Zur Ökonomik der Kriegswirtschaft und ihrer Inflation ...
05.02.2023 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
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InflationAd (2.): Der Staat kann seine Kriegsausgaben finanzieren, indem er Steuern eintreibt. Man denke nur an die Sektsteuer, die vom Deutschen Reichstag 1902 beschlossen und die zum Bau der Kaiserlichen Kriegsflotte verwendet wurde (und obwohl die Kaiserliche Flotte nicht mehr existiert, gibt es die Sektsteuer noch heute. Ein Beispiel, das zeigt: Steuern, werden sie erst einmal erhoben, lassen sich nur schwer oder gar nicht mehr aus der Welt schaffen). Steuererhöhungen zur Finanzierung von Krieg sind in der Regel besonders unbeliebt. Und wenn Staaten die Netto-Steuerzahler bereits hoch besteuern, sind die verbliebenen Spielräume, die Steuern in Kriegszeiten weiter zu erhöhen, rasch ausgeschöpft.
Der Staat wird dann auf die Verschuldung ausweichen, um die Kriegsausgaben zu finanzieren. Wenn die Menschen Vertrauen haben in die Bereitschaft und Fähigkeit des Staates, seine Zins- und Tilgungspflichten nachzukommen, dann werden sie bereit sein, ihm ihr Geld gegen einen Zins zu leihen.
Für beide Seiten scheint das ein vorteilhaftes Geschäft zu sein: Private Sparer verleihen ihr Geld freiwillig an den Staat, und der Staat bekommt Geld, ohne dafür unmittelbaren Zwang ausüben zu müssen. Wenn allerdings die Verschuldung des Staates bereits sehr hoch ist, wenn sich auf den Kapitalmärkten bereits Zweifel an seiner Kreditwürdigkeit zeigen, dann schwindet die Möglichkeit für den Staat, sich auf den Kreditmärkten zu bezahlbaren Zinsen neues Geld beschaffen zu können.
Der Staat wird sich dann an seine Zentralbank wenden: Sie erhält den Auftrag, neu ausgegebene Staatsanleihen zu kaufen und sie mit neu geschaffenem Geld zu bezahlen. Es handelt sich dabei de facto um nichts anderes als "Geldschaffen aus dem Nichts". Die Vermehrung der Geldmenge treibt die Güterpreise in die Höhe (in Kriegszeiten umso mehr, weil das Angebot von Konsum- und Produktionsgütern sich meist zusehends verknappt). Die Folge: Güterpreisinflation. Die Geldmengenvermehrung, die die Kaufkraft des Geldes herabsetzt, ist nichts anderes als eine "Inflationssteuer", mit der die Bevölkerung zur Kriegsfinanzierung zur Ader gelassen wird.
Die Inflation der Güterpreise sorgt jedoch nicht nur für verschärfte wirtschaftliche und finanzielle Bedrängnis und Not bei der Mehrzahl der Menschen. Sie führt vor allem auch zu Rufen nach "mehr Staat": Der Staat soll die durch die Inflation verursachten Missstände lindern - durch Mindestlöhne, Mietpreisbremsen, Höchstpreise für Transport und Energie sowie zunehmende Umverteilung von Einkommen und Vermögen. Es ist unschwer erkennbar, dass dadurch die wenigen verbliebenen Elemente des freien Marktes auch noch ausgeschaltet werden. Der Volkswirtschaft gehen daher - zusätzlich zu den Kosten der Kriegsführung - die Potentiale zur Vermehrung ihres Wohlstandes verloren.
Akzeptanz
Die Inflationspolitik, auf die der Staat in Kriegszeiten versucht ist zurückzugreifen, ist aus einem weiteren Grund höchst problematisch: Sie erleichtert es dem Staat, den Bürgern und Unternehmern die Kosten der Kriegsführung auferlegen zu können, und sie schmälert deren Widerstand gegen den Krieg.
Die Vermehrung der Geldmenge aus dem Nichts scheint schließlich niemandem etwas wegzunehmen - im Vergleich zu einer Erhöhung der Mehrwert- und/oder Einkommenssteuer -, und folglich bleibt auch der Widerstand in der Öffentlichkeit gegen die Kriegswirtschaft gering. Die Ursache der Inflation lässt sich meist gut verschleiern: Man verweist auf "andere Faktoren", die die Inflation verursachen, die aber leider nicht im eigenen Einflussbereich liegen.
Das wiederum erlaubt es der Regierung, den (Angriffs- oder Verteidigungs-)Krieg länger und härter zu führen, als es der Fall wäre, wenn die breite Bevölkerung nicht über die wahren Kosten, die die Kriegsführung hat, hinweggetäuscht würde. In diesem Zusammenhang führt die inflationäre Geldmengenvermehrung zu einer besonders bedrückenden Folge: der alles beflügelnden Kriegskonjunktur, in der so mancher den Kriegsfortgang zu akzeptieren beginnt.
Gäbe es keine Geldmengenvermehrung, wäre sofort offensichtlich, dass die erhöhte Nachfrage nach Kriegsgütern die Nachfrage nach Konsum- und Produktionsgütern zurückdrängt. Es stellt sich eine unübersehbare Verschlechterung der materiellen Versorgung für die breite Öffentlichkeit ein.
Wenn aber die Kriegsproduktion mit der Ausgabe von neuem Geld finanziert wird, dann ändert sich das Bild. Die Nachfrage nach Kriegsgütern verdrängt zunächst nicht die Produktion anderer Waren, sondern sorgt für eine "Sonderkonjunktur", führt die Volkswirtschaft in eine Überauslastung. Die Geschäfte der Firmen laufen gut, die Lage auf dem Arbeitsmarkt sorgt für eine hohe Beschäftigungslage (zumal viele Männer, die zur Front eingezogen werden, am Arbeitsplatz fehlen, und Forderungen nach höheren Löhnen durchsetzbar werden). In einer durch Ausgabe von neuem inflationären Geld angestoßenen Sonderkonjunktur schwindet der öffentliche Widerstand gegen die Kriegswirtschaft, gegen die Kriegstätigkeit.
Die Vermehrung der Geldmenge macht die Volkswirtschaft jedoch nicht reicher, mit ihr ist keine Erhöhung des Angebots von Waren und Diensten verbunden. Sie sorgt lediglich für eine Umverteilung von Einkommen und Vermögen: Einige gewinnen, andere verlieren. Gewinner finden sich beispielsweise in den Unternehmenssektoren, in denen die für den Krieg benötigten Güter erzeugt werden.
Sie sind diejenigen, die zuerst von der neu geschaffenen Geldmenge abbekommen und sie als erste für Nachfragezwecke einsetzen können. Sie können den unweigerlich steigenden Güterpreisen besser entkommen als die Menschen in denjenigen Sektoren, die erst zu einem späteren Zeitpunkt an das neue Geld gelangen, oder die gar nichts von der neuen Geldmenge abbekommen.