich aus, um den Kunden zu zeigen, unter welchem Druck sie stehen und dass sie sich zwischen Preiserhöhungen und Schließung entscheiden müssen. In Griechenland, wo sich die Inflation nun auf einem 29-Jahres-Hoch befindet, sind die Mieten auf ein Niveau geklettert, das viele Familien mit Obdachlosigkeit bedroht.

Durch die steigende Zahl von Langzeittouristen mit COVID-Schecks, die für lange Urlaube verwendet werden, sind die Wohnungen in Athen praktisch unbezahlbar für die Einheimischen geworden. Die Regierungsunterstützung an Griechen mit niedrigem Einkommen hat die Situation nur verschlimmert und löste Bieterkriege aus, die die Mieten in die Höhe treiben.

Man kann sich nur vorstellen, wie sehr sich dieser Druck mit dem Wintereinbruch verschärfen wird. Die Energiekrise soll massiv eskalieren, nicht nur aufgrund des erwarteten Anstiegs der Nachfrage, sondern auch aufgrund weiterer Angebotsstörungen. Während er das Problem zwar nicht verursacht hat, hat der Ukraine-Russland-Konflikt es sicherlich verschlimmert, und nun befindet sich Europa in einer wenig beneidenswerten Position.

Ernsthafte Sorgen treten nun auf den Plan, dass Russlands Gazprom, die die Nordstream-1-Pipeline routinemäßig für Wartungsarbeiten stilllegt, diese eines Tages einfach nicht mehr öffnen wird. Ob das nun eine glaubwürdige Bedrohung ist oder nicht, ist nicht von Belang, da die Angst alleine ausreicht, um Chaos an den Märkten anzurichten und die Volatilität auf Rekordniveaus zu schicken. Zudem waren die Bemühungen, die lang verteufelten Atomkraftwerke wieder in Gang zu bringen, unzureichend.

Nach Jahren, in denen Finanzmittel gekürzt wurden und ein verfrühter Übergang hin zur "Grünen Energie" unternommen wurde, die nicht einmal ansatzweise die Energiebedürfnisse der Bevölkerung decken kann, haben Politiker langsam erkannt, dass die Kraftwerke keine "An/Aus"-Schalter besitzen, die man einfach betätigen kann, wenn man seinen Fehler erkannt hat.

Unternehmen wurden bereits gewarnt, dass sie ihre Betriebe im Winter aufgrund erwarteter Knappheiten vielleicht einstellen werden müssen und Haushalte sparen bereits jetzt täglich an Lebensmitteln und anderen Gütern des täglichen Bedarfs, um sich in den kommenden Monaten die Heizkosten leisten zu können. Dieser Druck dürfte zu politischen und gesellschaftlichen Spannungen führen. Wie wir bereits im britischen Wahlkampf beobachten konnten, ist das Hauptthema des öffentlichen Interesses die Lebenshaltungskostenkrise.

Der rationale, langfristige Anleger und Sparer muss all diese Entwicklungen berücksichtigen. Die Zeichen stehen auf Sturm - und diesmal kann zumindest niemand behaupten, er sei überrascht worden, wenn es kurz- und mittelfristig zu einer gravierenden Verschlechterung der Lage kommt. Für Halter physischen Edelmetalls ist dies ein besonders wichtiger Moment. Die eigene Position aufzubauen und die aktuellen Preisniveaus in Gold und Silber als eine seltene Kaufgelegenheit zu nutzen, wird sich als immens vorteilhaft erweisen, während wir und weiter in dieser Abwärtsspirale befinden.


© Claudio Grass
www.claudiograss.ch


Dieser Artikel wurde am 06.09.2022 auf claudiograss.ch veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.


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