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Rezession oder nicht?

17.11.2007  |  Klaus Singer
Jede Rezession in den USA hängt klar von der Entwicklung des privaten Verbrauchs ab. Der Konsum macht mittlerweile über 70 Prozent der volkswirtschaftlichen Nachfrage aus. Der private Hausbausektor mit seinen fünf Prozent Anteil wäre dazu aus sich selbst heraus nicht in der Lage. Aber es gibt Effekte, die den Funken von dort aus überspringen und auf negative Rahmenbedingungen für die Entwicklung des privaten Verbrauchs treffen lassen. Der bekannte US-Ökonom Nouriel Roubini nennt insgesamt acht:

Erstens bewirken fallende Hauspreise einen negativen Wohlstandseffekt, der sich zwischen fünf und sieben Prozent des verfügbaren Einkommens bewegt. Roubini gibt unter der Annahme, dass die Hauspreise zwischen zehn und 20 Prozent fallen, einen Bereich zwischen 100 und 280 Mrd. Dollar an, um den der private Verbrauch tangiert wird.

Zweitens nennt er einen Effekt, der darin besteht, Gewinne aus Immobiliengeschäften abzuziehen und zu konsumieren. In 2005 hatte dieser Effekt mit 700 Mrd. Dollar sein Maximum erreicht, im zweiten Quartal 2007 ist er auf etwa 150 Mrd. Dollar gesunken. Wegen Zeitverzögerungen wird dieser Effekt wahrscheinlich erst in 2008 voll zur Geltung kommen.

Drittens hat die anhaltende Kreditkrise Folgen für die weitere Verschuldung der Verbraucher. Roubini rechnet damit, dass die Kreditklemme bald auch die Kartenkredite und Darlehen für Autokäufe erreichen wird. Für den US-Verbraucher, der im Schnitt auf keinerlei Ersparnisse zurückgreifen kann, führen schlechtere Konditionen hier sofort zu Konsumeinschränkungen. Andersherum werden viele Haushalte von aus vorsichtiger, sich weiter zu verschulden. Und in der Tat hat die Sparquote zuletzt zugelegt, wenn auch nur ganz leicht.

Viertens laufen innerhalb der nächsten 18 Monate zu Lockzinsen abgeschlossene Hypothekendarlehen in Höhe von etwa einer Billion Dollar aus. Die Finanzierung von Hauseigentum wird damit teurer. Roubini rechnet mit einem Mehrbetrag von 30 Mrd. Dollar, um den das verfügbare Einkommen hierdurch sinken wird. Die Summe ist für sich betrachtet nicht sehr hoch, aber das dürfte in nicht wenigen Fällen dazu führen, dass Häuser notverkauft werden müssen, wodurch Druck auf die Hauspreise insgesamt aufkommt. Das wiederum verstärkt andere, hier genannte Effekte.

Fünftens drücken die steigenden Energiekosten das verfügbare Haushaltseinkommen nachhaltig. Dies ist nach Roubini verantwortlich für den scharfen Rückgang beim Konsumwachstum im zweiten Quartal auf eine Jahresrate von 1,4 Prozent. Da die Bedingungen im Ölmarkt weiter angespannt bleiben, sei nicht damit zu rechnen, dass von hier aus Entspannung kommt.

Sechstens ist das Verbrauchersentiment, bzw. Verbrauchervertrauen jetzt unter die Räder gekommen. Der vorläufige Index der Universität Michigan zeigt im November mit 75 Punkten den tiefsten Stand seit 1995 (von einem kleinen Einbruch in Zusammenhang mit "Katrina" abgesehen). Da mittlerweile 60 Prozent der Amerikaner innerhalb der nächsten 12 Monate mit einer Rezession rechnen, scheint klar, dass das Verbrauchersentiment weiter abfällt und einen negativen Effekt auf das Konsumverhalten hat.

Siebtens kommen vom Arbeitsmarkt erste negative Signale. Die Zuwachsrate bei der Beschäftigung hat sich zuletzt von zwei auf ein Prozent abgeschwächt. Die Haushaltsumfrage ergab für 2007 fast keine neuen Stellen mehr und selbst wenn man die etablierte Arbeitsmarktstatistik kritisch beleuchtet, bleibt nicht viel übrig, weil verschiedene Modellannahmen zu Jobs führen, die nicht existieren. Dies führt dazu, dass das verfügbare Einkommen langsamer wächst und sich mit zuletzt einem Prozent real aufs Jahr bezogen schwach zeigt. Wenn die Hauspreise weiter fallen, die anhaltenden Verluste im Finanzsektor zu weiteren Entlassungen führen, der Fertigungsbereich und der Handel ihre Schwäche ausbauen, dann werden sich die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt schnell deutlich verschlechtern.

Achtens fällt der Nettowert des Sektors der privaten Haushalte jetzt. Dafür gibt es im wesentlichen drei Gründe: Die Hauspreise fallen, das Verhältnis zwischen Schulden und Einkommen liegt jetzt bei einem historischen Topp von 130 Prozent und nun hat die Korrektur an den Aktienmärkten eingesetzt. Zum Vergleich: In den 1990er Jahre lag das Verhältnis Schulden zu Einkommen noch bei rund 70 Prozent, in den ersten Jahren nach der Jahrtausendwende wurden 100 Prozent erreicht. Vor jeder Rezession in den USA war der Nettowert des Sektors der privaten Haushalte auf einem Allzeithoch. Für Roubini ist daher nicht die absolute Höhe maßgebend, sondern der Gradient. Und der zeigt nach unten.

Die genannten Faktoren beschreiben die wesentlichen Kanäle, durch die es im vierten Quartal und im nächsten Jahr zu einer Konsumabschwächung kommt. Die hat nach Roubini im September begonnen. Bestimmte Anzeichen deuten darauf hin, dass der Oktober noch schwächer als der September ausfallen könnte. So hat eine Bloomberg-Umfrage ergeben, dass die realen Einzelhandelsumsätze im Oktober nur um 0,2 nach 0,6 Prozent im September gestiegen sind. Der Drei-Monats-Schnitt der Kernrate des Einzelhandelsumsatzes liegt jetzt bei 4 Prozent nominal, gut ein Prozent real. Seine Spitze hatte der Wert Mitte 2006 mit 8,5 Prozent erreicht.

Die Umsätze im Weihnachtsgeschäft werden schwach erwartet und es wird wahrscheinlich das Schwächste seit der Rezession in 2001 werden. Dies scheinen die Aktienkurse der Einzelhändler vorwegzunehmen, die sich von ihrer Spitze im laufenden Jahr deutlich entfernt haben. Sie sind teilweise sogar stärker gefallen als die im Finanzsektor. Das spiegelt den Gewinnrückgang im aktuellen dritten Quartal um 21 Prozent im Vergleich zu Q3/2005 wider. Der Finanzsektor kommt nur auf minus 17 Prozent. Roubini sieht zudem Anzeichen, dass die Nachfrage nach dauerhaften Konsumgütern zurückgeht. Und die ist eine Hauptdeterminante der Geschäfts-, bzw. Konjunkturzyklus.

Zusammengefasst, ist es nach Roubini irrelevant, ob der reale private Verbrauch absolut fällt. Dies sei seit 1991 nicht geschehen, wollte man darauf abstellen, hätte es die Rezession 2001 nicht geben dürfen. Es reicht für eine Rezession aus, wenn der reale private Verbrauch einige Zeit nur mit einem Prozent oder weniger pro Jahr wächst. Zudem sehe sich der Verbraucher heute Belastungen gegenüber wie seit 1990 nicht mehr. Man solle im vierten Quartal von einem Wachstum von einem Prozent oder weniger ausgehen und in der ersten Hälfte 2008 sogar mit einer Abnahme rechnen, heißt es.

Der Rezessionsindikator auf der Web-Seite der TimePattern (unter "Intermarket") zeigt eine Rezession, die im ersten Halbjahr 2008 starten könnte. Demgegenüber zeigt das Anfang 2006 von Fed-Analyst Jonathan Wright vorstellte Vorhersagemodell mittlerweile nur noch eine Wahrscheinlichkeit
von 16 Prozent, nachdem es im April bei 45 Prozent abgekippt ist.

Das Modell vergleicht die Fed-Funds-Target-Rate und das Differential zwischen dreimonatigen und zehnjährigen Staatsanleihen. Abgesehen von nicht zutreffenden Annahmen über die statistische Verteilung des Spreads, gibt das Modell wahrscheinlich den Effekt einigermaßen korrekt wider, der von sinkenden Bankmargen auf die Kreditvergabe ausgeht.

Aber eben auch nur den und nicht solche Effekte, die sich auf die gesamte Zinsstruktur auswirken, wie in der gegenwärtigen Kreditkrise. Die Zinsstruktur ist zwar steiler geworden, aber aus den falschen Gründen - die Zinsen am langen Ende sind nicht gestiegen, sondern die am kurzen Ende gefallen. Die Methode hinter dem "TimePattern"-Indikator vermeidet die Annahmen Wrights über die Art der statischen Verteilung des untersuchten Spreads und wertet die gesamte Zinsstruktur aus.


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de
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