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USA: Neuer Konjunkturschock durch Rekordstände beim Ölpreis?

30.10.2007  |  Redaktion
Unbeeindruckt von Finanzmarktturbulenzen hat der Ölpreis zuletzt einen Rekordstand nach dem anderen erreicht. Am Freitag markierte die Benchmarkölsorte WTI erneut ein Allzeithoch von fast 93 USD pro Barrel. Damit stieg der Preis für das "schwarze Gold" in den vergangenen zwei Monaten um mehr als 25%. Mit der jüngsten Entwicklung kehrten auch wieder verstärkt Befürchtungen an die Finanzmärkte zurück, die hohen Energiepreise könnten das Weltwirtschaftswachstum spürbar beeinträchtigen. Im Mittelpunkt dieser Befürchtung steht einmal mehr der bereits durch die Immobilienkrise geschüttelte US-Konsument. Dieser Spezies, die für die Entwicklung der US-Wirtschaft so wichtig ist, könne durch den starken Anstieg der Energiepreise die Grundlage für die weitere Ausdehnung der Konsumausgaben entzogen werden, so die Befürchtungen.

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Ein Stagnation oder gar ein Rückgang der realen Konsumausgaben (verglichen mit dem jeweiligen Vorjahresquartal) war in der Vergangenheit zwar selten (nur dreimal in den letzten 40 Jahren), dann aber immer mit einer Rezession in den USA verbunden. Darüber hinaus ist bemerkenswert, dass in zwei von drei Fällen der Ölpreis im Spiel war. Stellt sich nun also die Frage, ob der aktuelle Ölpreis mit den Krisenjahren 1973/74 bzw. 1979-81 vergleichbar ist. Um den aktuellen Ölpreis sinnvoll mit historischen Preisen vergleichen zu können, muss der Ölpreis zunächst mit dem USKonsumentenpreisindex ex Energie deflationiert werden. Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass die US-Wirtschaft seit den 1970er Jahren deutlich energieeffizienter geworden ist. Um eine Einheit BIP zu erzeugen, verbraucht die US-Wirtschaft heute nur noch etwa die Hälfte der Ölmenge von 1973. Unter Einbeziehung dieses Effekts liegt der reale Ölpreis (WTI) aktuell bei etwa 90% des Niveaus vom ersten Quartal 1974. Insofern hat der Ölpreis selbst mittlerweile Niveaus erreicht, die zumindest annähernd mit ersten Ölpreiskrise 1973/74 vergleichbar sind. Die Folgen für die USKonjunktur sind bekannt.

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Entlastend für den US-Konsumenten wirkt sich hingegen bisher der Umstand aus, dass die Benzinpreise, welche für die Konsumausgaben für Energie maßgeblich sind, auf den Ölpreisanstieg bisher kaum reagiert haben. Während der Ölpreis wie oben erwähnt seit Mitte August um mehr als 25% angezogen hat, blieben die Benzinpreise im gleichen Zeitraum unverändert bei durchschnittlich 2,80 USD pro Gallone.

Wie nebenstehender Chart zeigt, gab es auch in der Vergangenheit Abweichungen zwischen der Entwicklung des Ölpreises und der des Benzinpreises. Diese dauerten indes selten länger als wenige Wochen an.

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Wir gehen zwar davon aus, dass der derzeit hohe Ölpreis in den kommenden Wochen aufgrund relativ hoher Rohöllagerbestände in den USA und hoher spekulativer Netto-Long-Positionen wieder etwas zurückkommen sollte. Dennoch würde selbst ein Fall des Ölpreises (WTI) auf 80 USD pro Barrel noch einen Benzinpreisanstieg auf etwas über 3 USD pro Gallone rechtfertigen. Hinzu kommt, dass sich die Benzinlagerbestände in den USA im Gegensatz zu den Rohöllagerbeständen auf relativ niedrigen Niveaus bewegen und auch die Raffinerien ihre Produktionsmenge kurzfristig kaum mehr erhöhen können. Dies würde für einen Anstieg der Benzinpreise sogar in die Nähe des Allzeithochs (3,23 USD/Gallone) sprechen. Sollte der Ölpreis auf längere Zeit den aktuellen Niveaus (ca. 90 USD) verharren, erscheint selbst ein Benzinpreis von 3,40 USD/Gallone in Reichweite. Aber auch ein Anstieg des Benzinpreises um nur 0,2 USD auf 3 USD pro Gallone würde den US-Verbraucher pro Jahr immerhin ca. 16 Mrd. USD kosten und sich entsprechend negativ beim realem Konsumwachstum bemerkbar machen.

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Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mit dem jüngsten Ölpreisanstieg die Konjunkturrisiken für die USA weiter gestiegen sind. Obwohl der Ölpreis in realen Preisen und unter Einbeziehung der verbesserten Öleffizienz wieder nahe dem Niveau der ersten Ölkrise von 1973/74 notiert, dürften die negativen Konjunktureffekte erst dann voll zur Entfaltung kommen, wenn auch die Benzinpreise entsprechend steigen. Dies dürfte u.E. nicht mehr lange auf sich warten lassen, sollte der Ölpreis in den kommenden Tagen/Wochen nicht wieder deutlich fallen.

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© Dr. Matthias Huth
Commodity Analyst

Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart





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