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Börsenpsychologie, einmal anders

18.11.2007  |  Manfred Gburek
Die Edelmetallmärkte sind seit einer Woche volatil geworden, das heißt, die Preise schwanken stark, nachdem sie vorher hochgeschossen sind. Bevor ich im Verlauf dieses Beitrags zu den Konsequenzen komme, nenne ich hier erst einmal zwei wichtige Ursachen: 1. Wie schon im Sommer dieses Jahres, verkaufen viele Anleger alles, was sich schnell zu Geld machen lässt, um liquide zu bleiben. Auslöser ist einmal mehr die internationale Bankenkrise. Das lässt die Aktienkurse auf breiter Front ebenso sinken wie die Edelmetallpreise - zunächst. 2. Gewinnmitnahmen der kurzfristig agierenden Spekulanten verstärken diesen Effekt - vorübergehend. Das absehbare Ende dieser Entwicklung dürfte, wie Sie weiter unten lesen können, in einer nochmaligen, wieder durch die lockere US-Geldpolitik ausgelöste Rally bestehen. Von ihr werden die Edelmetallpreise wahrscheinlich mehr profitieren als die Aktienkurse. Denn vor allem Gold wird wieder seine Funktion als sicherer Hafen beweisen.

Nun zuerst einige grundsätzliche Anmerkungen. In den beiden vergangenen Wochen verging für mich kaum ein Tag ohne wichtige Termine, die mir wieder einmal einen tiefen Einblick in verschiedene Bereiche der Anlageszene ermöglichten (Frankfurt School of Finance & Management, WestLB, Börsentag München, Sibeth-Rechtsanwälte, DekaBank usw.), Routinetreffen nicht mitgerechnet. Bis Mitte Dezember wird es so weiter gehen. Frankfurt ist dafür ein ideales Pflaster, München auch, Berlin kommt (allerdings einseitig wegen der dort versammelten Lobby). Die anderen deutschen Metropolen haben Schwerpunkte eher in der Industrie und im Handel. Warum ich das alles erwähne? Weil es inzwischen einen riesigen Unterschied zwischen Informationen aus den Medien (Zeitungen, Zeitschriften, Internet, Fernsehen) und aus berufenem Mund vor Ort gibt. Manchmal bin ich geradezu erschüttert, wie manche Medien (vor allem das Fernsehen, aber auch große Teile des Internets) unbedeutende Ereignisse aufblähen und trotzdem an der Oberfläche bleiben.

Wenn Sie sich außerhalb Ihres Berufsalltags zum Beispiel mit dem Thema Geld beschäftigen wollen und nicht gerade in einer entscheidenden Position tätig sind, aus der heraus Sie dazu täglich einen guten Einblick erhalten, müssen Sie höllisch aufpassen, dass Sie nicht zum Opfer irreführender Informationen und Empfehlungen werden. Etwa dass man jetzt Aktien des Autoverleihers Sixt kaufen soll, weil die Lokführer streiken. Oder dass der von den Erwartungen abweichende Anstieg der US-Verbraucherpreise einen nachhaltigen Einfluss auf den Dollar haben könnte. Oder dass der Dax bei 8000 Punkten (alternativ bei 7700, 7800 oder 7900) eine psychologisch wichtige Widerstandslinie überwinden müsse. Alles Unsinn, ebenso wie der viel beschworene Goldpreis von 850 Dollar, nur weil er vor fast 28 Jahren einmal so hoch notierte.

Als ich am Montag, dem 12. November, im Frankfurter Hauptbahnhof aus dem Zug stieg, leuchteten mir auf einem riesigen Reklameschild von Société Générale Goldbarren entgegen. Es handelte sich um eine Werbung für - Sie ahnen es sicher - Derivate. Da wurde mir bewusst, dass das von mir in dem vorangegangenen Beitrag hier an dieser Stelle angepeilte Zwischenhoch schon erreicht sein könnte. Denn Werbung für Geldanlagen muss immer prozyklisch sein, sonst ist das Geld zum Fenster rausgeworfen - aus der Sicht der Anbieter, versteht sich. Und sie muss die richtige Zielgruppe erfassen; im stark frequentierten Bahnhof von Mainhattan kann man da nicht viel falsch machen.

War das Zwischenhoch des Goldpreises in Dollar in der Woche davor also erreicht, oder handelte es sich nur um eine Unterbrechung des Aufwärtstrends vor dem Erreichen eines neuen Preisgipfels? Ziehen wir die saisonalen Zyklen der vergangenen Jahre heran, ergibt sich kein einheitliches Bild: 2001, 2002, 2003 und 2005 wäre man gut beraten gewesen, Zwischengewinne erst nach dem Jahresende mitzunehmen, dagegen 2004 bereits vorher; für 2006 lässt sich keine eindeutige Aussage treffen. So gesehen, steht es mindestens 4 zu 2 zugunsten des Haltens von Positionen. Wobei in diesem Punkt zwischen dem physischen Gold (einschließlich Silber) und anderen Edelmetallanlagen (im Wesentlichen Minenaktien und -fonds, Zertifikate und ETF) zu unterscheiden ist. Da ich aufgrund der hier seit Monaten angestellten Überlegungen auf absehbare Zeit mit vierstelligen Goldnotierungen in Dollar und in Euro rechne, sollten Sie Ihre physischen Edelmetallbestände bis auf Weiteres unangetastet lassen und Zwischengewinne bei den anderen Edelmetallanlagen zu gegebener Zeit, also erst 2008 (denken Sie an 4 zu 2, s.o.) realisieren.

Damit stellt sich die Frage nach dem genauen Zeitpunkt. Dazu einige Überlegungen, ergänzend zu denen in der vorigen Woche: Haben Sie schon einmal einen größeren Posten Aktien verkauft, bevor deren Kurse in die Höhe schossen? Und haben Sie einen ähnlich großen Posten nicht rechtzeitig verkauft und danach bis zum nächsten Kurstal durchgezogen? Ich gehe jede Wette ein, dass Sie sich im ersten Fall mehr geärgert haben, sofern Sie das eingesetzte Geld nicht anderweitig benötigt haben. Dieses unangenehme Gefühl ist vergleichbar dem Ärger über einen entgangenen Lottogewinn, falls Sie vergessen haben, den Tippschein abzugeben. Dagegen können Sie im zweiten Fall immer noch hoffen, dass Sie unter normalen Bedingungen wenigstens Ihren Einsatz wieder herausbekommen. Eines sollten Sie bei diesen psychologischen Überlegungen allerdings auch noch beachten: Kursgewinne sind Geschenke, von denen Sie nur im Glücksfall zu mehr als der Hälfte des gesamten Aufwärtszyklus profitieren können; der andere Teil entgeht Ihnen in der Regel durch zu frühen oder zu späten Kauf bzw. Verkauf. Statt sich zu grämen, sollten Sie also Ihren Ärger über entgangene lieber mit der Freude über realisierte Gewinne kompensieren.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu







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