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Greenspeak, Bernspin und die Börsen

08.11.2007  |  Manfred Gburek
Es war wieder einmal wie bei einem Fußballspiel, zu dem der in Sachen Mauertaktik und Abseitsfalle weniger informierte Großteil die Zuschauer mit hochgesteckten Erwartungen strömt, von dem die Minderheit der Profis dagegen wenig erwartet, und das dann enttäuschend null zu null endet: Die US-Notenbank Fed senkte den Leitzins am vergangenen Mittwoch - für die Profis erwartungsgemäß - um 25 Basispunkte (1/4 Prozentpunkt), und die Börsen gingen zur Tagesordnung über, als wäre nichts gewesen, während diejenigen, die mit 50 Basispunkten gerechnet hatten, vor lauter Enttäuschung schmollten.

War da wirklich nichts? Doch! Nach der Zinsentscheidung, so der Wortlaut des recht knappen Fed-Originaltextes, werden "the upside risks to inflation roughly balance the downside risks to growth". Also sinngemäß: Inflations- und Konjunkturrisiken halten sich jetzt die Waage. Dazu kommentiert die Fed weiter: Man werde auch in Zukunft so handeln, dass Preisstabilität und nachhaltiges Wirtschaftswachstum gefördert werden. Damit lassen sich die US-Geldpolitiker zum einen alle Türen offen, während sie zum anderen die Marktteilnehmer zu beruhigen versuchen. Also Psychologie hoch zwei. Oder anders formuliert: "Greenspeak", das Geld-Kauderwelsch von Bernankes Vorgänger Greenspan im Amt als Fed-Chairman, wird durch "Bernspin" ersetzt (to spin = sich drehen). Das bedeutet im Kern nichts anderes als die Fortsetzung der im Zweifel zur Förderung des Wirtschaftswachstums neigenden US-Geldpolitik unter Verzicht auf eine allzu strenge Inflationsbekämpfung.

Insofern verwundert es kaum, dass Aktienkurse und Rohstoffpreise (aufwärts) nach der Fed-Entscheidung ebenso zur Tagesordnung übergegangen sind wie Anleihen und amerikanische Häuserpreise (abwärts). Denn an den Märkten sind die Erwartungen entscheidend. Nehmen wir die Aktien: Sie profitieren unter anderem davon, dass Anleihen und Immobilien als Anlageklassen durch die Hypothekenkrise bis auf Weiteres out sind. Oder die Rohstoffe: Da sie weltweit vor allem in Dollar gehandelt werden, die Kaufkraft der US-Währung aber stark gesunken ist, müssen steigende Rohstoffpreise diesen Effekt kompensieren. Das wird besonders beim Öl deutlich, lässt aber auch den Goldpreis in Dollar steigen, während er in Euro weniger zulegt.

Im Zuge einer solchen Entwicklung an den Märkten können Sie zunächst die meisten Trends getrost noch für zwei bis drei Monate fortschreiben, vorausgesetzt, es kommen keine Überraschungen dazwischen. Diese sind eher von Seiten der Märkte (Bankenkrise, Inflation, Rezession) als von Seiten der Notenbanken zu erwarten, die alles tun werden, um die Märkte liquide zu halten. Was die üblichen Aktien betrifft: Führt die jetzige Hypotheken- zu einer allgemeinen Banken- und Vertrauenskrise, werden die Aktienkurse trotz der zurzeit noch ordentlichen fundamentalen Daten fallen, weil die Krise sich dann allgemein negativ auf die Realwirtschaft auswirken dürfte. Kommen wir glimpflich davon, werden die Aktienkurse per saldo aber nur seitwärts tendieren, weil Gewinnmitnahmen und Favoritenwechsel immer wieder zu Rückschlägen führen dürften. Etwas anderes gilt für Rohstoffe und Edelmetalle: Sie werden wohl noch bis Januar/Februar 2008 auch von der drohenden Krisenzuspitzung profitieren. Aber spätestens, wenn die letzte Großbank im Februar ihre Horrorzahlen veröffentlicht hat, dürften Gewinnmitnahmen Rohstoffe und Edelmetalle treffen.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu






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